Das EV (Electro-Vehicle) kommt- aber viel später, als die
Öffentlichkeit erwartet. Auf der 21. internationalen AVL-Tagung
"Motor&Umwelt" sprachen Experten sich durchwegs für eine
schrittweise Elektrifizierung des Antriebsstranges und gleichzeitig
die Nutzung konventioneller Potenziale für die Minimierung von
Verbrauch und Emissionen aus.
In der Diskussion um das E-Auto herrscht eine heillose
Sprachverwirrung, weil unter den Begriff alle möglichen
Zwischenschritte zu dem Ziel ebenso wie das Endergebnis selbst
fallen. Letzteres wird erst mit einem Fahrzeug erreicht, das mithilfe
einer leistungsstarken Batterie und einer entsprechenden
Elektrifizierung des gesamten Antriebsstrangs ausschließlich mit
regenerativer Energie angetriebenwird.
Technische versus finanzielle Machbarkeit
Alle in Graz als Referenten vertretenen Experten aus den Bereichen
Autoindustrie, Entwicklung, Zulieferer und Energieversorger waren
sich darüber einig, dass vor dem Hintergrund der Rohstoff-und der
Klimakrise emissionsfreie Antrieben weiterhin angestrebt werden
müssen, aber vor allem aus Kostengründen erst frühestens nach dem
Jahr 2020 in relevanter Zahl in den Zulassungsergebnissen aufscheinen
werden. Das beruht in erste Linie darauf, dass die
Speicherungstechnik nach wie vor hinter den Anforderungen der
Autoindustrie herhinkt. Allerdings sind in letzter Zeit deutliche
Fortschritte in puncto Speichervolumen und Preisstellung erkennbar.
Referenten wie Wolfgang Steiger, Leiter Zukunftstechnologien im
VW-Konzern, oder Günter Fraidl, Leiter Ottomotoren von AVL List,
hoben hervor, dass das technisch und finanziell Machbare im Autobau
derzeit immer weiter auseinander klaffen. Daher müsse des Einsatz
verfüg-und nutzbarer Technologien der Intention entsprechen, dass der
finanzielle den technischen Nutzen nach Möglichkeit übertrifft.
Einzigartige Vorteile vorstellen
Die Auftritte von Technikern aus nahezu allen relevanten
Autokonzernen machten deutlich, dass alle Marken sich intensiv mit
der Elektrifizierung der Fahrzeuge als Vorleistung für den Eintritt
ins Zeitalter des Elektroautos befassen. Durch die Bank wurde
allerdings darauf hingewiesen, dass zumindest mittelfristig die
Pluralität der Antriebstechniken weiter zunimmt. Neben stop-and-go
als Einstiegsdroge in die Elektrifizierung, die mit Micro, Milde und
Full Hybrid weitergeführt wird, rechnen die Experten mit relevanten
Marktanteilen für dem Erdgasantrieb, die zweite Generation von
Bio-Kraftstoffen und vor allem für optimierte Otto-und Dieselmotoren.
Helene Karmasin machte der Grazer Herrenrunde deutlich, dass es der
Autoindustrie bisher nicht gelungen sei, das Elektroauto, das schon
vom Namen her wenig attraktiv klingt, emotional aufzuladen. Die
Markt-und Motivforscherin unterstrich, dass sachliche Argumente
allein bis auf Weiteres kein ausschlaggebendes Kaufargument für
Fahrzeuge darstellen würden. Ein atemberaubendes Design der E-Autos
und die Artikulation einzigartiger Vorteile (wie die überlegene
Beschleunigung) seien erforderlich, um den bisher erweckten Eindruck,
es handle sich um leise, langsame und mühsame Fahrzeuge,
wettzumachen.
Mehr Rationalität beim Autokauf?
Viele Redner waren sich allerdings einig, dass rationale Argumente
beim Autokauf immer stärker ins Gewicht fallen und die Emotionalität
alt aussehen lassen. Vor allem angesichts der aktuellen
Wirtschaftskrise wird verstärkt auf verbrauchsarme Motoren, aber auch
auf Umweltaspekte geachtet.
Bei der Gelegenheit wurde vorgerechnet, dass die Hälfte aller derzeit
in Europa zurückgelegten Fahrstrecken, die 30-Kilometer-Grenze nicht
überschreiten. Für eine Reichweite von 50 Kilometern seien schon
jetzt erschwingliche Elektroautos verfügbar. Ihr Einsatz wird vor
allem vor folgendem Hintergrund für unverzichtbar gehalten: Bis zum
Jahr 2050 werden bereits rund 80 Prozent der Weltbevölkerung in
Megacitys leben. In den Zentren derartiger Ballungsräume wird es
individuelle Personen-und Warentransporte nur auf der Basis
erneuerbarer Energie oder gar nicht geben, wie das explosionsartige
Wachstumsschübe für E-Roller in Chinas Großstädten schon heute
avisieren.
In anderen Sphären
Für österreichische Ohren hörten sich manche in Graz vorgebrachte
Argumente insofern fremd an, als von Rahmenbedingungen die Rede war,
die zwar die Weltgesellschaft betreffen, für die Alpenrepublik aber
nicht einmal eine Zukunftsmusik darstellen wie etwa die absolute
Trennung sämtlicher Verkehrsströme.
Eine klare Absage wurde in Graz jenen Autokäufern erteilt, die nach
Umfragen in Deutschland vorläufig auf den Kauf eines Neuwagens
verzichten, weil sie damit rechnen, dass die Markteinführung von
E-Autos unmittelbar bevorsteht. Allerdings bemüht die Industrie sich,
mit Zwischenlösungen auf diesen Zug aufzuspringen. Selbst die
deutschenHersteller haben schon begonnen, mit dem E-Pfund zu wuchern
- und bieten Lösungen an, die einen Touch von Elektroauto haben.