Branchenanwalt Dr. Martin Brenner appelliert an Vertragshändler und
Servicepartner, sich gegen Benachteiligungen durch Hersteller und
Importeure zu wehren. Die Europäische Kommission hilft dabei: Sie
bittet derzeit per E-Mail um konkrete Beispiele für unfaire
Handelspraktiken.
Ende März fand in Köln die halbjährliche Arbeitssitzung der "European
Distribution Lawyers" (EDL), einer Vereinigung europäischer
Kfz-Branchenanwälte, statt. Bestimmendes Thema der Konferenz war das
von der Europäischen Kommission Ende Jänner veröffentlichte
"Grünbuch" über unlautere Handelspraktiken zwischen Unternehmen.
Dieses Dokument entstand auf Basis der EU-Umfrage über "unfaire
Vertriebspraktiken" im Sommer 2011. Damals hatten 9 von 10
teilnehmenden Autohändlern angegeben, nicht ausreichend gegen
Übergriffe ihrer Hersteller geschützt zu sein. 8 von 10 Betrieben
hatten von konkreten Benachteiligungen in den vorangegangenen beiden
Jahren berichtet. In anderen Worten: Laut der Umfrage ist die
Unzufriedenheit mit Herstellern und Großhändlern in keiner anderen
Branche so massiv wie im Kfz-Einzelhandel.
7 schwere Sünden
Dennoch sei es nicht einfach gewesen, das neue EU-Grünbuch auf die
Autobranche auszudehnen, heißt es bei der europäischen
Kfz-Gewerbevereinigung CECRA. Der Verdacht, dass dies auf Lobbying
von Herstellerseite zurückzuführen ist, liegt nahe. Wie dem auch sei:
Auf Basis der bereits durchgeführten Untersuchungen wurden von der
EU-Kommission 7 Arten unlauterer Praktiken identifiziert -und zwar
mehrdeutige Vertragsbestimmungen, das Fehlen eines schriftlichen
Vertrages, rückwirkende Vertragsänderungen, die unbillige Übertragung
kommerziellen Risikos, die missbräuchliche Nutzung von Informationen,
die unbillige Beendigung einer Geschäftsbeziehung sowie regionale
Angebotsbeschränkungen.
"Ausgangssituation und Nährboden" für diese unlauteren
Handelspraktiken sei regelmäßig ein Ungleichgewicht der
Vertragsparteien, das sich schon während vorvertraglicher
Verhandlungen niederschlage und dann in den ausgehandelten
Vertragsbedingungen wiederfinde, weiß Fachjurist Brenner: "Gerade in
der Kfz-Branche führen vom Generalimporteur vorgegebene und in ihrem
Inhalt de facto nicht weiter verhandelbare Händler-und
Serviceverträge immer wieder zu Auseinandersetzungen." Umso wichtiger
sei es, die Chance des "Grünbuchs" zu nützen: "Die Kommission gibt
den Kfz-Vertragshändlern und Servicepartnern damit einwirksames
Instrument in die Hand, um unlautere Handelspraktiken aufzuzeigen und
ihnen einen Riegel vorzuschieben."
Rasche Antwort nötig
In den kommenden Wochen nimmt die EU-Kommission per E-Mail konkrete
Beschwerden von Betrieben entgegen. Nicht nur Brenner, auch die
Standesvertretungen in der Wirtschaftskammer und der
Markenhändlerverband VÖK rufen zur regen Teilnahme auf. Schließlich
hat Österreich in Sachen EU-Umfragen einen Ruf zu verteidigen: Bei
der Erhebung im Jahr 2011 kam über ein Drittel aller Antworten von
heimischen Betrieben.
Doch Eile ist geboten: Da bereits im Sommer 2013 die nächsten
Schritte präsentiert werden sollen, wurde die Frist für einlangende
Stellungnahmen mit 30. April sehr knapp gesetzt. Wer eine Änderung
des offensichtlich nicht zufriedenstellenden Status quo erreichen
möchte, muss also jetzt handeln!
Kleiner Aufwand, große Wirkung
Jeder Vertragshändler und Servicepartner, der persönliche Erfahrungen
mit unlauteren Handelspraktiken hat, sollte sich zumindest 5 Minuten
Zeit nehmen und der EU-Kommission in wenigen Worten eine persönliche
Stellungnahme übermitteln. Damit kann jeder einzelne Händler einen
wichtigen Beitrag leisten, um in Zukunft unlauteren Handelspraktiken
einen Riegel vorzuschieben.
Folgende E-Mail-Adresse steht dafür zur Verfügung:
markt-retail@ec.europa.eu Das komplette Grünbuch können Interessierte
als PDF-Download auf der Homepage der Kanzlei von Dr. Martin Brenner
beziehen: www.brenner-klemm.at