Nachdem Amazon als E-Commerce-Platzhirsch eine Branche nach der
anderen "aufgemischt" hat, versucht sich der Internet-Gigant aus
Seattle nun auch im Automobilhandel. Dabei stellt sich die Frage, ob
sich das Amazon-Prinzip und damit das Geschäftsmodell des
Online-Handels auch auf den Verkauf erklärungsbedürftiger Produkte
wie Automobile übertragen lässt.
Anders gefragt: Sind insbesondere
Neuwageninteressenten tatsächlich so selbstbestimmt und
vorinformiert, dass sie bereits vor dem Kauf und ohne Probefahrt
genau wissen, welches Fahrzeug in welcher Ausstattung sie wollen, um
dieses dann mehr oder weniger unbesehen online zu bestellen?
Vor diesem Hintergrund haben wir uns im Rahmen einer
Repräsentativstudie bei 275 Automobilhändlern und 1.012 Autokäufern
in Deutschland mit der Frage beschäftigt, wie Automobilhändler und
Autokäufer die Chancen von Amazon im Automobilhandel beurteilen. Der
Automobilhandel zeigt sich besorgt, nachdem bekannt wurde, dass
Amazon in Deutschland bereitsmit einigen Autohäusern bzw.
Importeuren kooperiert. So sieht eine Mehrheit von 52 Prozent der
Automobilhändler Amazon eher als Risiko, weil die Gefahr besteht,
dass der Handel dann zum Fahrzeugauslieferer einer Plattform
"degradiert" wird. Dagegen sehen deutlich geringere 11 Prozent der
Automobilhändler im Einstieg von Amazon als neuem Vertriebskanal eine
Chance. Besonders bedroht vom Internet-Aufsteiger aus Seattle fühlen
sich in Deutschland übrigens Opel- und Ford-Händler. Demgegenüber
zeigen die Kunden laut unserer Studie aktuell ein eher überschaubares
Interesse von 24 Prozent amAutokauf über Amazon. Bei der Frage nach
den Vorteilen eines Automobilkaufs beim Automobilhändler vs. Amazon
nennen sie mit individueller Beratung (30 Prozent), Ansehen und
Testen der Fahrzeuge (22 Prozent) und Vertrauen durch persönlichen
Ansprechpartner (16 Prozent) klare Argumente für den stationären
Automobilhandel. Für Amazon spricht aus Kundensicht neben dem Preis
der schnelle und einfache Kaufprozess. Vor dem Hintergrund dieser
Ergebnisse ist der Automobilhandel gefordert, gezielt an der
Einfachheit seiner Verkaufsprozesse zu arbeiten. Mit anderen Worten:
Automobilhändler mit Zukunft sollten ihren Kunden die Autoanschaffung
so einfach wie möglich machen und alles beseitigen, was den Kauf
verkompliziert.
Was lernen wir noch daraus? Angesichts der Tatsache, dass die
Geschäftsmodelle von Amazon&Co. zwingend darin bestehen (müssen),
Produkte und damit auch Automobile so standardisiert wie möglich
anzubieten, sollten Automobilhändler mit Lust auf Zukunft genau das
selbstbewusst herausstellen und (bereits online) erlebbar machen, was
"Internet Pure Player" nie können: individuelle, aktive und
fachkompetente Beratung,die beim Kunden Vertrauen und das
Bewusstsein aufbaut, dass der Verkäufer genau verstanden hat, was der
Kunde will.
Dazu gehört zwingend eine vom Neuwageninteressenten auch
wahrgenommene Bedarfsanalyse, die mit den Mobilitätsbedürfnissen bzw.
dem Fahrprofil beginnt und dann zu den Fahrzeuganforderungen
übergeht. Daran schließen sich individualisierte
(Erlebnis-)Probefahrten und maßgeschneiderte Fahrzeug-und
Mobilitätsangebote bzw. Monats-Flatrates an. Automobilhändler, denen
es gelingt, den Wert "automobiler Maßanzüge" erlebbar zu machen,
dürfen ihre Kunden auch vor die Wahl stellen: standardisierte
Fahrzeuge mit Preisvorteil oder wahrnehmbar auf den individuellen
Bedarf zugeschnittene Autos bzw. Mobilitätsangebote. Der
Automobilhändler 4.0 bietet beides, Amazon&Co. können nur günstig
und standardisiert.