Dem BMVIT sollte man wegen der sehr schleppenden oder zumindest nicht
vollständigen Umsetzung von wichtigen Kfz-technischen Bestimmungen
der EU Druck machen. Ab 1.
November müssen Pkws mit
Reifendruckkontrollsystemen ausgestattet sein, neue Pkws dürfen sonst
gar nicht mehr zugelassen und in den Verkehr gebracht werden,
Übereinstimmungserklärungen verlieren ihre Gültigkeit.
Weder im KFG noch in der KDV fanden sich bis dato Hinweiseüber die
entsprechenden Bestimmungen hinsichtlich der Bereifung, die auf einer
ECE-Regelung R 64 zu Notlaufrädern beruhen und die für alle Reifen
erweitert und verbindlich erklärt wurden. Nur in der Anlage 3e der
KDV zu den für die Genehmigung relevanten EU-Bestimmungen ist ein
allgemeiner Hinweis auf die umfangreichen Sicherheitsbestimmungen der
Verordnung 661/2009 zu finden. Prinzipiell wären EU-Verordnungen im
Gegensatz zu EU-Richtlinien auch im nationalen Rechtssystem wirksam.
Es würde jedoch der grundsätzlichen Bedeutung des KFG widersprechen,
wenn man die Details über bestimmteBauteile und
Ausrüstungsgegenstände sich in mühsamer Recherche aus EU-Rechtsakten
zusammensuchen müsste. Dann könnte man gleich auf KFG und KDV
verzichten, was aus technischer Sicht ohnedies überlegenswert wäre.
Der Aufbau der Richtlinien für die allgemeine Betriebserlaubnis ist
wesentlich logischer und lesbarer als die Uraltbestimmungen des KFG
und der KDV, die in 3 Jahren ihren 50. Geburtstag feiern werden.
Die ursprünglich für Pkw-Bereifung zuständige Richtlinie 92/23/EWG
wurde bereits mit Verordnung 661/2009 aufgehoben und mit Verordnung
458/2011 hinsichtlich der Montage von Reifen präzisiert. Dort findet
sich auch der Begriff des Reifendrucküberwachungssystems gemäß ECE
R64. Im Begutachtungsentwurf zur nächsten 60. KDV-Novelle ist in
Anlage 3e all das zwar enthalten, nur kommt es halt reichlich spät,
wenn man das Inkrafttreten mit 1. November berücksichtigt. Außerdem
handelt es sich um eine bedeutende Sicherheitsausrüstung, die auch
ins Gesetz gehört (nicht nur versteckt in eine Anlage zurKDV).
Reifen gehören zu den wichtigsten Sicherheitsbauteilen des
Kraftfahrzeugs. Viele Verkehrsunfälle sind auf mangelhafte Kontrolle
des Reifendrucks zurückzuführen. Zu wenig Druck führt zu vermehrter
Walkarbeit des Reifens, zu Erhitzung und letztlich zum Platzen. Aber
auch ohne Reifenplatzer sind Veränderungen des Fahrverhaltens,
verminderte Seitenführung und damit Unfallgefährdungen die Folge.
Wird der Reifendruck auf den Normalwert gebracht und danach länger
nicht kontrolliert, wird in einem größeren Zeitraum mit Unterdruck
gefahren.
Nicht nur die Nachlässigkeit der Lenker, auch die immer seltenere
Bereitstellung von Reifenprüfern an Tankstellen (rund um die Uhr ohne
Bedienungspersonal) trägt zu diesem Umstand bei. Mangelnder
Reifendruck ist eine Volkskrankheit: Die EU war gut beraten, hier
energische Schritte zu setzen. Leider war die energische
Vorgangsweise nur auf Pkws beschränkt, sind doch Reifenschäden samt
Folgewirkungen bei Lkws viel häufiger. Fast noch wichtiger wären
Druckkontrollen bei einspurigen Fahrzeugen, Druckverlust am Vorderrad
kann unmittelbar tödlich sein.
Es gibt indirekte und direkte Systeme zur Reifendruckkontrolle
(RDKS). Die indirekten bedienen sich der ABS-Sensoren, die
Ungleichmäßigkeiten im Abrollumfang per Software erkennen und
Warnungen abgeben. Direkte Systeme werden in die Felge eingebaut und
sind per Funk mit dem Bordcomputer in Verbindung. Solche Systeme
können auch leichter für Anhängerbetrieb erweitert werden. Bei
Umrüstung auf Winterbereifung oder Reserveräder sind nur solche mit
eigenen Sensoren zulässig.
Die Systeme müssen bei Neufahrzeugen mit dem Fahrzeug typgenehmigt
sein. Bei älteren Fahrzeugen empfiehlt sich eine Nachrüstung, hier
bieten Elektronikhäuser preiswerte Systeme an. Der einfachste Weg zur
Kontrolle des Reifendrucks sind spezielle Ventilkappen mit
Rot/Grün-Markierungen, die stärkeren Druckabfall ebenfalls erkennen
lassen. Allen Systemen gemeinsam ist eine Schärfung des Blicks auf
ein bislang sehr vernachlässigt behandeltes, weil wenig attraktives,
rußig schmutzig schwarzes Fahrzeugbauteil, den Reifen.