Nokian gibt zu, Reifentests jahrelang manipuliert zu haben. Wie
glaubwürdig sind also Reifentests, bei denen die Modelle von den
Herstellern zur Verfügung gestellt werden? Der ÖAMTC zeigt, wie es
gehen kann.
Jetzt hat auch die Reifenbranche ihren handfesten Betrugsskandal",
ist die Neue Reifenzeitungüberzeugt, nachdem Nokian zugegeben hat,
bei Reifentests manipuliert zu haben. Dabei wurden den Testern
deutlich bessere Ausführungen als jene aus der Serienfertigung zur
Verfügung gestellt.
Ein VW-Abgasskandal wird daraus wohl nicht werden, wie wohl sich -zu
Redaktionsschluss dieser Ausgabe -bereits Konsumenten-Medien mit dem
Thema beschäftigt haben. Doch der Aufreger ist ebenso zu klein wie
der Hersteller. Nokian ist ein sympathisches, vergleichsweise kleines
Unternehmen, dem man die Beichte und das Besserungsversprechen
abnimmt.
Nokian schließt weitere Manipulation aus
"Im letzten Jahr haben wir unsere Arbeitsprozesseüberprüft. Gleich
danach haben wir unsere Regeln für Testreifen geklärt, die nun
ausdrücklich jedes Planen oder Herstellen von Reifen verbieten", so
die Stellungnahme von Antti-Jussi Tähtinen, Vice President Marketing
and Communications bei Nokian.
Bleibt nur die Frage, ob auch andere Reifenhersteller eine
Manipulation gemacht haben und zugeben. Die Gerüchte sind ebenso
hartnäckig wie die Beweisführung schwierig. Eine gewisse Mitschuld
tragen die Tester, welche die Manipulation erst ermöglicht haben.
Denn durch Anfrage von den Testorganisationen und der
Zurverfügungstellung durch den Hersteller war es ein Leichtes,
bessere Reifen zu liefern.
ÖAMTC kauft Reifen selbst
Die etablierten Organisationen sind daher dazuübergegangen, die
Reifen selber zu kaufen. "Wir kaufen 28 Stück von jedem für den Test
geplanten Reifen und das bei bis zu fünf verschiedenen Händlern",
erklärt Friedrich Eppel, Reifenexperte beim ÖAMTC. Unterschiedliche
Tests werden mit verschiedenen Reifen durchgeführt. Gibt es hier
Unterschiede über die normale Messstreuung hinaus, werden Reifen
nachgekauft. Ist die Differenz noch immer zu groß, fliegt der Reifen
aus dem Test. Aktuell ist das gerade beim ÖAMTC/ADAC-Vergleich der
Dimension 185/65 R 15 passiert. "Beim Pirelli Cinturato P1 Verde
wurden zwischen zwei Reifensätzen, die aus unterschiedlichen
Produktionsstätten stammen, gravierende Unterschiede bei den
Nassgriffeigenschaften festgestellt." Der Nachtest mit eigens
nachgekauften Reifen aus den beiden Produktionsstandorten bestätigte
den Unterschied. "Da vom Pirelli Cinturato P1 Verde in der Dimension
185/65 R15 88 H offensichtlich Reifen mit unterschiedlichen
Eigenschaften am Markt erhältlich sein können, kann der ÖAMTC keine
Bewertung zu diesem Modell abgeben", so Eppel konsequent. Pirelli
begründet die Situation mit einem fehlenden Update der Reifenmischung
an einem der Produktionsstandorte.
Problem bei ganz neuen Reifen
Dass solche Differenzen bemerkt werden und Konsequenzen haben,
spricht für die Qualität der Tests. Etwas schwieriger ist die
Situation bei komplett neuen Reifen, die noch nicht im Handel sind.
Schließlich beginnen Reifentests bereits ein Jahr vor der
Veröffentlichung. Die meisten Tester nehmen daher ein
Vorserienmodell, geliefert vom Hersteller, für die Vergleiche."Sobald der Reifen beim Handel verfügbar ist, wird mit einem
gekauften Kontrollreifensatz das Ergebnis überprüft", so Eppel. Das
sei in den letzten Jahren nur einmal vorgekommen und wird seit einem
Jahr auch nicht mehr praktiziert. "Jetzt verwenden wir nur noch
Reifen, die zu Testbeginn im Handel erhältlich sind", erklärt Eppel.
Das ist konsequent von der Testgemeinschaft ADAC und ÖAMTC, die damit
einen Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Testinstitutionen in Kauf
nimmt. Denn diese ziehen weiterhin die jeweils neuesten Reifen -zur
Verfügung gestellt von der Industrie - für den Vergleich heran.
So geschehen beim Test der Dimension 225/45 R 17 von GTÜ/Auto
Zeitung. Die neuesten Modelle waren beim ÖAMTC/ADAC-Vergleich dieser
Dimension nicht berücksichtigt. GTÜ/AutoZeitung haben hingegen die
neuen Reifen von der Industrie in den Test mit aufgenommen. Nach der
Marktverfügbarkeit wurde oder wird laut Testbericht mit gekauften
Gummis nachgetestet.
Dabei soll absolut keine Manipulation unterstellt werden, es zeigt
lediglich die Gefahr. So lange diese Abläufe durchgeführt werden,
kann es keine 100-prozentige Sicherheit geben. Die Testorganisationen
sind gefordert, unabhängige, transparente, nachvollziehbare
Vergleiche durchzuführen, wo kein Manipulationsschatten bleiben kann.
Die Konsumenten und auch der Reifen(fach)handel verlassen sich
darauf.