Juristen, Autohändler, Unternehmer: Die derzeitige Regelung des
Vorsteuerabzugs für Siebensitzer hat viele Kritiker. Bringt eine
Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof die ersehnte Änderung?
Mir geht es um den Rechtsstaat", sagt Mag. Kurt Bereuter, wenn man
ihn nach der Ursache seiner Beharrlichkeit fragt. Seit sieben Jahren
kämpft der Unternehmensberater um die Vorsteuerabzugsberechtigung für
einen Opel Zafira, den er im Jahr 2000 erworben (und mittlerweile
wieder verkauft) hat. Der Lohn der Mühen wären maximal 5.000 Euro.
Doch Geld, betont Bereuter, sei für ihn nicht der entscheidende
Faktor.
Millionenschwere Entscheidung
Für die Kontrahenten des Vorarlbergers ist Geld dagegen sehr wohl
ausschlaggebend. Das Finanzministerium wehrt sich verbissen gegen
einen erweiterten Vorsteuerabzug. Aus gutem Grund: Als nach einer
Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Jahr 2002 der Fiat
Ulysse und einige ähnliche Autos vorsteuerabzugsberechtigt wurden,
gingen laut Schätzungen bis zu 600 Millionen Euro an Steuereinnahmen
verloren.
Beraten wurde der Besitzer des Fiat Ulysse vom Wirtschaftsprüfer Mag.
Günter Bröll. Gemeinsam mit Rechtsanwalt Dr. Markus Fink vertritt er
auch Bereuter in einem Rechtsstreit, der kein Ende nimmt. Dass für
den Zafira Vorsteuerabzug geltend gemacht wurde, wollten sowohl das
Finanzamt als auch der unabhängige Finanzsenat unter Verweis auf zu
geringe Fahrzeugabmessungen nicht akzeptieren. Als der
Verwaltungsgerichtshof dieses Kriterium für unzulässig erklärte,
stellte die Finanz auf die Kastenwagenförmigkeit ab, bevor der VwGH
ein weiteres Kriterium erfand: Die sieben Fahrzeugsitze müssten
"dafür geeignet sein, Erwachsene über einen längerenZeitraum und
damit über eine längere Distanz zu befördern". Außerdem müsse ein
Mindestmaß an Gepäck zu transportieren sein.
Gegen europäisches Recht?
Dass im Nachhinein die Spielregeln geändert wurden, stößt auch
unbeteiligten Juristen sauer auf. "Es ist zweifelhaft, ob die bisher
zum Vorsteuerabzug zugelassenen Fahrzeuge diese neuen Kriterien
überhaupt erfüllen", meint der Linzer Universitätsprofessor Dr.
Michael Tumpel. "Wenn dies tatsächlich nicht der Fall ist,
widerspricht ihre Einführung jedenfalls dem europäischen
Gemeinschaftsrecht."
Mit seiner Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof bläst Bereuter ins
selbe Horn. Doch allzu viele Möglichkeiten bleiben ihm nicht mehr:
Entscheidet der VfGH abschlägig, ist der Kampf zu Ende. Das
Finanzministerium ist sich seiner Sache jedenfalls sicher. "Unsere
Position entspricht dem Stand der höchstgerichtlichen Judikatur",
erklärt Mag. Harald Waiglein, Sprecher der Finanzverwaltung.
Vor Gericht und auf hoher See
Auch die Beschwerdeführer demonstrieren Zuversicht: "Beim Fiat
Ulysses gab es schließlich auch eine Entscheidung in unserem Sinn",
sagt Bröll. Er lädt andere Parteien ein, sich gegen eine
Unkostenbeteiligung der Beschwerde anzuschließen. Eine positive
Entscheidung würde nur für jene Fahrzeugtypen gelten, die inder
Beschwerde angeführt werden. Betroffene gibt es jedenfalls genug: Von
23.000 betrieblich genutzten Minivans, schätzt Bröll, seien derzeit
erst 10.000 zum Vorsteuerabzug zugelassen.
Bereuter verweist unterdessen auf eine andere Dimension der
Auseinandersetzung: Mit der Begründung, dass "der budgetären
Zielsetzung nicht mehr entsprochen" werden würde, hat das
Finanzministerium bisher jede Liberalisierung abgelehnt. "Es kann
doch nicht sein, dass Gesetze aufgrund der Budgetnot willkürlich
ausgelegt werden", so Bereuter. Wer hat im Rechtsstaat Vorrang, der
Staat oderdas Recht? Wie die Antwort im konkreten Fall lauten wird,
ist noch nicht seriös abzuschätzen. Vor Gericht und auf hoher See,
sagt das Sprichwort, befindet man sich jedenfalls in Gottes Hand.