Über 40 Prozent der Automobilbetriebe in der Verlustzone, weniger als 1 Prozent Durchschnittsrendite im Fahrzeughandel und herstellerübergreifend rote Zahlen im reinen Neuwagengeschäft: Diese alles andere als beglückende Situation für den heimischen Autohandel wird noch dadurch erschwert, dassdie unternehmerische Freiheit spätestens seit dem ersatzlosen Auslaufen der "Kfz-GVO" der Vergangenheit angehört. Das Verhältnis von Herstellern zu Händlern ist der gleichen Erosion unterworfen wie die Renditen des Geschäftsmodells.
Kerngeschäft als Verlustbringer
Diese traurige Erkenntnis zieht sich wie ein roter Faden quer durch alle Markenbeziehungen. Dass der Vertrieb ("Sales") vom Werkstatt-und Ersatzteilbereich ("After Sales") quersubventioniert werden muss, sollte bei den Händlern die Alarmglocken zum Läuten bringen. Wer sich daraufhin jedoch an den Hersteller wendet, bekommt den standardisierten Spruch zu hören, dass man die Verluste in Kauf nehmen soll, weil man ja künftighin die Fahrzeuge in die ertragreich(er)e Werkstatt bringen werde. Wem da die Tankstellenpächter einfallen, die mit dem Treibstoffgeschäft allein schon lange nicht mehr überleben können und sich mit Wurstsemmeln, Softdrinks und Knabbergebäck über Wasser halten müssen, liegt nicht daneben.
Verhängnisvolle "Leistungsanreize"
Es knistert im Gebälk der Vertriebsbeziehungen. Die Hersteller und deren Importgesellschaften nützen es weidlich aus, dass sie die Margen-und Anreizsysteme im Vertrieb (und neuerdings auch im Aftersales-Bereich) so gestalten können, dass den Händlern immer weniger bleibt -freilich verbrämt unter dem gesellschaftsfähigen Titel "Leistungsanreize". So werden die Fixmargen sukzessive verringert und sogar unter die durchschnittlichen Vertriebskosten von 10 Prozent des Umsatzes getrieben, was bei einer partnerschaftlichen Hersteller-Händlerbeziehung eigentlich ein "No-Go" sein sollte.
Das Aufbegehren der Händler wird mit dem Hinweis abgetan, dass "man doch auf der Kostenseite seine Hausaufgaben machen" solle. Interessant ist dabei nur, dass die meisten Importeure die Angaben zur Hausaufgabe nicht formulieren können: Schließlich dümpeln die herstellereigenen Betriebe meist selbst in den roten Zahlen herum.
Unterschiedliche Welten
Viele Händler können sich des Eindrucks nicht erwehren, beim Importeur mit einem völlig anderen Universum zu kommunizieren -zumal angesichts der unterschiedlichen Planungshorizonte weitere Spannungen vorprogrammiert sind. Ein Händler hat eher die nächsten 10 Jahre im Fokus, die Hersteller sind börsenkursgetrieben quartals-oder bestenfalls jahresfixiert.
Ein entgegengesetzter Zugang zeigt sich auch beim Umgang mit Zweit-oder Drittmarken. Importeure haben nicht gerne, wenn ihre Händler Zweit-oder Drittmarken aufnehmen. Der CI-Auftritt der Erstmarke wird gestört, die reduzierte Abhängigkeit erschwert "Zielgespräche". Doch welcher Importeur anerkennt einem Händler dessen Markenreinheit, dessen unverfälschte Konzentration auf eine Markenwelt? Wer hält dafür einen Margenbaustein von zum Beispiel 2 Prozent bereit?
An die Stelle dieser positiven Motivation tritt bei manchen Importeuren eine ungenierte Machtauslebung. Ihr Kennzeichen ist die immer schärfere Tonalität und zugleich schwindende Intensität der Kommunikation. Was vor Jahren noch in Tagungen besprochen werden konnte, wurde einseitig durch kalte E-Mail-Befehle ersetzt. Vertriebsbezogene Anfragen von Händlern bei Importeuren erfahren immer längere Lösungszeiten. Die unterschiedlichen Welten von Händler und Hersteller entfernen sich auch deshalb immer mehr, weil Konzernentscheidungen etliche Gremien durchlaufen müssen, bei denen sich jeder Mitarbeiter mehrfach absichert und letztendlich noch die Rechtsabteilung um ihre Zustimmung fragen muss. Zudem haben viele Mitarbeiter in Konzernen einen Karriereweg fern der Verkaufsfront hinter sich, sollten dann aber auf Importeursebene über Vertriebsfragen entscheiden.
Einstufiges Vertriebsmodell als Ausweg?
Händler wie Hersteller sind an einer Weggabelung angelangt. Dass die aktuellen Geschäftsmodelle für die meisten Händler unattraktiv geworden sind, stellen mittlerweile viele Importeure bei der Suche nach neuen Vertriebspartnern fest. Erschwert wird so eine Herbergssuche für Händlerverträge, sobald ein potenzieller Partner die durchschnittlichen Geschäftszahlen einer Markenrepräsentanz anfordert. Die zeigen Importeure ungern her, was zu allerlei Ausflüchten wie "Datenschutz" und neuerdings "Compliance" führt. Gibt es Alternativen zum bisherigen Geschäftsmodell? Warum beispielsweise nicht den einstufigen Vertriebsweg einschlagen? Dies würde den Großteil der atmosphärisch belasteten Diskussionen um Margen, Zielzahlen, Lagerverpflichtungen, Aktionen, Zahlungsziele und optimale Kundenbetreuung im Verkauf ebenso beenden wie die Verluste der meisten Händler.
Die Hersteller beziehungsweise Importeure würden sich in die Schauräume der Händler einmieten, die Vertriebsmitarbeiter übernehmen, den Vorführwagenpark auf dem von ihnen gewünschten aktuellen Niveau halten und den Händlern die Verwertung der gebrauchten Fahrzeuge anbieten. Für die Erneuerung der Markenwelten im Fünf-bis Siebenjahresrhythmus würden die Hersteller selbst die Umbaukosten tragen. Die Händler würden sich wiederum dem Aftersales-Geschäft widmen, eine Quersubvention zum Neuwagenbereich würde sich erübrigen.
Bewusstseinswandel erforderlich
Dieses Szenario wird es bei Kenntnis derösterreichischen und europäischen Händlerlandschaft nicht spielen -einerseits deshalb, weil es aus Sicht der Hersteller keinen Grund gibt, selbst das defizitäre Einzelhandelsgeschäft zu betreiben, solange andere Unternehmer dazu bewegt werden können, dafür Geld in die Hand zu nehmen.
Andererseits fehlt es bei vielen Händlerkollegen am entsprechenden Bewusstsein: Zu sehr sind die Händler (nomen est omen) vertriebsorientiert, wird der Besitz der Vertriebs-und Serviceverträge als essenziell empfunden.
Zwar ist die frühere Freiheit des Handels längst einer tiefgreifenden Abhängigkeit gewichen, die mehr und mehr Händler als Ausdruck einer Sklaverei empfinden -doch zwischen dieser Erkenntnis und der Bereitschaft, daraus die Konsequenzen zu ziehen, ist es noch ein weiter Weg.
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