In den vergangenen Monaten hat sich gezeigt, dass im boomenden
Elektroauto-Markt in China internationale Hersteller den Anschluss an
die heimischen Produzenten verloren haben. Dies gelang vor allen danküppiger staatlicher Förderungen.
Erstmals fand auf der diesjährigen Autoshow in Guangzhou in zwei
Hallen eine Sondershow über NEVs (New Energy Vehicles) statt, wo
gängige Batterie- und Plug-in-Hybride vorgestellt wurden. Neben
Tesla, Nissan, VW und BMW stellten mehr als zehn chinesische
Hersteller aktuelle Serienmodelle und Neufahrzeuge vor. Die
interessanteste NEV-Premiere war der GAC Trumpchi GS4 EV von
Guangzhou Auto. Der GS4 EV ist ein lupenreiner Elektriker, der auf
dem Erfolgsmodell Trumpchi GS4 SUV basiert und Mitte 2016 auf den
Markt kommen wird.
Mit 140 PS und 250 Nm Drehmoment wird das Elektrik-SUV bis zu 120
km/h schnell gleiten und eine Entfernung von 240 kmüberwinden. Für
eine volle Neuladung der Batterie benötigt der GS4 EV 12 Stunden an
der 220-V-Steckdose, nur 30 Minuten für 80 Prozent über die
Schnellladeoption.
Mehr als 18 Millionen Pkws und Minibusse
Auch das neue Kompakt-SUV von JAC, der iEV6S, hatte seine
Presse-Premiere in Guangzhou. Das City-SUV basiert auf dem JAC Refine
S2. Mit seinem 114-PS/250-Nm-Elektroantrieb soll er 130 km/h schnell
sein. Als Reichweite gibt JAC 253 km an, bei konstant 60 km/h sollen
es sogar 300 km sein.
Der chinesische Automarkt YTD wuchs von Jänner bis Ende November 2015
um vergleichsweise bescheidenen 4,2 Prozent, dennoch wurden mehr als
18 Millionen Pkws und Minibusse verkauft. Regelrecht "explodiert" ist
seit Jahresmitte allerdings die Nachfrage nach staatlich geförderten
NEV-Pkws. Allein im November 2015 wurden 23.280 NEVs produziert, ein
Plus von 350 Prozent gegenüber Vorjahresvergleichsmonat. Darunter
befanden sich mit 14.212 produzierten BEVs (Battery Electric Vehicle)
fünf Mal so viele Elektroautos wie im November 2014.
Üppige Förderungen beflügeln den Markt
Circa 30 Prozent aller verkauften NEVs im November waren
Plug-in-Hybride (6.984 Stück), eine deutliche Zunahme dank neuer,
attraktiver SUV-Modelle wie dem BYD Power-SUV Tang. Im gleichen Monat
fanden 16.296 BEVs chinesische Käufer, zumeist LS-EV (low speed
electric mini/city cars), allen voran der Geely Kandi K11 gefolgt von
den Kleinwagen von BAIC (EV150/160/200 sowie dem Kompakt-Sedan Senova
EV ES210).
In den ersten 11 Monaten wurden insgesamt 134.460 NEVs in China
verkauft, das ist ein Anstieg von fast 500 Prozent gegenüber dem
Vergleichszeitraum 2014. Dass der junge NEV-Markt seit Jahresanfang
abhebt, zeigt der NEV-Fahrzeugbestand in der Volksrepublik China, der
laut CAAM seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2013 erst 220.000
Stück umfasst.
Das im Jahr 2012 von der Pekinger Regierung postulierte Ziel von
einer Million NEVs bis Ende 2015 wurde allerdings verfehlt: Deswegen
und aufgrund des schwachen Automarkts im 2. und 3. Quartal 2015 hat
Peking die lokalen Behörden angewiesen, dass ab sofort alle
NEV-Käufer garantiert die Green Mobility-Förderungen (staatliche und
regionale Zuschüsse sowie eine kostenlose Nummerntafel) erhalten
müssen. Im Ranking der lokal produzierten PHEVs (Plug-in Hybrid
Electric Vehicle) findet man weit abgeschlagen als einzigedeutsche
Marke den BMW 530 Le Plug-in-Hybrid mit einem Marktanteil von 0,6
Prozent. Fünf chinesische Hersteller beherrschen 80 Prozent dieses
Bereichs -allen voran BYD mit 38 Prozent Marktanteil. Alle
ausländische NEV-Hersteller bzw. NEV JV-OEM erreichten im November
2015 einen Marktanteil von 6,5Prozent, inklusive aller importierten
bzw. lokal hergestellten Elektroautos. Der Marktanteil der rein in
China produzierten Autos dieses Typs liegt sogar noch niedriger:
magere 3,5 Prozent.
Das NEV-Top-Volumenmodell kommt von BYD in Shenzhen und ist die
kompakte Plug-in-Hybrid-Limousine Qin. In den ersten elf Monaten 2015
wurden danküppiger staatlicher Prämie (umgerechnet 8.720 Euro)
insgesamt 31.412 Fahrzeuge zum Einstiegspreis von 18.185 Euro
verkauft. Zusätzlich erspart sich der Käufer die kostenpflichtige
Anschaffung des Nummernschildes, das aktuell 11.800 Euro kostet. Bei
einem Preis von 38.740 Euro liegt die staatliche Förderung des BYD
Qin Kompakt-Sedan (20.530 Euro) bei mehr als 50 Prozent.
Seit Juni 2015 verkauft BYD auch das weltweit stärkste SUV der Marke
Tang, ein AWD-Plug-inHybrid mit 505 System-PS und 720 Nm, gespeist
aus einem Zwei-Liter-Turbomotor mit 205 PS (320 Nm) und zwei
Elektromotoren (je 150 PS und 200 Nm) auf der Vorder- und Hinterachse
(elektronisches AWD). Mit 505 PS und 720 Nm beschleunigt das
Muscle-SUV Tang aufallen vier Rädern aus dem Stand angeblich in 4,9
Sekunden auf 100 km/h und soll weniger als 2 Liter verbrauchen.
Die Ultimate Edition mit 560 System-PS (411 kW) hat sogar etwas mehr
Kraft als der BMW X5M (408 kW) und der Mercedes GL63 (410 kW) und
schafft die 100 km/h in 4,4 Sekunden. Zum Vergleich: Der Porsche
Cayenne Turbo mit seinem schweren 4,8L-V8- Aggregat durchbricht mit
520 PS und 750 Nm die 100km/h-Schallmauer nach 4,5 Sekunden.
Abzüglich der staatlichen Förderung und Gratis-Nummernschild kostet
das Power-SUV ca. 40.200 Euro.
Gute Beschleunigungswerte
Weitere Plug-in-Hybrid-Modelle von BYD stehen vor dem Launch, etwa
das kompakte SUV-Crossover Song, dasüber einen AWD-Antrieb (PHEV
Dual-Mode) mit drei Aggregaten (1,5-Liter-Turbo plus zwei
Elektromotoren) verfügt. Die elektrische Reichweite wird mit 70 km/h
angegeben, 0-100 km/h erreicht das Auto angeblich in 4,95 Sekunden.
Gegen Ende 2016 wird BYD auch das Mini-SUV Yuan auf den Markt
bringen. Als Dual-Mode PHEV (rein elektrischer und Hybrid-Modus) wird
dieses kleine SUV auch den gleichen Antriebstrang und elektrische
Reichweite wie der Song aufweisen und ca. 28.500 Euro brutto kosten.
Abzüglich der staatlichen Förderung ist mit einem Endkundenpreis von
unter 20.000 Euro zu rechnen.
Kein Export nach Europa geplant
BYD verkaufte bis Ende November mit 9.750 Stück vom SUV Tang und
32.412 Einheiten der Limousine Qin insgesamt 42.162 Plug-in-Hybride.
Der Langzeit-Elektriker e6 fand nur noch 53 Käufer, sein Nachfolger
e5 schaffte im November bescheidene 210 Zulassungen. Dieses kompakte
Elektroauto kann mit seiner 65-Ah-LFP-Lithium-Batterie und einem
105-PS-Elektromotor eine Strecke von ca. 200 km zurücklegen. Unter
Einrechnung der staatlichen Prämie kostet der e5 EV circa 20.000
Euro.
Das Beratungsunternehmen abc Shanghai prognostiziert für 2016 eine
Verdopplung des NEV-Marktes auf etwa 300.000 Stück. Bis auf die
chinesische Variante des Nissan Leaf und das BMW-Plug-in-Modell 530Le
(beide fanden bis dato weniger als 1.000 Käufer) waren alle anderen
Elektro-und Hybridautos auf der Messe in Guangzhou Importfahrzeuge.
Doch angesichts der Marktdominanz der chinesischen Hersteller in
allen Segmenten (BEV&PHEV: Limousine, SUV, Micro-Car) ist die Angst
ausländischer Produzenten vor dem ungewollten Technologietransfer
inzwischen mehr als überholt. Ganz im Gegenteil, die chinesischen
Marken sind mit ihrer Strategie dank üppiger staatlicher Förderungen
die Sieger im NEV-Markt.
Übrigens: Ein Export der chinesischen Elektrofahrzeuge nach Europa
ist derzeit nicht geplant.