Der Sommer war heiß. Zwar nicht in Bezug auf das Wetter, am Automarkt aber allemal: Nach massiven Rückgängen im ersten Halbjahr stiegen die gesamteuropäischen Verkäufe im Juli um 2,8 Prozent, im August gar um 3 Prozent.

Angesichts der europaweiten Entspannung -sogar Spanien, seit 15 Monaten der Albtraum jedes Autobauers, hat im August kein Minus mehr verzeichnet - sprechen manche schon vom Ende der Krise. Doch das wäre blauäugig, wissen auch die Konzernmanager: Der Schock der vergangenen Monate hat sie zu Realisten gemacht.

"Der richtige Händler am richtigen Ort"

"Insgesamt gehen wir für 2010 von einem erneut rückläufigen Markt aus", sagt Alain Visser. Dank der gerade noch rechtzeitig erfolgten Einigung im Opel-Verkaufspoker konnte der Vice President von GM Europe die IAA für positive Publicity nützen. Nicht erspart blieb ihm die Frage nach den Stückzahlen: Gegenüber dem Vorjahr liegt Opel schon 200.000 Verkäufe zurück. Der Marktanteil stagniert bei 6,6 Prozent, obwohl Corsa und Astra von den diversen Verschrottungskampagnen profitieren hätten sollen. Der nächste Astra, der am Jahresende starten wird, soll den Neuanfang ermöglichen: "Vom Fünftürer planen wir nächstes Jahr etwa 180.000 Neuzulassungen. Das wären etwa 30 Prozent mehr als beim jetzigen Modell", erklärt Visser.

Für Chevrolet bedeuten die staatlichen Prämien zwar Rückenwind. Die 10.000 Zusatzverkäufe, die bisher in Westeuropa realisiert wurden, verblassen jedoch hinter dem dramatischen Marktrückgang im Osten. Das gilt besonders für Russland, wo Chevrolet die stärkste Importmarke ist. "Alles in allem werden wir 2009 rund 100.000 Einheiten unter 2008 liegen", erwartet Europachef Wayne Brannon. Wie geht es mittelfristig weiter? "Wir basieren unsere Planungen auf einer schrittweisen Erholung in ganz Europa, die irgendwann nächstes Jahr beginnen wird", sagt Brannon. Sein Händlernetz beruhigt er: Die Trennung von Opel, Saab und Chevrolet werde sich zwar auf die Importgesellschaften, nicht aber auf die Markenvielfalt in den Schauräumen auswirken: "Es gibt keine Strategie, sich mehr auf Einmarkenbetriebe zu konzentrieren als in der Vergangenheit. Der richtige Händler am richtigen Ort, das istunsere Strategie."

Am Weg zur Spitze

Viel Unruhe im Netz bekommt Audi zu spüren, seit im Juni 2007 die Serviceverträge gekündigt wurden. Für Europa-Vertriebschef Wayne Griffiths sind die neuen Standards, die von vielen als allzu anspruchsvoll kritisiert wurden, dennoch realistisch. "Unser vorrangiges Ziel ist es nicht unbedingt, das Netz zu verkleinern, sondern unsereServiceorganisation auf die Komplexität der zukünftigen Modellvielfalt vorzubereiten", versichert er. Im Vertrieb seien dagegen kaum Änderungen geplant, das teure Schauraumkonzept "Terminal" gelte nur für Neubauten: "Die Händler, die in unsere Marke investiert haben, müssen sich wirklich keineGedanken machen."

Die angesprochene Modellvielfalt soll sich bis 2015 in 42 Modellen niederschlagen. Gleichzeitig will Audi mit 1,5 Millionen Einheiten größer als alle Konkurrenten werden. "In Europa haben wir uns vorgenommen, schon 2010 die Nummer 1 im Premiumsegment zu werden", sagt Griffiths. Neben Imageträgern wie dem R8 Spyder setzt er in den A1, auf 80.000 Verkäufe pro Jahr ausgelegt, große Hoffnungen. Die Ende 2010 geplante Einführung könnte mit der Erholung der Branche zusammenfallen, meint Griffiths: "Wir hoffen, dass wir 2011 wieder positive Signale sehen. Bis zum Niveau von 2007 wird es aber vielleicht noch bis 2013 dauern."

Änderungen im Vertriebsnetz

Nicht weniger, sonder mehr Vertragspartner sehen die Pläne von Mazda Europe vor. "Wir haben derzeit etwas mehr als 2.000 Händler", sagt CEO Jeffrey Guyton. "Genaue Analysen zeigen uns, dass wir dennoch in einigen Regionen nicht ausreichend vertreten sind und dadurch Verkäufe verlieren." In Österreich gebe es beispielsweise zusätzliches Potenzial von 800 bis 900 Stück. Mazda soll als "Marke der Wahl" zumindest 100 neue Händler überzeugen. Gleichzeitig avisiert Guyton aber auch "die eine oder andere Veränderung im bestehenden Netz".

Auch bei Hyundai wird esÄnderungen in der Vertriebsorganisation geben: "Aufgrund der weltweit schwierigen Wirtschaftslage werden wir mittelfristig weniger Händler, wenn auch nicht wesentlich weniger Standorte haben", erwartet Europachef Allan Rushforth. Bewusst forcieren werde man die Markenreinheit, denn mit neuen Modellen wie den SUV iX35 und iX55 oder dem Coupé Genesis wird Hyundai im Image zulegen. "Uns ist aber klar, dass wir zuerst einmal die Geschäftschancen schaffen müssen, die exklusive Standorte rechtfertigen", betont Rushforth. Bis 2013 will er die europäischen Absatzzahlen von zuletzt 271.000 auf eine halbe Million Autos steigern. Dazu beitragen soll eine Offensive bei "echten Flotten", also Klein-und Mittelbetrieben. Vom Gesamtmarkt erwartet Rushforth dagegen noch weniger Rückenwind als viele andere: "Wahrscheinlich werden wir erst 2014 wieder das Niveau von 2007 erreichen."

Sprung in die Selbstständigkeit

Bescheiden nimmt sich im Vergleich zu den Koreanern (gemeinsam mit der Schwestermarke Hyundai der fünftgrößte Autobauer der Welt) das Volumen von Saab aus. 2008 haben die Schweden 93.300 Fahrzeuge verkauft, heuer werden sie rund 50 Prozent darunter liegen. Die Auslastung des Werks in Trollhättan, das im Dreischichtbetrieb auf bis zu 195.000 Einheiten ausgelegt wäre, fällt also weiter. Dennoch ist Vorstand Jan-Ake Jonsson überzeugt, dass Saab nach der Übernahme durch das Konsortium rund um Koenigsegg eigenständig erfolgreich sein kann: "Wir werden nie ein Millionenhersteller sein, aber einer mit 120.000 bis 150.000 Autos. Wenn wir unsere Kapazitäten anpassen, könnten wir auch mitweniger als 100.000 Autos gutes Geld machen."

Teil dieser Anpassungen ist die zum Jahresende geplante Verlagerung des 9-3 Cabrio von Graz nach Trollhättan. Außerdem sollen binnen 3 bis 6 Monaten die Importstrukturen von GM gelöst werden. "Es wird eine Kombination aus unseren eigenen Niederlassungen und unabhängigen Importeuren geben", so Jonsson, der auch das Vertriebsnetz grundlegend umstellen will: "Heute gibt es viele Händler, bei denenSaab eine winzige Marke ist, die einen winzigen Teil der Ressourcen bekommt. Das müssen wir ändern."

"Keine Absicht zur Kündigung"

Angesichts dieser Herausforderungen ist die GVO-Diskussion für Jonsson nebensächlich. Auch bei Mercedes-Benz verfolgt man die Debatte ohne große Emotionen. "Egal, welche Regeln rauskommen: Wir haben keine Absicht, unsere Verträge zu kündigen und damit gerade in einer für die Händler schwierigen Zeit noch mehr Unsicherheiten zu verursachen", erklärteVertriebsvorstand Dr. Klaus Maier bei der IAA.

Bleibt zu hoffen, dass es sein Nachfolger ebenso sieht: Kaum waren die Pressetage vorbei, wurde nämlich die Ablöse von Maier durch Joachim Schmidt bekannt gegeben. Maier kehrt der Autobranche den Rücken zu. Er hinterlässt ihr eine verhalten optimistische Prognose: "In den letzten Monaten des Jahres 2009 werden wir weitere Anzeichen der Erholung sehen."