Der Reifenfachhandel verliert in weiter schrumpfenden Märkten
zugunsten der Markenautohäuser und Onlinehändler jährlich 1 Prozent
Marktanteil, lautet eine ernüchternde Erkenntnis von Fachleuten.
Präsident Peter Hülzer vom Bundesverband Reifenhandel und
Vulkanisierhandwerk (BRV) befürchtet angesichts eines miserablen
Jahresstarts, wachsender Wettbewerbsintensität, sowie Überlager
insbesondere im Großhandel die bislang "verhalten optimistisch"
betrachtete Reifenmarktentwicklung gegen Jahresmitte hin in
"abwartend skeptisch" anpassen zu müssen. Für Österreichs
BRV-Mitglied Peter John erfordert eine sich längerfristig
abzeichnende negative Marktsituation eine rasche Reaktion im
Angebotssortiment: Hochleistungsreifen ab 17 Zoll, SUVs, Vans können
Nischen sein, Verluste im Standardsegment kompensieren zu können.
RDKS muss auf die Agenda des Reifenhändlers
Entsprechend der EU-Verordnung, wonach alle ab dem 1. November 2014
neu typgenehmigten Fahrzeuge mit einem Luftdrucküberwachungssystem
ausgestattet sein müssen, ist jeder mit Reifen handelnde und
servicierende Kfz-Betrieb, aufgefordert, sich mit dieser Thematik
schon jetzt massiv auseinanderzusetzen. Der serienmäßig verbindliche
Verbau von RDKS, insbesondere direkter Systeme, in der Erstausrüstung
der KlasseM1 wird den Reifenservice massiv beeinflussen. Daher sei
die Werkzeugbeschaffung vorrangig und der Schulungsaufwand rasch
einzuleiten.
Es wird der Vertriebskanal Gewinner sein, der professionell zu
handeln versteht. Entsprechend des Marktrückganges wird das auch den
Ausleseprozess im Reifenhandelsgeschäft beschleunigen, warnen die
Fachleute aus Industrie, Handel und Gewerbe.
Fehlender Schulterschluss im Mitgliederkreis
Sich mit den Zukunftsfragen des Reifenfachhandels bis 2020
auseinandersetzend, klagt Hülzer angesichts der divergierenden
Interessen und Egoismen der einzelnen Branchenteilnehmer (egal ob
Einzel-oder Großhandel, Industrie, Online-Portalbetreiber,
Kooperation oder Handelssysteme) über eine unzureichende
Solidaritätsbereitschaft innerhalb seiner Mitglieder.
Er meint damit ordnungspolitisches Wirken mit dem Ziel, trotz aller
Akzeptanz marktwirtschaftlicher Wettbewerbsprinzipien, die Branche
auf in geeintes Fundament zu stellen, um Verwerfungen und Auswüchsen,
die eine solide und auskömmliche unternehmerische Zukunft gefährden,
entgegenzuwirken.
In diesem Zusammenhang trifft die Reifenhersteller die BRV-Kritik, in
Sinne ihrer eigenen Interessen die Dinge geradezu vorsätzlich
schleifen zu lassen. Jedenfalls sieht der Verband, mit dem auch der
VRÖ (Verband Reifenspezialisten Österreichs) kooperiert, keine
Ansätze, die für eine Beruhigung bzw. Optimierung der
Marktverhältnisse im deutschsprachigen Reifenersatzgeschäft sorgen
könnten. Dies, obwohl sich dabeiHersteller selbst ihre Markenwerte
ramponieren und somit selbst Leidtragende sind.
Ohne Solidarität wird es für den tradierten Reifenhandel auch
schwierig, an der Reifenvermarktung via B2C-Portalen erfolgreich
teilnehmen zu können. Heute 8 Prozent Online-Distributionsanteil,
2020 könnten es bereits 20 Prozent sein. Ablehnung durch Verweigerung
wird darauf die falsche Aktivität sein. Vielmehr muss der Kunde
-Stichwort Multi-Channel -dort abgeholt werden, wo er glaubt, seinen
Bedarf am besten decken zu können.
BRV plant eigenen Onlinehandel
Vorausgesetzt eine solidarische finanzielle wie operative Haltung
aller Marktbeteiligten plant der BRV, ein eigenes vom Einzelhandel
selbst bestimmtes B2C-Portal zu gründen. Dieser Idee fühlt sich auch
der VRÖ zugetan, verlautbart dazu aus dem österreichischen Präsidium.
Hülzer wirbt bereits bei allen Einflussgrößen für ausreichende
Kapitalausstattung, insbesondere für notwendige Marketingaktivitäten,
damit rasch eine durchschlagende Wirkung beim internetaffinen
Verbraucher erzielt werden kann. Online-Reifenplattformen werden laut
BRV-Agenda "Reifenfachhandel 2020" markante Marktanteilsgewinne von
heute 6 bis 8 Prozent bis zu 20 Prozent in 7 Jahren zulasten der
tradierten Handelsschienen zugetraut.
Der VRÖ könnte diese Pläne gut unterstützen, müsse jedoch seinen
angemessenen Obolus leisten, legt BRV-Geschäftsführer Hans Jürgen
Drechsler die Spielregeln dazu fest.
Im Kerngeschäft unter Druck
Wolfgang Alfs, Geschäftsführer des Kölner abh
Marktforschungsinstituts, führte vor rund 160 Mitgliedern des BRV,
inkl. zwei Vertreter des VRÖ, durch seine Bestandsaufnahme zu
Entwicklungstendenzen und Handlungsoptionen im Reifenfachhandel.
Seine Conclusio vorweg: Der Zenit im Reifenersatzbedarf ist
überschritten.
Der Reifenfachhandel verliert zugunsten der Markenautohäuser und
Onlinehändler jährlich 1 Prozent Marktanteil, lautet die ernüchternde
Erkenntnis. Also Anlass, sich mit den Auswirkungen eines allgemein
schrumpfenden Marktszenarios auseinanderzusetzen. 1 Monat Sprint-, 2
Monate Langstrecken-, 4 Monate "Walking-und 5 Monate Stand-by-Modus
machen dem noch führenden Reifenfachhandel mangels
Ganzjahreskompetenz das Leben schwer. Alfs hat bei stagnierenden 3
Prozent Autoservice-Anteil zur Veränderung auch keine Patentlösung
parat. Lediglich aus der Verteidigung heraus kann man den einen oder
anderen Konter starten. Unter Online-Check www.brv-bonn.de sich
selbst prüfen, darf sich selbst im eigenen Unternehmen niemand eine
Schwäche tolerieren. Daher ist RDKS auch Chance zur Profilierung des
Reifenfachhandels.
Dem deutschen Reifenfachhandel attestiert die Studie demnach bis 2020
einen Absturz im Marktanteil von derzeit 44 auf 37 Prozent. In stetig
wachsender Komplexität des Geschäftsmodells lautet Alfs Fazit:
"Entweder es geht einfach oder es geht einfach nichts mehr."
Viele kleine Dinge machen den Unterschied zwischen Erfolg und
Misserfolg aus. Auf Basis dieser ernüchternden
Entwicklungsdarstellung hallt auch den heimischen Branchenbeteiligten
der Rat entgegen, das in den letzten Jahren des Wachstums
Vernachlässigte rasch anzugehen, das heißt jedes noch so kleine
Geschäftsfeld beackern und dabei die Kosten im Griff zu behalten.
Leitfaden zu Reifendruckkontrollsystem "RDKS" in Ausarbeitung
Im Rahmen der BRV-Mitgliederversammlung wurde die Herausgabe eines
Leitfadens zum Einstieg in das unumgängliche Montage-und
Serviceprogramm "RDKS" verlautbart. Spätestens ab Juli dieses Jahres
können Mitglieder unter www.reifendrucksensor.info auf diese wichtige
Starthilfe zugreifen. Inhaltlich richtet sich der Leitfaden an alle
Kfz-Betriebsarten, die sich kommerziell mit dem Reifengeschäft
beschäftigen.