Ein aktuelles OGH-Urteil schüttelt die gängige Praxis beim Kauf von Fahrzeugen auf und bestätigt das kostenlose Rückgaberecht beim E-Mail-Kaufvertrag.

Auf einem Händlerportal das Wunschmodell finden, per Mail oder Telefon das Interesse bekunden, vielleicht kurz zur Probefahrt vorbeischauen, und der finale Vertrag kommt via E-Mail, wird digital unterschrieben und zurückgesandt. Schnell, effizient, fertig. Dachte man bisher. Denn damit verschafft sich der Kunde unter Umständen ein 14-tägiges, kostenloses Rückgaberecht. 

Eine aktuelle Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) zieht diesem Prozess nun einen dicken, roten Strich. Im Fall 5 Ob 168/24b hat das Höchstgericht klargestellt: Ein (Leasing- oder Kauf-)Vertrag, der primär über Fernkommunikationsmittel angebahnt und abgeschlossen wird, kann auch dann ein Fernabsatzgeschäft bleiben, wenn der Käufer das Auto vorher physisch beim Händler besichtigt und sogar wenn er Probe gefahren hat.

Information versus Verhandlung

Die Begründung dreht sich um die Frage, ob bei dem persönlichen Kontakt in den Geschäftsräumen Vertragsverhandlungen stattgefunden haben. Im konkreten Fall suchte ein Verbraucher (Kläger) einen Gebrauchtwagen online, rief den Händler an und fuhr später zufällig beim Händler vorbei, um eine Probefahrt zu absolvieren. Vor Ort händigte ihm lediglich eine Angestellte den Schlüssel aus und der Kunde unternahm die Probefahrt. Während der Probefahrt und des Besuchs beim Händler wurde weder über den Kaufpreis noch über Vertragsdetails gesprochen. Der Vertrag kam erst Tage später per E-Mail zustande. Die Vorinstanzen verneinten das Rücktrittsrecht des Verbrauchers. Der OGH entschied anders: Die Probefahrt dient (bloß) der Einholung von Informationen. Sie ist keine Vertragsverhandlung.

Wenn der Kunde also ein Auto testet, aber der Besuch beim Händler sich auf die Schlüsselübergabe zur Durchführung einer Probefahrt und der Informationseinholung beschränkt, ohne über Vertragsinhalte zu sprechen und später der Vertrag per E-Mail zugesendet wird und per E-Mail retourniert wird, dann gilt der gesamte Vorgang als Fernabsatzgeschäft.

Der 14-Tage-Rücktritts-Joker für den Konsumenten

Die Folge dieser Qualifizierung ist weitreichend: Beim Fernabsatzgeschäft steht dem Verbraucher das 14-tägige Rücktrittsrecht aus dem Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz zu. Dieses Rücktrittsrecht muss vom Händler in der Regel klargestellt werden. Der Verbraucher trat im verhandelten Fall vom Vertrag zurück und bekam recht. Selbst wenn der Vertrag später nochmals in Papierform unterzeichnet wird, ist dies laut OGH irrelevant – der Vertrag war bereits durch die elektronische Kommunikation zustande gekommen und kann nicht durch eine nachträgliche Unterschrift „geheilt“ werden.

Händler sollten diese neue juristische Lage kennen – entweder um sie bewusst zu nutzen oder um den Verkaufsprozess anzupassen. Entweder in der Weise, dass während der gleichzeitigen körperlichen Anwesenheit von Käufer und Verkäufer tatsächlich Vertragsinhalte verhandelt und fixiert werden; beim Kaufvertrag insbesondere Preis, Ausstattung des Fahrzeugs, Lieferdatum etc.

Oder in der Weise, dass der nach einer Probefahrt und Informationseinholung per E-Mail versandte Kaufvertrag nicht digital gezeichnet wird, sondern der Verbraucher zum Händler eingeladen wird und im Zuge dieser zweiten gleichzeitigen körperlichen Anwesenheit von Käufer und Verkäufer der Vertrag verhandelt und unterschrieben wird. 

Beide Varianten schließen in der Regel das Rücktrittsrecht des Verbrauchers nach dem Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz aus.