Einmal jährlich zieht Werner Bauer durch die Lande, um gebundenen Schadensbegutachtern und mehr oder minder freien Kfz-Sachverständigen die neuesten Versicherungsrichtlinien zu erläutern. Das im November in Wien zusammengekommene Fachpublikum war jedoch höchst erstaunt, als Bauer in seinem Anschauungsunterricht Fotos von einem schwer demolierten Audi an die Wand projizierte und den Teilnehmern ohne Bekanntgabe der Zustandsund Schadensdaten sowie ohne Angabe einer Laufleistung (!) schmunzelnd die Frage stellte, ob sie nicht auch seiner Meinung seien, dass man so ein schönes Auto doch nicht der Schrottpresse widmen könne. Mit dem Export dieses Wagen könne man die Umwelt nachhaltiger als mit seiner Verschrottung schützen.

Sachverständige in der Haftung

Die Verwunderung wurde noch größer, als sich nach der Veranstaltung herausstellte, dass es sich bei dem demonstrierten Totalschaden um ein Wrack mit einem sehr hohen Kilometerstand handelte, dessen Reparaturkosten in der Werkstätte mehr als 250 Prozent (!)des Zeitwertes betrugen. Es liegt nahe, dass auch die für die Abfalleigenschaft ausschlaggebende Wiederherstellung der Verkehrstauglichkeit weit über dem Zeitwert lag. Doch gefährlicher Abfall darf, wie es der im April 2015 in Kraft getretene Erlass zur Altfahrzeugeverordnung eindeutig festschreibt, nicht mehr exportiert werden.

"Ich finde es erschreckend, dass Bauer bei seinem Vortrag offensichtlich den Versuch unternommen hat, die geltenden Vorschriften zur Ermittlung der Abfallgrenze zu ignorieren und Kollegen dazu animierte, dabei mitzumachen", sagt der gerichtlich beeidete Sachverständige Dipl.-Ing. Christian Eissner, einer der Teilnehmer der Veranstaltung. Er verweist auf die für Sachverständigen damit verbundenen Haftungsfolgen.

Befremdlicher Alleingang

Möglicherweise hatte Bauer in der Hitze des Gefechts gegen die von ihm ungeliebte Kfz-Abfallregelung vergessen, dass der Versicherungsverband in die Ausarbeitung des Altfahrzeuge-Erlasses gemeinsam mit Vertretern der Automobilwirtschaft und des Umweltministeriums involviert war und auch der Regelungzur Festlegung der Abfallgrenze zugestimmt hat. Bei einer regelgerechten Schulung hätte Bauer seine Zuhörer darauf aufmerksam machen müssen, dass beim zivilen Sachverhalt "Totalschaden" vielfach auch der objektive Abfallbegriff erfüllt sein wird. Die Fahrzeugeigentümer, die Schadensreferentenund die Werkstätten haben somit auch die Vorschriften des Abfallwirtschaftsgesetzes einzuhalten.

Auch private Wrackbesitzer sind dann Abfallbesitzer und dürfen ihr Fahrzeug nur einer zur Altstoffsammlung berechtigten Firma überlassen. Damit hat der Kfz-Sachverständige auch den Wert des Wracks zu hinterfragen. Der kann sich nämlich nur aus Angeboten berechtigter Abfallsammler ergeben - oder jener Werkstätten, die ebenfalls dazu befugt sind. Wenndie normierten stofflichen Verwertungsquoten im Kfz-Sektor weiterhin nicht erreicht werden, ist durchaus mit schärferen Kontrollen auch im Bereich der Versicherungen beziehungsweise Wrackbörsen zu rechnen- vor allem, wenn der Chefsachverständige seine Kollegen in den Schadensabteilungen zum "zivilen Ungehorsam" aufruft. Verschärfungen bei der Festlegung der Abfallgrenze sind in diesem Fall ebenfalls nicht unwahrscheinlich. Dann könnte Bauer (der übrigens 2016 das Frühpensionsalter erreicht) selbst zum Entsorgungsfall werden.