Der Aufreger der vergangenen Wochen war wohl die Ankündigung der
Wiener Verkehrsstadträtin Mag. Maria Vassilakou, eine Citymaut
einführen zu wollen, wobei nicht geklärt ist, ob es sich dabei um
einen bewussten politischen Selbstmordversuch oder um einen
unbekümmert geäußerten Wunschtraum grüner Denkweise handelt.
Auf
jeden Fall sollte die Artder Vorgangsweise und auch die
föderalistische Kompetenzaufteilung in unserem Land einer kritischen
Betrachtung unterzogen werden. Maßnahmen der geäußerten Art stellen
Eingriffe in ein Gesamtverkehrssystem dar, die einer übergeordneten
Betrachtung auch unter Einbeziehung unseres Beitrags zum europäischen
Verkehrsablauf bedürfen. Parallelen zu nationalistischen
Abschottungstendenzen tun sich auf, die aber hier nicht zur Debatte
stehen sollen.
Offensichtlich haben die bereits existierenden Citymaut-Lösungen in
Europa den Vorschlag mit beeinflusst. Angeblich war es Koalitionsziel
mit der SPÖ, dass in Wien im Jahr 2025 nur mehr 20 Prozent der
Fahrten mit dem Auto zurückgelegt werden sollten und dies wäre eben
mit der Citymaut erreichbar. Landläufige Vorstellungen von City
beziehen sich eigentlich auf Innenstädte, in Wien sollten die Kassen
schon an der Stadtgrenze klingeln. In Paris gibt es eine
tageszeitlich begrenzte Lösung mit speziellen Umweltaufklebern, die
die Abgasqualität der Kfz nachweisen. Auswärtige müssen die Kleber
mit Zulassungsdaten speziell beantragen. Der Bereichist auf eine
Zone innerhalb der Stadtautobahn begrenzt. Ähnliche Lösungen gibt es
in sehr vielen deutschen Städten, wo wiederum eigene Abgasplaketten
zu verwenden sind. Im Prinzip gäbe es die Einteilung in bestimmte
Abgasklassen über ebenfalls eigene Plaketten auch in Österreich, nur
waren Pkws in den bisherigen Vorschlägen zu Fahrverboten noch
ausgeklammert.
London hat Probleme mit der Einhaltung von EU- Umweltzielen und hat
aus Gründen der Stauvermeidung ein 22 km2 großes Gebiet an Werktagen
zur Mautzone erklärt. Die Erfolge werden sehr unterschiedlich
beurteilt, das System dürfte auch das teuerste sein. In München, das
man aufgrund mangelhafter Umfahrungsmöglichkeiten noch am ehesten mit
Wien vergleichen könnte, wirdsogar ein stauabhängiges Modell
diskutiert. Bei fließendem Verkehr soll es billiger werden, viele
Pendler können dann sagen: "Falschen Tag erwischt." Stockholm und
Göteborg haben ein Modell von tageszeitlich unterschiedlichen
Tarifen. Auch Oslo hat ein System ähnlicher Art, aber mit
Normaltarifen für Benzin-Kfz, Diesel hat den doppelten Tarif,
Elektroautos und Einspurige sind frei. Mailand und Bologna
beschränken sich weitgehend auf Innenstädte mit Parkschein ähnlichen
Systemen und tageszeitlichen Beschränkungen. Viele italienische
Städte sperren die historischen Stadtkerne mit Ausnahmen für Taxis
etc.
Allen Systemen, egal ob umweltbezogene Fahrverbote oder werktägliche
Mauten, haftet der Vorwurf an, unsozial zu sein, da sie entweder
neueste Fahrzeuge bevorzugen oder gleich in die Geldbörsen greifen.
Dazu kommt, dass jede kleinste Kommune eigene Lösungen kreiert und
man sich schon vor Antritt einer Fahrt über Details informieren muss.
Für Fremde kann schon das Erwerben eines Parkscheins in Wien zum
Problem werden.
Der EU ist der Vorwurf zu machen, zwar Umweltziele festzuschreiben,
aber deren Realisierung kleinkarierten Lokalpolitikern zuüberlassen.
Wen wundert es da, wenn mit dem Mäntelchen des Umweltschutzes
versucht wird, leere Kassen aufzufüllen? Außerdem kann es nicht sein,
dass jedes Land eigene Abgaskleber erfindet, die extra zu beantragen
sind, aber den gleichen technischen Inhalt haben. Gleiches gilt für
unsere nationalen Verantwortungsträger. Der Verkehr in Wien betrifft
zu einem großen Teil Personen anderer Herkunft. Ohne Berücksichtigung
der Bedürfnisse dieser Gruppe können keine einschneidenden Maßnahmen
getroffen werden, das gehört in die Verantwortung eines Ministeriums.