Viele Werkstätten standen bisher vor zerlegten Fahrzeugen und mussten sich mit ihren Kunden um die Kosten streiten. Dem hat das Landesgericht Wien nun auf Betreiben des Strasshofer Kfz-Betriebes Rudolf Praher mit der Berufungsentscheidung 36R349/17s einen Riegel vorgeschoben. Besonders ärgerlich ist diese Praxis, wenn sich der Kunde beim Reparaturauftrag voll auf die Zusage der gegnerischen Haftpflichtversicherung verlassen hat -und selbst kein Geld besitzt. "Da hätt" ich den Schaden erst gar nicht reparieren lassen", musste sich Praher anhören. Und dem Kunden erst klar machen, dass er mit seiner Unterschrift am Auftrag auch für die Kosten haftet. Allerdings: Bei einem "blanken" Kunden helfen der Werkstätte weder die vom Kunden unterschriebene Zessionsurkunde noch das kaufmännische Rückbehaltungsrecht weiter. "Der Kunde hatte auch keinen Rechtsschutz", stand Praher letztlich nur vor Wahl, die Reparaturkosten auszubuchen -oder die ihm abgetretene Forderung auf eigenes Risiko einzuklagen.

Prahers Kunde wurde im Februar 2016 auf der Wiener Südosttangente von einem tschechischen Pkw mit Anhänger gestreift - das Verschulden traf den Tschechen - und damit auch seine tschechische Haftpflichtversicherung. Ordnungsgemäß erstattete der heimische Lenker bei seiner Haftpflicht die Unfallsmeldung. Gleichzeitig beauftragte er Praher nicht nurmit der Reparatur, sondern auch mit der Versicherungsabwicklung. Für die war in Österreich die Allianz als Korrespondenzversicherung zuständig. Die gab Praher aufgrund der klaren Sachlage und der Auskunft des geschädigten Österreichers für die Reparatur grünes Licht. Entsprechend dem Kundenwunsch wurde daher auch sofort mit der Reparatur begonnen.

Nachweis der Freigabe als Problem

"Ich hatte die Freigabe ,Grün" am Bildschirm gehabt. Und plötzlich war die weg", erinnert sich Frau Praher, die im Betrieb die Schadensabwicklung erledigt. Der Kunde war inzwischen mit dem reparierten Auto bereits unterwegs -nur die 4.018,51 Euro Kosten blieben offen. Prahers Urgenz bei der Allianz ergab: Der Gegner hatte bei seiner tschechischen Versicherung keine Unfallmeldung erstattet. "Es wäre natürlich die Pflicht der Allianz und ihrer tschechischen Partnerin gewesen, die zu besorgen", ärgert sich Praher. Doch die machte es sich stattdessen einfach: Sie schaltete das System einfach auf "Rot" - und zahlte dieRechnung nicht.

Da half Praher auch seine Intervention beim Versicherungsverband nichts: "Der Referent bei der Allianz hat uns immer nur gesagt: ,Dann klagen S"uns halt"". Bis Praher nach einem halben Jahr der Kragen geplatzt ist. "Der Doktor Wolf hat gesagt, das geht durch", verließ sich Praher auf seinen seit Jahren erprobten Hausanwalt Dr. Peter Paul Wolf. Der Prahers Klage beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien nicht nur auf das Verschulden des gegnerischen Lenkers stützte - sondern auf das ausdrückliche Anerkenntnis der Allianz.

Das Unfallgeschehen war mit der Einvernahme vom heimischen Lenker bald zu dessen Gunsten geklärt. Doch das Gericht wollte auch wissen, was es mit dem Anerkenntnis der Allianz auf sich hat. "Im Streitfall ist der Nachweis der Freigabe oft problematisch", erinnert sich dazu Praher. Und rät nachträglich allen Kollegen, von der grünen Ampel am Bildschirm sofort ein Foto zur Beweissicherungzu machen. Denn in seinem Fall hat die Allianz jegliche Reparaturfreigabe bestritten. Erst die Einvernahme der mit der Unfallabwicklung betrauten Ehefrau brachte dem Gericht die nötige Klarheit. Und endete mit einer kompletten Klagsstattgebung.

Ampelsystem eindeutig

Das Gericht kam zur Feststellung, dass das sogenannte "Ampelsystem" dem Informationsaustausch, der Fallbearbeitung und der allfälligen Reparaturfreigabe zwischen Versicherung und Werkstätte diene. Das Grundprinzip sei, dass das System, wenn die Daten von der Werkstatt für den Versicherungsnehmer in das System eingespielt würden, auf Rot springe. Während der Bearbeitung durch den zuständigen Schadensreferenten springedas System auf "Gelb". Wenn eine Reparaturfreigabe erfolge, schalte das System auf Grün.

"Die Schaltung des Systems auf Grün kann keine andere Deutung zulassen, als dass die Versicherung ihre Haftung für den Schadensfall anerkenne", war aus der Sicht des Gerichts der tatsächliche Schadensverlauf nur von untergeordneter Bedeutung. Es sei "eine selbstständige Verpflichtungserklärung der Korrespondenzversicherung derHaftpflichtversicherung des Beklagtenfahrzeuges" vorgelegen -das war für die Verurteilung der Allianz ausreichend.

Schlüssige Haftungsübernahme

"Der Kläger habe den Schaden im Vertrauen auf die konkludente Erklärung der Korrespondenzversicherung -die als konstitutives Anerkenntnis zu werten sei -reparieren lassen", wurde dem beklagten Unfallsgegner und der Allianz beschieden. Der Einwand der Allianz, "die bloße Freigabe zur Reparatur stelle kein Haftungsanerkenntnis dar", blieb auch beim Berufungsgericht erfolglos. Auch die zusätzliche Ausrede, die "Freigabe im System könne nur irrtümlich erfolgt sein".

Das Landesgericht führte dazu aus, dass ein konstitutives Anerkenntnis "auch schlüssig durch solche Handlungen erklärt werde, die unter Berücksichtigung aller Umstände keinen Grund zum Zweifeln übrig lassen". Damit wurde während der Schadensabwicklung eine "eigene Hauptschuld" des Anerkennenden - somit der Allianz -begründet. Und zwar selbst für den Fall, dass bis dahin eine derartige Schuld noch nicht bestanden hat. Bei Vorliegen einer strittigen Forderung dient ein Anerkenntnis dazu, "durch die Schaffung einer abstrakten Verbindlichkeit Zweifel und Streit präventiv auszuschließen".

Diese Zweifel hatten ursprünglich bestanden. "Würden keine Zweifel am Bestehen der Forderung des Klägers gegenüber der Korrespondenzversicherung bestehen, wäre keine Besichtigung des Schadens durch einen Sachverständigen und eine weitergehende Prüfung der Daten durch den Referenten der Versicherung notwendig gewesen",zieht das Berufungsgericht seine Schlussfolgerungen. Die Versicherung habe "zwar nicht ausdrücklich durch Worte oder allgemein angenommene Zeichen" eine Haftung übernommen. Doch liege durch die Grün-Schaltung im Informationsaustauschsystem zwischen den Versicherungen und den Werkstätten eine "schlüssige Haftungsübernahme für die Reparaturkosten im Sinne des §863 ABGB vor". Wobei die Werkstätte "zwanglos als Bote von Willenserklärungen der Versicherung" gegenüber ihren unfallgeschädigten Kunden angesehen werden kann.

Sicherheit für den Betrieb

Das Urteil schließt künftig alle Zweifel an der Grün-Schaltung aus: "Da der Kläger die Schäden an seinem Fahrzeug gerade im Vertrauen auf die erfolgte Reparaturfreigabe und erst nach Schalten des Systems auf Grün von der Werkstätte beheben ließ und die Beklagte die Reparatur erst nach Prüfung aller im System eingelangten Daten samt Besichtigungsbericht freigab", war allen Beteiligten im Bewusstsein der Unsicherheit der Rechtslage klar, dass das Umschalten auf Grün nicht bloß ein deklaratives Anerkenntnis sein konnte. "Das Vorliegen eines konstitutiven Anerkenntnisses ist daher zu bejahen", wurde dasUrteil des Bezirksgerichts bestätigt.

Tatsächlich handelt es sich dabei um eine Grundsatzentscheidung, die allen Beteiligten -einschließlich den Versicherungen -Klarheit schafft. Dass Praher das ganz allein und auf sein volles Risiko erkämpfen musste, spricht Bände. Eine finanzielle Risikobeteiligung durch die eigene Standesvertretung wäre in solchen Fällen durchaus angebracht.