In blindem Gehorsam schließt sich die europäische und vor allem die heimische Politik der allgemeinen Empörung an und vermittelt den Eindruck, dieSituation im Griff zu haben.

Bei nüchterner Betrachtung ist der "Skandal" nur der Ausdruck dessen, woran alle Verantwortungsträger Anteil haben. Niemand, wahrscheinlich nicht einmal der betroffene Konzern, weiß eigentlich, wo das tatsächliche Problem liegt. Zu diesem Zeitpunkt von Lösungen zu sprechen, erscheint eher grotesk. Die Abgasgesetzgebung in Europa (und natürlich ganz besonders in Österreich) wird von den Umweltministerien meist nach dem Motto "Darf"s etwas weniger sein?" gestaltet. Die Vorgaben sind stets so, dass sie zum Zeitpunkt ihrer Verabschiedung noch nicht dem Stand der Technik und schon gar nicht der Realität entsprechen. Gestatten Sie mir an dieser Stelle die böse Frage am Rande: Ist eigentlich irgendeines der Ziele, die unsere Umweltschützer bei internationalen Kongressen an einem meist schönen Ort nach langen, zähen Verhandlungen festgelegt haben, tatsächlich eingehalten worden?

In der Technik wirkt sich jedes Drehen an einer Schraube meist so aus, dass damit die Einstellung einer anderen Schraube auch nicht mehr stimmt. Die gegenseitige Beeinflussung von Verbrauchsreduktion und Stickoxydausstoß beim Dieselmotor ist lange bekannt und führt zu teilweise sehr aufwendigen Lösungen. Das Drehen an der Schraube ist im Zeitalter der Elektronik meist nur eine kleine Maßnahme an der Software. Die Kontrollmechanismen und Richtlinien zur Messung des Schadstoffausstoßes und Kraftstoffverbrauchsstammen aus dem vorigen Jahrhundert und berücksichtigen Software und die daraus entstehenden Möglichkeiten in keiner Weise.

Wenn heute mit dem Laptop und vor Ort Grundeigenschaften wie die Höchstleistung verändert werden können, brauchen wir uns nicht wundern, wenn davon Gebrauch gemacht wird. Was der Hersteller verabsäumt, wird vom Chiptuner erledigt. Von Manipulationssicherheit bei Software sind wir weit entfernt, wir erleben es tagtäglich am eigenen Computer und am Handy, wo ständig neue Updates zur Abwehr (vielleicht auch im Sinne) von Manipulationen laufen.

Abgesehen vom Wegsehen bei der Software sind die Richtlinien etwa bei den Fahrzyklen so gestaltet, dass diese nicht mehr der Realität entsprechen. Fast jedes Kleinauto ist heute für Geschwindigkeiten ausgelegt, die weit aus dem Bereich der Fahrzyklen hinausgehen. Wie heißt es doch im Volksmund? Da wird die Sau herausgelassen.

Stellt sich die juristische Frage, wie weit es einem strafrechtlich relevanten Tatbestand entspricht, wenn eine Software den Bereich eines Fahrzyklus erkennt und sich danach verhält. Verhalten wir uns nicht alle im täglichen Leben unter bestimmten Voraussetzungen anders? Fahren wir in einer 30-km/h-Zone, wenn wir keinen Polizisten oder eine gefährliche Situation erkennen, wirklich 30?

Der rechtliche Rahmen sieht eine Reihe von Verantwortungsträgern vor, die für die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zuständig sind. In Europa durchlaufen alle Fahrzeuge einen strengen Prüfvorgang. Ist also nicht auch der Prüfingenieur, der den Vorgang überwacht oder auch die staatliche Verwaltung, die die Genehmigung erteilt, mitverantwortlich?

Die Notwendigkeit der Erfüllung bestimmter Abgasklassen sieht Zeitpunkte für deren Inkrafttreten vor. Was ist mit Fahrzeugen, die auf dem Papier zum Zeitpunkt der Verkehrszulassung schon die noch nicht geforderte nächsthöhere Abgasklasse erfüllen? Erfüllen diese Kfz nicht trotz Manipulation im Sinne der strengeren Bestimmung die augenblicklich geforderte Klasse dennoch? Wäre hier nicht nur eine Rückstufung in den Zulassungsdaten nötig?

Fragenüber Fragen, die auch in den Versicherungsbereich und Konsumentenschutz hineinreichen, aber nur unser eigenes Unvermögen bei der sicheren Bewältigung der heutigen Möglichkeiten der Technik aufzeigen.