Mit zunehmender Digitalisierung wurden alle Kfz zu rollenden Computern. Die vom Fahrzeug generierten Daten werden in immer umfangreicheren Datenbanken gespeichert. Dafür gibt es seit 2001 -europaweit ein verpflichtendes On Board Diagnose System (OBD): Die OBD-Schnittstellen ermöglichen den Fahrzeugeigentümern sowie allen Werkstätten, Serviceorganisationen und sonstigen Kfz--Dienstleistern einen gesetzlich normierten Zugriff.
Neben der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestüberwachung aller abgasrelevanten Systeme und Bauteile bestimmen jedoch die Hersteller, welche zusätzlichen Daten erfasst und gespeichert werden – und wer darauf zugreifen darf – um so zum alleinigen Herrscher des -Service- und Reparaturgeschäftes zu werden.
Dem hat der EuGH im Oktober 2023 mit dem Urteil C-296/22 einen Riegel vorgeschoben. Die seit 1.9.2020 wirksame EU-Verordnung 858/2018 verpflichtet die Hersteller, bereits bei Typengenehmigung eines Fahrzeuges sämtliche Reparatur- und Wartungsinformationen den Zulassungsstellen detailliert vorzulegen.
Der EuGH hat klargestellt, was alles unter diese OBD-Pflicht des Herstellers fällt:
• Sämtliche Informationen, die vom Hersteller für Diagnose, Instandhaltung und Inspektion eines Fahrzeuges verwendet werden,
• die der Vorbereitung auf Straßenverkehrssicherheitsprüfungen, Reparatur, Neuprogrammierung oder Neuinitialisierung des Fahrzeugs sowie für Ferndiagnoseleistungen dienen
• einschließlich aller Ergänzungen und Aktualisierungen dieser Informationen, die der Hersteller für Reparatur- und Wartungszwecke verwendet,
• alle vom OBD im Fahrzeug aufgezeichneten sowie von dessen Motor generierten Daten, die in der Lage sind, Fehlfunktionen festzustellen und bei Auftreten gegebenenfalls durch ein Warnsystem anzuzeigen,
• deren wahrscheinlicher Fehler-Bereich mithilfe rechnergespeicherter Informationen ermittelt und nach außen vermittelt wird.
Fiat (FCA Italy SpA) hat den Zugang zu diesen Daten davon abhängig gemacht, dass sich deren Nutzer vorerst auf einem von FCA bestimmten Server anmelden müssen. In Form eines kostenpflichtigen Abonnements können diese Kunden dann die Nutzung eines generischen Diagnosegerätes erwerben, deren User über das Internet mit dem Server verbunden werden.
Der EuGH hat nunmehr geurteilt, dass FCA verpflichtet sei, über die OBD-Schnittstelle einen vollständigen Zugriff zum direkten Fahrzeugdatenstrom zu gewährleisten, ohne die Verwendung und den Einsatz der Diagnosegeräte von der Erfüllung einseitig auferlegter Voraussetzungen abhängig zu machen. Dieser freie Zugang dürfe nicht unter dem Vorwand der Implementierung erforderlicher Cyber-Sicherheitsmaßnahmen blockiert werden. Dieser Zugang muss mithilfe eines universellen, generischen Diagnosegerätes möglich sein, ohne dass dafür eine in der Verordnung nicht vorgesehene vorherige persönliche Registrierung sowie eine Internetverbindung zu einem vom Hersteller bestimmten Server erforderlich wären.
Durch die europarechtlich bindende Auslegung der Erwägungsgründe zur VO 858/2018 hat der EuGH klar gemacht, dass nur so das Ziel eines wirksamen Wettbewerbs auf dem Markt für Fahrzeugreparatur- und Fahrzeugwartungsinformationsdienste erreicht wird. Ein Lichtblick für jene, die all die zusätzlichen technischen Möglichkeiten der Kfz-Telematik in Zukunft für ihren Geschäftszweck frei und ohne Herstellergängelung nutzen möchten.
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