Nachdem sich die Vertriebssituation spürbar verschlechtert, bin ich als Berater für den Automobilhandel derzeit besonders viel - sowohl bei Händlern als auch bei Herstellern/Importeuren – unterwegs. Einerseits beklagen Hersteller/Importeure, dass die Händler aus Ihrer Sicht zu wenig aktiv sind. Das mag manchmal so sein! Andererseits sprechen Händler von vollen Lagern, ausgereizten Finanzierungsrahmen und zu wenig Frequenz im Schauraum. Auch das mag – von Marke zu Marke in unterschiedlicher Ausprägung - manchmal so sein!
Die Wahrheit liegt wie so oft in der Mitte.
Ja, die Händler haben nur ein Umlaufvermögen und können oder wollen – je nach Marke – nach den Kurzzulassungs- und Zielerreichungs-Aktionen der letzten Monate teilweise gar keine zusätzlichen Lager- oder Aktionsfahrzeuge mehr aufnehmen.
Gleichzeitig sehe ich bei Händlern immer noch Jung- und Gebrauchtwagen, deren Preise mich an Coronazeiten erinnern. Weit weg davon um – auch nach einer sehr differenzierten Suche – auf den ersten vier Ergebnisseiten einer Onlinebörse aufzuscheinen; VIER (!) Ergebnisseiten wohlgemerkt!
Da steht mancherorts noch erhebliches Verlustpotential bei den Händlern. Offensives Preismanagement und Mischkalkulationen mit aktuellen Verkaufs- und Zulassungsaktionen sind hier zielführende Maßnahmen, um dieses Verlustpotential nicht in die „Bücher“ zu bekommen. Wenn der Abfluss der Jung- und Gebrauchtwagen nicht funktioniert, stockt der offensive Eintausch auf Neuwagen und damit auch der Neuwagenabsatz bzw. die Fremdmarkeneroberung.
Der unterstützende/beratende Impuls sollte im Hinblick auf die Jahreszielerreichung – aber auch langfristig gedacht – idealerweise von den Herstellern/Importeuren bzw. deren GW-Labeln ausgehen. Gleichzeitig fahren viele Hersteller Ihre GW-Label auf Sparflamme oder haben sie ganz gekappt. Das ergibt eine sich selbst verstärkende Abwärtsspirale mit den Ergebnissen, die wir jetzt sehen und die sich im im Hinblick auf die Komplexitäten im Handel mit gebrauchten EV´s noch verstärken wird.
Mit aktiven GW-Labels läuft es besser
Noch nicht sehr gut, aber deutlich besser läuft es bei den wenigen Herstellern und Händlern mit einem aktiv gemanagten GW-Label, teilweise sogar schon mit Support bei den EV-Eintauschprozessen. Der Abfluss passt und die Gebrauchtwagenergebnisse der Händler reichen, um auch den einen oder anderen offensiven Eroberungseintausch für die Marke zu stemmen.
Die Meinung mancher Hersteller/Importeure, dass sie das Gebrauchtwagengeschäft der Händler nichts angeht, rächt sich nun in Form von rückläufigen NW Verkaufszahlen. Anders gesagt: Der Abfluss von Jung-, Aktions- und Tageszulassungsfahrzeugen über funktionierende gewinnbringende Gebrauchtwagenprozesse beim Händler hat vitalen Einfluss auf den Neuwagen Verkaufserfolg.
Es ist daher Zeit sich mit den Händlern wieder gemeinsam auch auf Gebrauchtwagen-Vertriebsprozesse zu konzentrieren, denn wenn unten nichts abfließt, kann man oben nichts nachlegen.
Dass ist wie ein Ofen, der nicht brennt!
Horst Pohl ist mit HP Autohausconsulting Unternehmensberater mit Schwerpunkt Automobilbranche.
Der A&W-Verlag bildet ein breites Meinungsspektrum ab. Kommentare müssen nicht der Meinung des Verlages entsprechen.