In Amerika ticken die Uhren anders: Daher wird es dem außenstehenden
Beobachter stets verborgen bleiben, was letztlich die tatsächlichen
Ursachen für den größten automobilen Aufreger des Jahres waren. Es
mutet schon eigenartig an, wenn gerade in einem Land, das pro Kopf
den höchsten CO 2-Ausstoß auf unserem Planeten hat und das sich allen
globalenAnstrengungen zu dessen Reduktion nur äußerst zögerlich
anschließt, der Kraftstoffverbrauch plötzlich einer der zentralen
Punkte der Kritik ist.
In blindem Gehorsam schließt sich die
europäische und vor allem die heimische Politik der allgemeinen
Empörung an und vermittelt den Eindruck, dieSituation im Griff zu
haben.
Bei nüchterner Betrachtung ist der "Skandal" nur der Ausdruck dessen,
woran alle Verantwortungsträger Anteil haben. Niemand, wahrscheinlich
nicht einmal der betroffene Konzern, weiß eigentlich, wo das
tatsächliche Problem liegt. Zu diesem Zeitpunkt von Lösungen zu
sprechen, erscheint eher grotesk. Die Abgasgesetzgebung in Europa
(und natürlich ganz besonders in Österreich) wird von den
Umweltministerien meist nach dem Motto "Darf"s etwas weniger sein?"
gestaltet. Die Vorgaben sind stets so, dass sie zum Zeitpunkt ihrer
Verabschiedung noch nicht dem Stand der Technik und schon gar nicht
der Realität entsprechen. Gestatten Sie mir an dieser Stelle die böse
Frage am Rande: Ist eigentlich irgendeines der Ziele, die unsere
Umweltschützer bei internationalen Kongressen an einem meist schönen
Ort nach langen, zähen Verhandlungen festgelegt haben, tatsächlich
eingehalten worden?
In der Technik wirkt sich jedes Drehen an einer Schraube meist so
aus, dass damit die Einstellung einer anderen Schraube auch nicht
mehr stimmt. Die gegenseitige Beeinflussung von Verbrauchsreduktion
und Stickoxydausstoß beim Dieselmotor ist lange bekannt und führt zu
teilweise sehr aufwendigen Lösungen. Das Drehen an der Schraube ist
im Zeitalter der Elektronik meist nur eine kleine Maßnahme an der
Software. Die Kontrollmechanismen und Richtlinien zur Messung des
Schadstoffausstoßes und Kraftstoffverbrauchsstammen aus dem vorigen
Jahrhundert und berücksichtigen Software und die daraus entstehenden
Möglichkeiten in keiner Weise.
Wenn heute mit dem Laptop und vor Ort Grundeigenschaften wie die
Höchstleistung verändert werden können, brauchen wir uns nicht
wundern, wenn davon Gebrauch gemacht wird. Was der Hersteller
verabsäumt, wird vom Chiptuner erledigt. Von Manipulationssicherheit
bei Software sind wir weit entfernt, wir erleben es tagtäglich am
eigenen Computer und am Handy, wo ständig neue Updates zur Abwehr
(vielleicht auch im Sinne) von Manipulationen laufen.
Abgesehen vom Wegsehen bei der Software sind die Richtlinien etwa bei
den Fahrzyklen so gestaltet, dass diese nicht mehr der Realität
entsprechen. Fast jedes Kleinauto ist heute für Geschwindigkeiten
ausgelegt, die weit aus dem Bereich der Fahrzyklen hinausgehen. Wie
heißt es doch im Volksmund? Da wird die Sau herausgelassen.
Stellt sich die juristische Frage, wie weit es einem strafrechtlich
relevanten Tatbestand entspricht, wenn eine Software den Bereich
eines Fahrzyklus erkennt und sich danach verhält. Verhalten wir uns
nicht alle im täglichen Leben unter bestimmten Voraussetzungen
anders? Fahren wir in einer 30-km/h-Zone, wenn wir keinen Polizisten
oder eine gefährliche Situation erkennen, wirklich 30?
Der rechtliche Rahmen sieht eine Reihe von Verantwortungsträgern vor,
die für die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zuständig sind. In
Europa durchlaufen alle Fahrzeuge einen strengen Prüfvorgang. Ist
also nicht auch der Prüfingenieur, der den Vorgang überwacht oder
auch die staatliche Verwaltung, die die Genehmigung erteilt,
mitverantwortlich?
Die Notwendigkeit der Erfüllung bestimmter Abgasklassen sieht
Zeitpunkte für deren Inkrafttreten vor. Was ist mit Fahrzeugen, die
auf dem Papier zum Zeitpunkt der Verkehrszulassung schon die noch
nicht geforderte nächsthöhere Abgasklasse erfüllen? Erfüllen diese
Kfz nicht trotz Manipulation im Sinne der strengeren Bestimmung die
augenblicklich geforderte Klasse dennoch? Wäre hier nicht nur eine
Rückstufung in den Zulassungsdaten nötig?
Fragenüber Fragen, die auch in den Versicherungsbereich und
Konsumentenschutz hineinreichen, aber nur unser eigenes Unvermögen
bei der sicheren Bewältigung der heutigen Möglichkeiten der Technik
aufzeigen.