Wie werden wir in 10, vielleicht 20 Jahren Autos absetzen? Hat der
Schauraum, wie wir ihn heute kennen, noch eine Zukunft? Werden
autonome Autos ganz allein den Weg in die Werkstatt nehmen? Und was
bedeutet das für unsere derzeitigen Abläufe?
Herr A. weiß an diesem Tag schon, was ihn erwartet - und die 20
Jahre, die er früher als Autoverkäufer verbracht hat, kommen ihm da
zugute. Gleich am Morgen, wenn er die Halle des neuen Autohauses
betritt, schaltet sich automatisch der große Bildschirm am anderen
Ende ein. Den mögen die Kunden, wenn sie auf ein Tratscherl
vorbeischauen. Alle paar Minuten ändert sich das Programm: Die
neuesten Modelle von den Autosalons, die längst nur noch gut
zahlenden Gästen zugänglich sind, sieht man da. Aber auch Filme mit
Autos von früher, die den Leuten besonders gefallen: "Erinnerst du
dich noch an den Tesla? Der hat nur 500 Kilometer geschafft!"
Dort, wo früher der Schreibtisch war (und Herr A. erinnert sich noch
an fast jedes Auto, das er dort verkauft hat), steht jetzt eine
bequeme Sitzgarnitur. Fast könnte man meinen, man wäre zu Hause im
Wohnzimmer, doch die kleinen, feschen VR-Brillen auf den kleinen
Nebentischen machen den Eindruck zunichte.Es soll ja noch immer
Leute geben, die Autos im Schauraum virtuell anschauen wollen und
dies nicht zu Hause getan haben! Dann der obligate Blick auf das
Gerät, das auch heute noch fast so aussieht wie die iPads von früher:
Geniale Erfindung, liegt noch immer gut in der Hand. Nur dass man
heute viel mehr damit machen kann! Jeder Kunde kriegt eines in die
Hand gedrückt und weiß beim Auto stets über alle Details Bescheid.
Schon blinkt der erste Termin auf: Ein langjähriger Kunde hat die
Konfiguration des Autos geschickt, das er sich am Abend zu Hause
zusammengestellt hat. Wie gut, dass der Käufer bei einer kniffligen
Frage auch mit Herrn A. chatten konnte: Um 23 Uhr! Aber es hat sich
ausgezahlt, sonst hätte der Konkurrent im Nachbarort das Geschäft
gemacht!
Jetzt will der Kunde wissen, ob er sich das Auto anschauen könne? Ein
freier Termin ist schnell gefunden, auch wenn das "Anschauen" nicht
mehr das ist, was es früher war: Nur noch wirkliche Top-Modelle
stehen real im Schauraum. Da müssen die Händler wenigstens nicht mehr
so viel vorfinanzieren! Stattdessen bittet er den Kunden für den
späteren Nachmittag auf den großen, leicht erreichbaren Platz hinter
dem Einkaufszentrum: In Reih" und Glied stehen sie da, die Autos -in
allen Farben und Ausstattungen. Der Importeur hat ganze Arbeit
geleistet. Gut, dass sich Herr A. früher entschlossen hat, das
Angebot anzunehmen und dass auch die Markenkollegenaus den
Nachbarstädten mitmachen, sonst hätten alle drei den Händlervertrag
verloren. Die Mitbewerber haben es früher versucht -und sind grandios
gescheitert. Dort, wo früher ihre Autohäuser waren, stehen ein
Fitness Center, ein fünfstöckiges Wohnhaus und die
Gemeinschaftsordination der örtlichen Ärzte.
Nur noch einige wenige Händler gehen den traditionellen Weg und
verkaufen die Autos ausschließlich in realen Schauräumen. So lange es
Kunden gibt, die das wollen, werden sie weitermachen.
Schon ploppt der nächste Termin auf: Diesmal ist es das Auto von Frau
S., das zum Service will. Frau S. weiß es natürlich noch nicht, wie
immer. Die wird schön schauen, wenn das autonome Auto auf dem Weg zum
Friseur plötzlich eine andere Route nehmen wird! Da ist der Termin
schon längst reserviert, ein Storno zwecklos: Gut, dass die
Kfz-Techniker alle Umschulungen gemacht haben! Und auch der
Serviceroboter, den der Importeur für teures Geld vorbeigebracht hat
-ja, sonst wäre der Servicevertrag weg gewesen -hat sich nach
anfänglichen Problemen integriert.
Das Beste an diesen Terminen sind aber die Daten, die man den Autos
entlockt: Da braucht man keinen OBD-Stecker mehr wie früher, alles
funktioniert via NFC. Die Datenkraken stehen Schlange und bezahlen
gut: Sie alle wollen wissen, wo Frau S. eingekauft hat, wohin sie von
ihrem Auto am Wochenende chauffiert wurde und auf welchen Homepages
sie während der Fahrt gesurft ist. Frau S. hat früher, als sie das
Auto übernommen hat, zugestimmt, dass die Daten verkauft werden.
Ein einträgliches Geschäft für das Autohaus von Herrn A.: Denn von
der Neuwagenvermittlung könnte er längst nicht mehr leben. Und auch
beim Service ist seit dem Start der Elektroautos nur noch wenig zu
verdienen. Außerdem ist es eine gute Form der Kundenbindung: Die
Leute kommen gern ins Autohaus, um sich die Daten runtersaugen zu
lassen, weil sie von den Schnäppchen-Angeboten der Einkaufszentren
und Urlaubsorte profitieren.
Nun steigt Herr A. ins Internet ein: Social Media ist angesagt. Was
mit Facebook&Co begonnen hat, bedeutet zwar zusätzliche Arbeit,
bindet jedoch vor allem die Stammkunden. Und ganz ehrlich: Was soll
Herr A. denn sonst tun? Stundenlange Verkaufsgespräche wie früher
gibt es ja kaum noch