Weshalb einige Konzerne seit längerer Zeit darüber brüten, wie sie ihr Werkstättennetz dennoch billig reduzieren können. Beim jüngsten Treffen europäischer Händleranwälte (European Distribution Lawyers -EDL) im März in Madrid wurde erörtert, wie sich das auf die derzeitigen Vertragsverhältnisse auswirken wird.

Im Oktober 2016 feierte der erste E-smart am Pariser Autosalon Premiere. Ein Jahr später verkündete Mercedes-Chef Dieter Zetsche, in Europa und den USA ab 2020 bei smart die "Verbrenner" komplett abzuschaffen. Dafür wurden auch die damit verbundenen Auswirkungen analysiert. Mit dem Ergebnis, dass sich der erforderliche Werkstättenaufwand künftig auf 37 Prozent reduzieren wird.Ein unerfreuliches Szenario für Autoproduzenten, Ersatzteilhändler und Kfz-Werkstätten, denen die bisherigen Ersatzteilumsätze als wesentliches Standbein des bisherigen Geschäftsmodells wegzubrechen drohen. Die Werkstättennetze müssen daher parallel zum forcierten Verkauf von Elektroautos reduziert werden, um den Verbliebenen für ihr Überleben ausreichende Werkstättenumsätze zu ermöglichen.

Bisher war esüblich, dass Hersteller einem gekündigten Händler auch sein Werkstättengeschäft abgelöst haben. Ohne Werkstattkunden hätte sich bei dem notorisch ertragslosen Neuwagengeschäft die Übernahme eines derartigen Vertragsgebietes für einen neuen Händler nicht gerechnet. Für einen freiwilligenund endgültigen Verzicht auf Abschluss eines Servicevertrages wurden nach den Erfahrungen des deutschen Händleranwaltes Dr. Christian Genzow je nach Betriebsgröße -bei etwa 200 bis 300 Neuwagen pro Jahr - 200.000 bis 300.000 Euro bezahlt. Geld, das sich die Hersteller bei der Neugestaltung ihrerVertriebsnetze sparen wollen.

Verträge auf fünf Jahre befristet

Einen völlig neuen Weg zur Netzausdünnung hat etwa Toyota in Belgien gewählt. Die Kündigung der Händler-und Werkstättenverträge wurde mit dem Anbot neuer Verträge gekoppelt. Allerdings wurden diese mit fünf Jahren befristet. Und die Neuvergabe wurde punktuell daran geknüpft, dass diese Werkstätten danach auf eine Verlängerung dieses befristeten Vertrags verzichten.

Natürlich lässt sich dafür auch eine Begründung finden. So haben aus Toyota-Sicht die Vertragspartner fünf Jahre Zeit, sich an die geänderten Verhältnisse im Kfz-Vertrieb anzupassen und sich um neue Geschäftsfelder umzusehen. Toyota steht es dabei frei, bei Bedarf trotz dieses Händlerverzichtsden einen oder anderen Vertrag zu verlängern. Schließlich weiß derzeit niemand, wie das Werkstättengeschäft in fünf Jahren tatsächlich aussehen wird.

Aus Frankreich vermeldet Maitre Christian Bourgeon die Kündigung der Händler-und Werkstättenverträge von Hyundai. Dies mit dem Ziel, sich bei der Vergabe neuer Werkstättenverträge von den Fesseln des "qualitativ-selektiven Vertriebssystems" zu lösen. Dieses wurde von den Brüsseler Wettbewerbshütern bisher damit begründet, dass alle Hersteller mit ihren Vertriebspartnern im Aftersales-Bereich bei ihrem Marktanteil über 30 Prozent liegen. Das wird von Hyundai nun bestritten. Deshalb stehe es dem Importeur frei, welche der Gekündigten einen neuen Vertrag bekämen -und wer aus dem Netz ausgesondert werde. Was verständlicherweise die Hyundai-Partner auf die Barrikaden getrieben hat. Sie werfen Hyundai einen Missbrauch der Marktmacht vor. Die Koreaner wollen nun den Beweis antreten, dass ihre Partner keinesfalls auf die Umsätze des Hyundai-Services angewiesen sind.

Viele Unsicherheitenüber die Zukunft

Strittig ist, wie diese Marktanteile zu definieren sind. Hyundai will dabei nur die an den Neuwagenverkauf gekoppelten Garantiearbeiten berücksichtigt sehen. Die Händler gehen von allen Ersatzteilumsätzen aus, die mit einem Markenvertrag verbunden sind. Aufgrund der im Vertrag verankerten Abnahmepflichten kommen sie damit mühelos über diese 30-Prozent-Schwelle. Derzeit wird noch verhandelt. Wenn es zu keiner Einigung kommt, landetder Ball bei der Wettbewerbsbehörde. Diese hat bereits angekündigt, diesen Fall einer Überprüfung zu unterziehen.

In Spanien verweigern Kia, Porsche und Opel gekündigten Händlern den Abschluss neuer Werkstättenverträge. Dies laut Händleranwalt Alfredo Briganty mit der Begründung, dass nur "einheitliche Verträge" - gemeinsam für Verkauf und Werkstätte - vorgesehen seien. Überdies könne erst nach Ablauf der Kündigungsfrist beurteilt werden, ob dann tatsächlich alle qualitativen Voraussetzungen für einen neuerlichen Werkstättenvertrag erfüllt seien. Womit der Gekündigte bis zum Schluss der Zweijahresfrist in die Standards zu investieren hätte - und trotzdem nicht weiß, ob er danach noch Vertragspartner sein wird.

Die Händler verlangen, dass ihnen bereits bei der Vertragskündigung eine Option auf einen neuen Werkstättenvertrag eingeräumt wird. Bloß gekoppelt an die Auflage, dann auch tatsächlich alle Vertragsklauseln zu erfüllen. Dagegen legen sich die Hersteller quer. Möglicherweise deshalb, da sie derzeit selbst noch nicht wissen, welche Standards in zwei Jahren noch aktuell sein werden. Noch wird verhandelt, doch scheinen vor allem die Koreaner den freien Zugang zum Werkstättenvertrag aushebeln zu wollen.

Ein anderes Beispiel: Nun wird von Opel in die neuen Werkstättenverträge ausdrücklich die Verpflichtung hineinreklamiert, dass sich die Vertragswerkstätten von jeglicher Neuwagenvermittlung fern zu halten haben. Ein Verstoß gegen diese Klausel habe das fristlose Ende des Servicevertrages zur Folge. Womit diese Vertragspartner schlechter gestellt wärenals all jene, die mit Opel in überhaupt keinem Vertragsverhältnis stehen. Weshalb die meisten Opel-Händler davon ausgehen, dass diese Klausel im Falle einer tatsächlichen Kündigungsbegründung von den Gerichten als unwirksam gekippt wird.

Auch inÖsterreich gibt es vehemente Bestrebungen, die Werkstättennetze zu reduzieren. So hat sich die von der indischen Tata-Gruppe gesteuerte Jaguar Land Rover Austria GmbH geweigert, einen Interessenten trotz der Erfüllung aller Standards zum Jaguar-Servicepartner zu autorisieren. Erst die drohende Anrufung des Kartellgerichts führte zu einem gütlichen Vertragsabschluss. Überdies zeigen einzelne Fälle quer durch alle Marken, dass gekündigte Händler mit ihrem Importeur endlos darum feilschen müssen, auch ihr Werkstättengeschäft abgelöst zu bekommen.

Verzicht muss abgegolten werden

Auf gesetzlicher Ebene war es bisher nicht möglich, bei unverschuldeter Kündigung eines Servicevertrages für den Verlust des Werkstättengeschäftes -und der damit verbundenen Ersatzteilumsätze -einen Ausgleichsanspruch zu erhalten. Umso wichtiger ist es, dass das bisherige qualitativ-selektive System für das Servicegeschäft europaweiterhalten bleibt. Mit dem kartellrechtlichen Anspruch eines Gekündigten, bei Erfüllung aller Standards neuerlich zur Vertragswerkstätte autorisiert zu werden.

Wenn eine Werkstätte dennoch zivilrechtlich endgültig auf diesen Anspruch verzichtet, muss ihr dieser Verzicht abgegolten werden. Nur dadurch bleibt den Autohäusern der Wert ihrer Markenverträge - zumindest teilweise -gesichert. Das ändert nichts an der Tatsache, dass die Hersteller ihre Netze reduzieren werden. Nur müssen sie sich diese Umstrukturierung etwas kosten lassen. Bei den derzeitigen Renditen sollten diese Ausgaben aber problemlos verkraftbar sein.