Wer als Reifenhersteller etwas auf sich hält, versucht Rad und Reifen
neu zu erfinden. Auf "The Tire Cologne" wurden wieder diverse
Kreationen präsentiert. Sicher ist nur eines: Der Reifen bleibt rund.
Der schon auf dem Genfer Autosalon präsentierte neue Konzeptreifen
von Goodyear gefiel der Kölner Expertenjury so gut, dass sie die
Kreation "Oxygene" mit dem Kreativpreis in der Kategorie "Industrie -
Best Green Konzept" ausstatteten. Immerhin kann dieses
nicht-pneumatische Exemplar nicht nur -durch Photosynthese -CO2 in
Sauerstoffzurückverwandeln, sondern auch den Strom gewinnen, den die
eingebauten Sensoren verbrauchen. Mit diesem aus Altreifen
hergestellten Wunderwerk will Goodyear als immerhin drittgrößter
Reifenproduzent der Welt gleich auf mehrere aktuelle Mobilitätsfragen
eine Antwort geben und die Themen Umwelt und Mobilität versöhnen. Mit
der Wirklichkeit hat das allerdings noch wenig zu tun. Muss es auch
gar nicht, denn das Exponat soll nur zeigen, was technisch machbar
ist. Ein solcher Reifen wird wahrscheinlich nie gebaut. Einzelne
Eigenschaften könnten allerdings Realität werden.
Der Reifen als Feinstaubsauger
Ähnliches hat der koreanische Reifenhersteller Nexen im Sinn. Ganz
neu ist auch dieses Exponat nicht, das sich seit vergangenem Jahr mit
zwei Designpreisen schmücken kann. Zur Reduktion der Umweltbelastung
nutzt der Reifen die Drehbewegung, um die Umgebungsluft wie bei einem
Staubsauger durch einFilter zu ziehen und gereinigt wieder
abzugeben. Der "Breathre" genannte Konzeptreifen soll "Basis für
weitere nachhaltige Entwicklungen sein", erklärt Nexen Marketing-und
Sales-Chef John Bosco Kim. Hier erklingt noch viel Zukunftsmusik.
Chip im Reifen wird Realität
Etwas anders der Auftritt von Michelin. Der französische Konzern
spricht mehr von "Long Lasting Performance" und bringt eine ganz
praktische Neuheit namens "Track Connect", die sofort anwendbar ist
-zum Nutzen allerdings nur für sportliche Fahrer, die ihre
Rundenzeiten auf der Rennstrecke verbessern wollen. Den Reifen dazu
gibt es bereits, der Pilot Sport Cup 2, nun erhältlich in der
Variante "Connect". Der Unterschied liegt in den innen angebrachten
Reifendrucksensoren, die das Handy des Piloten mit Echtzeitdaten zu
den Reifen versorgen können. Letztendlich kann der Fahrer damit
seinen Luftdruck so optimieren, um seine Performance zu steigern.
Reifenentwicklung vollzieht sich in kleinen Schritten, nicht in
großen Sprüngen. Immerhin überzeugte auch dieses Exponat die
Messe-Jury so sehr, um auch hier den Kreativpreis in der Kategorie
als "Industrie - Innovation des Jahres" zu vergeben. Der Chip im
Reifen war vor einigen Jahren noch Zukunftsmusik, ist mittlerweile
zwar nicht überall im Einsatz, wird aber zunehmend Realität. Daten
wie Reifendruck, Temperatur, Laufleistung, Straßenzustand sowie
fahrdynamische Werte für Grip oder Schlupf schaffen neue
Möglichkeiten der Optimierung, etwa im Verbrauch und damit in der
Reduktion der CO2-Emission.
Sensorenüberwachen den Reifenzustand
Reifenhersteller Continental denkt in diese Richtung mit seinen
aktuellen Technologie-Konzepten. Der Sensor im Reifen mit
umfangreichen Funktionen spielt die Hauptrolle zurÜberwachung des
Reifenzustandes im Konzept "ContiSense". Profiltiefe und Temperatur
werden permanent gemessen und beim Erreichen definierter Grenzwerte
direkt an den Fahrer übermittelt. Durchdringt ein Fremdkörper wie
eine Schraube das Profil, so löst ein sich schließender Stromkreis
direkt eine Warnmeldung aus und ist damit schneller als jene Systeme,
die erst warnen, wenn der Reifendruck bereits abfällt. Grundlage bei
Conti sind hier leitfähige Gummimischungen, die den Austausch
elektrischer Signale ermöglichen. Conti-Sense kann so auch
Fahrbahnzustände wie trocken, nass oder verschneit an den Fahrer
beziehungsweise dessen Handy weitergeben.
Variable Reifenaufstandsfläche
Das Konzept "ContiAdapt" variiert die Reifenaufstandsfläche je nach
den Erfordernissen der Straßenbedingungen oder den Ansprüchen am
Reifenkomfort. Allerdings ist hier ein erheblicher technischer
Aufwand erforderlich. Im Rad arbeiten Mikro-Kompressoren zur Änderung
des Luftdruckes in Kombination mit einer in der Breite einstellbaren
Felge. DenkbareVariationen: kleine Aufstandsfläche mit hohem
Luftdruck für geringen Rollwiderstand bis hin zu einer großen
Aufstandsfläche mit wenig Fülldruck, um auf verschneitem Untergrund
ohne durchdrehende Räder am Berg anzufahren.
Felgen: c Wert optimiert
Aber auch Räder können technisch noch verbessert werden: Für das
Konzept Aero Inserts erhielt der Räderhersteller Borbet von der
Kölner Messe den Kreativpreis in der Kategorie "Industrie -Best
Future Concept". Was die Jury faszinierte: Durch Einlagen in die
Felgen aus leichtem Material kann der Luftwiderstand deutlich
verbessert werden. Die Aero Inserts verringerten den c
-Wert um rund 17 Prozent. Das erhöht wiederum die
Kraftstoffeffizienz. Aber auch Elektroautos können davon mit höherer
Reichweite profitieren.
Die Aero Inserts werden bald auf der Straße rollen. Diese Technik
findet anscheinend leicht in den Markt. Andere Technologien werden
länger brauchen oder visionäre Konzepte bleiben.