Vor tausend Jahren gab es eine heftige Diskussionüber die Legitimität bildlicher Darstellungen von Menschen und Tieren. Das mündete im Bilderverbot des Islam - obwohl im Koran nichts davon zu lesen ist. Denn Mohammed ging es nicht um das Bild an sich, sondern lediglich um dessen unzulässige Verwendung -etwa zur Götzenverehrung.

Eine derartige Diskussion gibt es auch heute -allerdings in geänderter Form. So konnten sich Fachleute schon vor fünf Jahren im Praxistest vom Sinn und Nutzen von DashCams überzeugen: Bei der Rekonstruktion von Verkehrsunfällen und der Klärung strittiger Verschuldensfrage leisten derartige Bildaufzeichnungen den zuständigen Richtern und Verkehrssachverständigen wertvolle Hilfe. Deshalb wurde den damals noch teuren Geräten eine große Zukunft prophezeit. Doch die Kfz-Experten haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht: den Datenschützern.

Gefahr des Datenmissbrauchs

Schon damals boten die getesteten Geräte wesentlich mehr als bloße Videoaufnahmen. Eine zweite integrierte Kamera überwachte den gesamten Fahrzeugfond und den Verkehr aus dem Blickwinkel eines Rückblickspiegels. Per GPS war auch der jeweilige Unfallort genau lokalisierbar. Hochempfindliche Sensoren erfassten Längs-und Querbeschleunigungen sowie Richtungsänderungen -also alles, was ein Sachverständiger mit einer einfachen Software zur Rekonstruktion eines Unfalles eines Einsatzfahrzeuges benötigt.

Was lag daher näher, als diese Geräte der Polizei zu empfehlen? Doch da winkten die Personalvertreter ab. Zu groß sei die Gefahr des Datenmissbrauchs, der Rund-um-die-Uhr-Überwachung der Einsatzfahrzeuge -und ihrer Besatzung. Schon damals war klar: Heikel ist nicht die Datenaufzeichnung, sondern die Datenverwendung.

Der weltweite Einsatz derartiger Geräte und der damit verbundene Preisverfall macht"s möglich, dass sich heute jedermann eine mehr oder minder leistungsfähige DashCam in sein Auto installieren kann. Schon ab 50 Euro ist man bei einfachen Autokameras mit dabei. Selbst ein Smartphone mit Saugnapf und einer passenden App reichen aus,passable bildliche Darstellungen von Menschen im Verkehrsgeschehen zu produzieren. Die Forderung nach einem Bilderverbot kommt heute nicht mehr von orthodoxen Islamisten, sondern von Datenschützern.

In Deutschland forderten sie ein komplettes Verbot derartiger Videoaufzeichnungen, blitzten aber damit ab. Beim bayerischen Verwaltungsgericht in Annsbach hatten sie im Sommer 2014 mehr Glück. Der Senat stellte klar, dass derartige Videoaufnahmen zwar grundsätzlich erlaubt sind, jedoch strengen datenschutzrechtlichen Einschränkungen unterliegen: Die Datenschutzinteressen der heimlich Gefilmten seien höher zu bewerten als das Interesse von Autofahrern an einem Videobeweis für denFall eines Unfalls.

Aufnahmen erlaubt, Nutzung stößt auf enge Grenzen

Im Dezember 2014 gab es dann erstmals eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zur Interpretation der "Richtlinie zum Schutz personenbezogener Daten". Sie stellte klar, dass ein "von einer Kamera aufgezeichnetes Bild einer Person unter den Begriff der personenbezogenen Daten fällt." Zulässig sind derartige "Videoüberwachungen" nur innerhalb der privaten Sphäre für den privaten Gebrauch. Diese Ausnahme sei eng auszulegen.

Damit stellte der EuGH klar: Aufnahmen im "öffentlichen Raum" - wie etwa mit DashCams -zählen nicht zu "ausschließlich persönlichen oder familiären Tätigkeiten". Dennoch sind sie grundsätzlich erlaubt. Bloß deren Nutzung stößt -zum Schutz von Persönlichkeitsrechten -auf enge Grenzen. Die nationalen Gerichte und Behörden haben beider Verwendung derartiger Videos das Interesse der Verantwortlichen am persönlichen Schutz von Eigentum, Gesundheit und Leben zu berücksichtigen. Das nationale Gericht hat bei Verwendung des Datenmaterials das Beweisinteresse des Betroffenen gegenüber Persönlichkeitsrechten Dritter abzuwägen.Es muss daher zwischen "Gebrauch" und "Missbrauch" derartiger Videos differenzieren.

Zulässig im Sinne des EuGH-Urteils ist, dass ein derartiges Datenmaterial zu Beweissicherungszwecken behördlich beschlagnahmt wird. Allerdings nur, wenn es "zur Verwirklichung berechtigter Interessen" dient. Das ist bei der "Verhütung, Ermittlung und Verfolgung von Straftaten" immer der Fall. Wie weit sind dabei die Persönlichkeitsrechte unbeteiligter Dritter zu berücksichtigen? Auch da schuf der EuGH im Falle einer begründeten Datennutzung Klarheit: "Es muss eine Person nicht über die Verarbeitung ihrer Daten informiert werden, wenn dies unmöglich ist oder unverhältnismäßigen Aufwanderfordert." Daher ist es auch zulässig, dass die Polizei zufällig aufgenommene private DashCam-Videos zur Aufklärung eines Banküberfalls nutzt -wie dies etwa in Berlin der Fall war.

Ein Verbot derartiger Geräte -wie etwa in Nordkorea- kommt somit nicht infrage. Ihr Einsatz ist -zumindest in Österreich -auch nicht auf schöne Landschaftsaufnahmen beschränkt. Schließlich ging es bei deren Entwicklung primär um die Verkehrssicherheit. Die aufgezeichneten Daten können auch zur Widerlegung strittigerVerkehrssünden dienen. Auch eine Meldepflicht derartiger Geräte ist gesetzlich nicht vorgesehen -das wäre beim Einsatz von Smartphones ja auch grotesk. Nicht gedeckt ist jedoch der Einsatz für "private Sheriffs", die damit Jagd auf Verkehrssünder machen möchten.

Zusatzgeschäft für die Kfz-Branche?

Die heimische Polizei hat bisher auf den Einsatz von DashCams verzichtet. Die Rettungsfahrzeuge bevorzugen den Unfalldatenspeicher (UDS) von Kienzle, der zwar mehr Betriebsdaten speichert, aber -wegen der deutschen Diskussionen um den Datenschutz - auf Videoaufzeichnungen verzichtet. Englische Versicherungen gewähren sogar einen Rabatt, wenn eine DashCam installiert wurde. Das könnte auch Österreich -vor allem beim Berufsverkehr -ein Vorbild sein. Ein Zusatzgeschäft für die Kfz-Branche, das sie sich nicht von Datenschützern verderben lassen sollte!