Die EU-Kommission bemüht sich um gesunden Wettbewerb bei Aftersales
und Teilehandel und ist dabei mit Verstößen der Autohersteller
konfrontiert.
Das europarechtliche Wettbewerbsrecht hat stets zwischen dem
Primärmarkt des Neuwagenvertriebs und dem Sekundärmarkt des
Aftersales unterschieden. Seit Wegfall der alten Kfz-GVO 1400/2002
gilt für den Kfz-Vertrieb aktuell ausschließlich die allgemeine
Vertikal-GVO (lesen Sie bitte dazu auch den Artikel zur GVO auf Seite
10 im Hauptheft dieser Ausgabe), während für den Anschlussmarkt die
völlig neue Kfz-GVO Nr. 461/2010 etabliert wurde. Wenngleich sich die
rechtliche Ausgangssituation für den Aftersales-Markt nicht so sehr
verschlechtert hat, wie es die Neuregelung des Neuwagenvertriebes mit
sich gebracht hat, hat die letzte Adaptierung durchaus
Konfliktpotenzial enthalten und sollte auch beim Kundendienst ein
kritischer Blick zurück gewagt werden.
Von den mit der alten Kfz-GVO 1400/2002 etablierten
Kernbeschränkungen ist lediglich eine nicht in die aktuell gültige
Kfz-GVO 461/2010 übernommen worden, die den Vertragswerkstätten die
Möglichkeit eingeräumt hatte, bis zu 70 Prozent der benötigten
Originalersatzteile oder qualitativ gleichwertigen Ersatzteile auch
von anderen Quellen als dem Hersteller selbst zu beziehen.
Entscheidungen für den freien Zugang
Ein signifikantes Beispiel dafür, dass auch europarechtliche
Kernbeschränkungen nicht der Weisheit
letzter Schluss sind, zeigen die Entscheidungen der Kommission vom
13.9.2007 gegen Daimler/Chrysler, Fiat, Toyota und Opel, die trotz
europarechtlicher Regelung freien Werkstätten den uneingeschränkten
Zugang zu technischen Reparatur-und Wartungsinformationen verweigert
hatten. Dem wesentlichen Wettbewerbsvorteil, den zugelassene
Vertragswerkstätten gegenüber unabhängigen Marktteilnehmern erfahren
hatten, sollte mit inhaltlichen Klarstellungen und Verschärfungen
durch die Kommission begegnet werden. So sind aktuell jedenfalls auch
Einzelinformationen zur Verfügung zu stellen, ohne dass die freie
Werkstätte dabei gezwungen werden kann, ein gesamtes Kompendium über
die technischen Details eines Fahrzeuges kostenintensiv erwerben zu
müssen. Auch dürfen unabhängige Marktteilnehmer nicht verpflichtet
werden, Ersatzteile beim Hersteller kaufen zu müssen, um an die
notwendigen technischen Informationen zu kommen.
Kein Service in der Vertragswerkstätte
Ebenfalls problematisch wurde von der Kommission der Umstand erkannt,
dass Kunden an das Netz der Vertragswerkstätten gebunden wurden,
indem die Garantie des Herstellers davon abhängig gemacht wurde, dass
auch nicht unter die Garantie fallende Instandsetzungs-und
Wartungsarbeiten in einer Vertragswerkstätte ausgeführt werden
mussten. Die Kommission hat wohl völlig zu Recht in Zweifel gestellt,
dass derartige Einschränkungen einen Vorteil für den Kunden mit sich
bringen würden. Dennoch sind die geschilderten Vorgehensweisen
weiterhin immer wieder im alltäglichen Kfz-Werkstättenbetrieb
festzustellen. Das Gerücht, Kunden drohe der Garantieverlust, sobald
sie Instandsetzungsarbeiten in einer freien Werkstatt durchführen
ließen, hält sich hartnäckig und ist aus Konsumentensicht mehr als
verständlich, dass man aufgrund dieser bewusst geschürten
Verunsicherung im Zweifel doch vorsichtshalber sämtliche
Reparaturarbeiten bei einer Vertragswerkstätte durchführen lässt.
Ein gutes Verkaufsargument wäre die Kostenersparnis bis zu 25 Prozent
bei einer Reparatur in einer freien Werkstätte, doch diese
Werkstätten müssen sich diesbezüglich den Vorwurf gefallen lassen,
werblich mit ihren Vorzügen bis dato nicht deutlich genug in den
Vordergrund getreten zu sein.
Neuwagenverkauf ist nicht verpflichtend
Zugelassene Werkstätten können auch nicht verpflichtet werden,
Neufahrzeuge zum Verkauf anbieten zu müssen, da dies kein
qualitatives Selektionskriterium darstellen würde. Werden die
qualitativen Standards des Herstellers erfüllt, wäre die Verweigerung
der Aufnahme einer Werkstätte in das Netz des Herstellerswettbewerbswidrig. Davon ausgenommen sind lediglich Marken, die
selbst einen Neueintritt in einen geografischen Markt unternehmen.
Ihnen muss zeitlich beschränkt zugestanden werden, Vertriebs-und
Werkstättenvertrag lediglich im Paket zu vergeben, da zunächst
Händler gefunden werden müssen, diebereit sind, die erforderlichen
und erwartungsgemäß hohen Investitionen zu tätigen, ohne die
Konkurrenz von bloßen trittbrettfahrenden Nur-Werkstätten befürchten
zu müssen.
Gesunder Wettbewerb
Zusammengefasst muss der Kommission das redliche Bemühen attestiert
werden, für die Endkunden einen gesunden Wettbewerb unter den
Vertragswerkstätten und den unabhängigen Marktteilnehmern
aufrechtzuerhalten. Auf die tatsächlichen Realitäten des
Anschlussmarktes wird dabei jedoch weiterhin zu wenig Rücksicht
genommen, wie ein Vergleich der durch die Kernbeschränkungen der
Kfz-GVO 461/2010 gewünschten Effekte mit den geradezu alltäglichen
Verstößen der Hersteller gegen die vorgeschriebenen Praktiken
eindrucksvoll beweist.