Hinweis: Unter dem Artikel finden Sie das Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz zum Download!
In Brüssel wurde vor einigen Jahren auf höchster EU-Ebene ein sogenannter "Small Business Act" (SBA) diskutiert. Dabei ging es auch darum, den europäischen Autohändlern als Klein-und Mittelbetriebe die Schutzbestimmungen der Kfz-GVO 1400/2002 zu erhalten. Das Projekt beschränkte sich letztlich auf die Empfehlung, die Mitgliedstaaten sollen selbst für den notwendigen Schutz auf nationaler Ebene sorgen. Die Kfz-GVO1400/2002 wurde ersatzlos eliminiert.
Ursprünglich wollte der damalige Gremialobmann Dr. Gustav Oberwallner mit seiner SBA-Initiative ein Auslaufen dieser GVO verhindern. Doch dort schlug ihm von Präsident José Manuel Barroso ein rauer Wind entgegen. Der teilte dem EU-Abgeordneten Dr. Othmar Karas (ÖVP) lediglich mit, dass "die Generaldirektion Wettbewerb zurzeit befasst ist, alle sinnvollen Optionen einer genauen Überprüfung zu unterziehen". Zu der von Karas ebenfalls angesprochenen unzureichenden Vergütung von Garantiearbeiten verwies er darauf, dass es Aufgabe der Mitgliedstaaten sei, diese Materie zu regeln.
Justizministerium stellte sich taub
Daraufhin trachtete Oberwallner, die vertraglichen Mindeststandards des Artikels 3 der Kfz-GVO als "zivilrechtliche" Bestimmungen demösterreichischen Autohandel per Gesetzesbeschluss zu erhalten. Ein Wunsch, der im Justizministerium auf taube Ohren stieß. Den Kämmerern wurde mitgeteilt, sie müssen sich vorerst mit der davon betroffenen Gegenseite -den Importeuren -arrangieren. Das Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz war schließlich der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich die heimischen Autohändler mit den Kfz-Importeuren als Ersatz für die auslaufende Kfz-GVO einigen konnten.
Die von Oberwallner im Dezember 2008 den Importeuren vorgelegte Liste war ambitioniert. Neben Bestimmungen der aktuellen GVO -Mehrmarkenvertrieb, Niederlassungsfreiheit oder Kündigungsschutz- standen auch das Verbot des Herstellerdirektverkaufes und der volle Kostenersatz samt Gewinnanteil für Garantiearbeiten am Wunschzettel.
Leicht ging es dort, wo bereits eine einschlägige OGH-Judikatur existierte. Etwa bei der Verpflichtung des Importeurs, trotz gegenteiliger Vertragsklauseln bei Vertragsende aus "nachvertraglicher Treuepflicht das gesamte Warenlager zurücknehmen zu müssen" (6Ob254/06v). Beim Gewährleistungsregress hatte der Europäische Gerichtshof aufgrund einer EU-Richtlinie das Recht des Händlers bestätigt, "Rückgriff innerhalb derselben Vertragskette zu nehmen" (C-65/09). Diese beiden Punkte sind auch prompt in das Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz eingeflossen. Diese rechtliche Verankerung sollte künftig beiden Seiten Rechtsstreitigkeiten ersparen helfen. Keine Probleme gab es auch beim Investitionsersatz -für den gab es bereits eine einschlägige Regelung im Unternehmergesetz.
Mit dem§ 4 des KraSchG landeten die Händlerschützer jenen Volltreffer, um den uns die Händler aus den Nachbarstaaten beneiden. Mit dem wird den Vertriebspartnern das -bereits seit 2002 im §3 der Kfz-GVO verankerte -Recht eingeräumt, seine vertraglichen Rechte auf einen anderen Markenkollegen zu übertragen. Ein Recht, das in den anderen EU-Ländern mit dem Ende der Kfz-GVO spurlos verschwindet. Dieses Hersteller-Entgegenkommen war möglicherweise darauf zurückzuführen, dass ohne den neuen §4 aufgrund des schon bisher gesetzlich verankerten Investitionsschutzes den Importeuren hohe Investitionsablösen ins Haus flattern könnten.
Ist das Gesetz nur die "halbe Miete"?
Händleranwalt Dr. Norbert Gugerbauer hat bereits anlässlich der KraSchG-Präsentation am Autorechtstag 2012 darauf hingewiesen, dass dieses neue Gesetz nur "die halbe Miete" bringt. Die Grenze für den verpflichtenden Einkauf der Händler kann von 20 auf 80 Prozent angehoben werden. Händlerverträge und Werkstättenverträge dürfen künftig voneinander abhängig gemacht werden. Das heißt, eine Koppelung Werkstätte/Handel kann vom Hersteller -wie vor 2002 -wieder vorgeschrieben werden. Jeder Mehrmarkenvertrieb kann dem Händler mit einer fünfjährigen Vertragsbefristung unterbunden werden. Das Recht auf eine sachliche Kündigungsbegründung gehört ab Juni 2012 der Vergangenheit an.
Diese Liste lässt sich noch lange fortsetzen. So gibt es keine Regelungen für befristete Verträge. Die bisherige Mindestfrist von 5 Jahren existiert künftig nicht mehr. Mit zweijährigen "Kettenverträgen" können die Händler an eine strenge Kandare genommen werden. Es gibt auch keine Pflicht, bis wann einem Händler mitgeteilt werden muss, ob er nach Ende des befristeten Vertrages einen neuen bekommt -oder nicht. Bei unbefristeten Verträgen gilt die im KraSchG verankerte zweijährige Kündigungsfrist nur, wenn dem Händler kein exklusives Vertragsgebiet zugewiesen wurde. Bei einer -künftig wieder häufigeren -Gebietsexklusivität können Hersteller die Kündigungsfristen frei wählen. Bei kürzerer Vertragsdauer werden Gerichten künftig vielleicht sechs Monate als angemessen erscheinen.
Keine zwingenden Vorschriften
Mit einem können sich die Kfz-Betriebe allerdings trösten. Alle bisherigen Bestimmungen der Kfz-GVO sind aus der Sicht des Obersten Gerichtshofes schon heute in der Praxis nicht durchsetzbar. So etwa die Verpflichtung, eine Kündigung "ausführlich, objektiv und transparent" zu begründen (4Ob119/09t). Derartige Verpflichtungen existieren nur auf dem Papier. Der OGH hat "in einer bereits als ständig zu bezeichnenden Rechtssprechung" 8Ob295/99m) ausgeführt, dass es sich bei den Vorschriften der Kfz-GVO um keine zwingenden Vorschriften handelt, welche "die Gültigkeit von Vertragsbestimmungen unmittelbar berühren oder die Vertragsparteien zur Anpassung des Vertragsinhalts verpflichten" (4Ob348/98z). Laut Gugerbauer hätten die Importeure ihre rechtlichen Möglichkeiten nicht voll genutzt. "Das lässt für die Zukunft hoffen."