Ende März fand in Köln die halbjährliche Arbeitssitzung der "European Distribution Lawyers" (EDL), einer Vereinigung europäischer Kfz-Branchenanwälte, statt. Bestimmendes Thema der Konferenz war das von der Europäischen Kommission Ende Jänner veröffentlichte "Grünbuch" über unlautere Handelspraktiken zwischen Unternehmen. Dieses Dokument entstand auf Basis der EU-Umfrage über "unfaire Vertriebspraktiken" im Sommer 2011. Damals hatten 9 von 10 teilnehmenden Autohändlern angegeben, nicht ausreichend gegen Übergriffe ihrer Hersteller geschützt zu sein. 8 von 10 Betrieben hatten von konkreten Benachteiligungen in den vorangegangenen beiden Jahren berichtet. In anderen Worten: Laut der Umfrage ist die Unzufriedenheit mit Herstellern und Großhändlern in keiner anderen Branche so massiv wie im Kfz-Einzelhandel.

7 schwere Sünden

Dennoch sei es nicht einfach gewesen, das neue EU-Grünbuch auf die Autobranche auszudehnen, heißt es bei der europäischen Kfz-Gewerbevereinigung CECRA. Der Verdacht, dass dies auf Lobbying von Herstellerseite zurückzuführen ist, liegt nahe. Wie dem auch sei: Auf Basis der bereits durchgeführten Untersuchungen wurden von der EU-Kommission 7 Arten unlauterer Praktiken identifiziert -und zwar mehrdeutige Vertragsbestimmungen, das Fehlen eines schriftlichen Vertrages, rückwirkende Vertragsänderungen, die unbillige Übertragung kommerziellen Risikos, die missbräuchliche Nutzung von Informationen, die unbillige Beendigung einer Geschäftsbeziehung sowie regionale Angebotsbeschränkungen.

"Ausgangssituation und Nährboden" für diese unlauteren Handelspraktiken sei regelmäßig ein Ungleichgewicht der Vertragsparteien, das sich schon während vorvertraglicher Verhandlungen niederschlage und dann in den ausgehandelten Vertragsbedingungen wiederfinde, weiß Fachjurist Brenner: "Gerade in der Kfz-Branche führen vom Generalimporteur vorgegebene und in ihrem Inhalt de facto nicht weiter verhandelbare Händler-und Serviceverträge immer wieder zu Auseinandersetzungen." Umso wichtiger sei es, die Chance des "Grünbuchs" zu nützen: "Die Kommission gibt den Kfz-Vertragshändlern und Servicepartnern damit einwirksames Instrument in die Hand, um unlautere Handelspraktiken aufzuzeigen und ihnen einen Riegel vorzuschieben."

Rasche Antwort nötig

In den kommenden Wochen nimmt die EU-Kommission per E-Mail konkrete Beschwerden von Betrieben entgegen. Nicht nur Brenner, auch die Standesvertretungen in der Wirtschaftskammer und der Markenhändlerverband VÖK rufen zur regen Teilnahme auf. Schließlich hat Österreich in Sachen EU-Umfragen einen Ruf zu verteidigen: Bei der Erhebung im Jahr 2011 kam über ein Drittel aller Antworten von heimischen Betrieben.

Doch Eile ist geboten: Da bereits im Sommer 2013 die nächsten Schritte präsentiert werden sollen, wurde die Frist für einlangende Stellungnahmen mit 30. April sehr knapp gesetzt. Wer eine Änderung des offensichtlich nicht zufriedenstellenden Status quo erreichen möchte, muss also jetzt handeln!

Kleiner Aufwand, große Wirkung

Jeder Vertragshändler und Servicepartner, der persönliche Erfahrungen mit unlauteren Handelspraktiken hat, sollte sich zumindest 5 Minuten Zeit nehmen und der EU-Kommission in wenigen Worten eine persönliche Stellungnahme übermitteln. Damit kann jeder einzelne Händler einen wichtigen Beitrag leisten, um in Zukunft unlauteren Handelspraktiken einen Riegel vorzuschieben.

Folgende E-Mail-Adresse steht dafür zur Verfügung: markt-retail@ec.europa.eu Das komplette Grünbuch können Interessierte als PDF-Download auf der Homepage der Kanzlei von Dr. Martin Brenner beziehen: www.brenner-klemm.at