Prompt fielen die breit veröffentlichten All-Season-Reifentestergebnisse nicht "vernichtend" aus, was die preissensiblen Verbraucher wohl zur Kenntnis nehmen werden. Die Reifenindustrie muss/will mitspielen, weil es die Autohersteller so vorgeben, um ihre Autohaus-Vertriebsstrategie damit zu beflügeln. Grob ausgedrückt, spart sich eine Marke, entweder eine Sommer-oder eine Winterreifengarnitur im Neuwagenverkauf oft als Goodie zu verschenken. Diesem Trend spielt noch dazu das milde Winterklima in die Hände, sodass nur noch in wirklich alpinen Lagen das Reifenwechselgeschäft alter Tradition eine Rolle spielt. Der Ganzjahresreifen hat sein Image gewandelt und wird zunehmend zum Marketinginstrument im Autohandelsgeschäft, speziell bei Leasing- und Flottenfirmen.

Zornige Reaktionen, wenig Aktionen

Beispiel: Die deutsche Point-S-Partnerorganisation, nicht zu vermischen mit der davon unabhängigen österreichischen Point-S, erhält von Continental ab Mitte 2017 einen "Private Brand", um im kleinteiligen Fachhandel ein Argument im Talon zu haben, einen eigenen Ganzjahrespneu anbieten zu können. Wenn das auch für Österreichs Reifenverkauf noch als weniger relevant angesehen wird alsin Deutschland, wächst die Gefahr der Substituierung.

Zornig reagiert der Verband undängstlich fallen die Reaktionen darauf aus. Oder nehmen wir den Cross Climate von Michelin, das ist faktisch ein "Winterreifen", ohne ihn so zu benennen. Der Reifen wird zur Primetime in den TV-Sendern beworben. Continental hievt von Uniroyal dessen Reifen in die All-Season-Kategorie und - zack - ist für dieses Segment ein Premiumprodukt "gebacken". Das alles liest sich für konservative Marktteilnehmer abenteuerlich, kommt aber wie das Amen im Gebet.

Neue Kernkompetenzen

Der Reifen(fach)handel alter Prägung wird sich in 5 Jahren zur "Kfz-Werkstatt mit Kernkompetenz Reifen&Räder" wandeln. Da sich der Reifenhandel untereinander uneins bleibt, spielt die Industrie mit ihnen Katz und Maus, klagen die unter Umsatz- und Ertragsmangel darbenden Familienunternehmen. Wer es nicht schafft, sich gegenüber den Industrieunternehmen herauszuputzen, bekommt Existenzprobleme. Die Autohausschiene bereinigt das Anbieterfeld -siehe neue Kernkompetenzen!

Diese Angstüberwindet jeden Zorn und schon die Branchenvertretungen BRV vulgo VRÖ anerkennen die Entwicklungsschritte des Ganzjahresreifens in der Erstausrüstung und im Ersatzbedarfsgeschäft. Kein halbwegs aufgestellter Reifenproduzent kann darauf mehr verzichten: Goodyear-Fulda-Sava - drei Marken aus einem Konzern! Es wäre auch fatal, denn der organisch rückläufige Automarkt samt allen nachgelagerten und oft politisch motivierten Zwängen sorgt für Rückgänge im Automobilgeschäft.

Da nützt es wenig, wenn Hülzer, Tennant&Co. in ihren Aussendungen gegen die steigende Nachfrage damit ankämpfen, dass die Vorteile der vermeintlichen Alleskönner noch längst nicht bewiesen seien.

Den Takt gibt die Industrie vor, unterstützt vom diesbezüglichen Klimawandel. Die Schneegrenze steigt, der Sommer-und Winterreifenzyklus verliert somit rasch an Bedeutung. Der Umreifungsprozess wird dynamisiert, weil das Reifendruckkontrollsystem (RDKS) für den preissensiblen Autohalter eine zusätzliche Belastung des Geldbeutels bedeutet und die Schnittmenge der Kunden, die sich RDKS- Bestückung leisten, von Saison zu Saison abnimmt.

Also versteigen wir uns in keine Marktanteilsverschiebungen mit Prozentangaben. Es reicht ja schon, dass die Angst den Zorn besiegt und damit der Reifen(fach)handel leider weiterhin der Spielball der Industrie bleibt. Der Trend zu Ganzjahresreifen wird von den Fahrzeugherstellern bestimmt.