Am 12. Dezember 2017 zerstörte eine verheerende Gasexplosion den
OMV-Gasverteilerknoten im niederösterreichischen Baumgarten.
Ein
Toter und 21 Verletzte und ein Sachschaden in zweistelliger
Millionenhöhe waren die Folge. Dass sofort nach der Unfallsursache
geforscht wurde, ist verständlich. Die wurde von Fachleuten auchin
Kürze gefunden. Ein mangelhaft befestigter Bolzen an einer
Verschlussklappe hatte das Unglück verursacht. Unverständlich ist,
warum die Staatsanwaltschaft sofort ein Verfahren wegen des Verdachts
der fahrlässigen Gemeingefährdung einleitete. Im März wurde mit einem
riesigen Aufgebot der Tathergang rekonstruiert. Nach dem dafür
hinlänglich bekannten Muster: Einer muss für jedes Unglück bestraft
werden.
Ich finde die reflexartige Suche nach einem Schuldigen - auch wenn
sie rechtlich gerechtfertigt ist -kontraproduktiv. Alle, die zur
Aufklärung etwas beitragen könnten, werden faktisch gezwungen, in
Deckung zu gehen. Nichts hören, nichts sehen, nichts reden: Das ist
dann der sicherste Schutz vor gerichtlicher Verfolgung. Das Ganze
bekommt so den Anschein, als ob etwas vertuscht werden sollte. Damit
wird in vielen Fällen nachhaltigverhindert -oder zumindest deutlich
erschwert -, dass aus Fehlern gelernt werden kann, damit sich diese
nicht wiederholen.
Machen wir einen Blick auf die Fehlerkultur in der Luftfahrt: Seit
den 1970er-Jahren werden alle spektakulären Unglücksfälle nach dem
Grundsatz "no blame" untersucht. Auch im Gesundheitsbereich hat man
damit Fortschritte erzielt. Das bedeutet, dass im Sinne einer
lückenlosen und raschen Aufklärung von unerwünschten Zwischenfällen
nahezu generell auf Schuldzuweisungen verzichtet wird. Selbst
unmittelbar beteiligte Personen können dadurch nahezu gefahrlos über
ihre eigenen Fehler berichten.
Es irrt der Mensch, solang er strebt. Fehler sollte man daher besser
nicht strafrechtlich, sondern technisch beurteilen. Etwa als die
"Nichterfüllung von festgelegten Anforderungen" oder auch als
"verfehlte Zielerreichung". Das würde auch dem Unglücksverlauf in
Baumgarten am ehesten entsprechen. Fehler können auch als etwas
akzeptiert werden, das mit dem Wesen des Menschen so untrennbar
verbunden ist wie seine komplexe Sprache oder dieFähigkeit, über
seine eigenen Fähigkeiten nachzudenken.
Thomas Alva Edison, der Erfinder der Glühlampe, hat nach tausenden
Fehlschlägen bei der Suche nach dem richtigen Material für den
Glühfaden resümiert: Jeder Versuch war dennoch ein Erfolg, denn er
habe bei jedem gelernt, warum etwas eben nicht funktioniert.
Besonders in komplexen Situationen bleibt den Machern nichts Anderes
übrig,als Dinge auszuprobieren. Nur so können sie sich der
gewünschten Lösung mit vielen Irrungen nähern. Fehler gehören damit
zur Tagesordnung -als untrennbarer Teil des "Besserwerdens".
Das sollte jenen Managern der Auto-Industrie ins Stammbuch
geschrieben werden, die sich und uns einreden wollen, dass es
einfache Lösungen für komplexe Probleme gibt. Die insgeheim aber
dennoch oft nach dem Prinzip "trial and error" handeln - oder handeln
müssen. Weil sie glauben, nicht offen zugeben zu dürfen, dass eine
Lösung gescheitert ist, weshalb sie stur an der untauglichen
Entscheidung festhalten. Mit allen katastrophalen Konsequenzen, die
daraus erwachsen können.
Die Alternative wäre das offene Bekenntnis: "Wir haben erkannt, dass
wir auf diesem Weg unser Ziel nicht erreichen. Lasst uns einen neuen
Versuch wagen." Dann gäbe es auch keinen Zwang zum Vertuschen. Bei
einer derartigen Fehlerkultur müssten sich diese Manager auch nicht
vor amerikanischen Staatsanwälten verstecken.