Es ist eine stolze Zahl aus längst vergangenen Zeiten: 2.098.498 Autos liefen im Jahr 1970 in Großbritannien von den Bändern: "Die Insel" war damit hinter den USA, Japan, Deutschland und Frankreich das fünftgrößte Herstellerland der Welt. Ab da ging es bergab bis zum Tiefpunkt in der Wirtschaftskrise von 2009, als nur 1.090.139 Neuwagen die Produktionsstätten im Vereinigten Königreich verließen.

Und heute? Da keimt Hoffnung auf: 2014 wurden immerhin wieder 1.598.879 Autos gebaut. Doch die britische Autoindustrie ist auf Rang 14 abgerutscht,überholt von China, Korea, Indien, Mexiko, Brasilien, Spanien, Kanada, Russland und Thailand.

Und die Zeiten, als Hersteller wie Mini, Rover, Austin, Triumph, Vauxhall und MG den britischen Markt dominierten, sind längst vorbei.

Größte Hersteller sind heute neben Mini (in der Hand von BMW) und Jaguar/Land Rover (unter indischer Führung) die japanischen Unternehmen wie Nissan, Toyota und Honda (genaue Daten siehe Landkarte).

Stolz auf die Aluminiumtechnologie

Dass die Autoindustrie in den kommenden Jahren einen größeren Stellenwert haben soll als in den vergangenen Jahrzehnten, steht fest -und davon konnte sich eine kleine Runde deutschsprachiger Journalisten (darunter "AUTO&Wirtschaft" als einziges Fachmedium ausÖsterreich) vor Kurzem überzeugen. Erste Station: eine der "Perlen" der britischen Autoindustrie, das Werk in Solihull mit 9.400 Beschäftigten. Der Range Rover läuft hier ebenso vom Band wie der Discovery: Es ist vor allem die Aluminiumtechnologie, auf die der Hersteller stolz ist. 420 Kilogrammbetrug die Gewichtsersparnis des aktuellen Range Rover im Vergleich zu seinem Vorgänger. Zahlen, die sich auch in der Treibstoffersparnis (bis zu 25 Prozent) niederschlagen -in Zeiten der strengen CO 2-Vorgaben ein besonders wichtiges Argument. Auch wenn das Werk -deutlich sichtbar -an seine Grenzen stößt, wird eifrig erweitert: Seit April wird hier auch der Jaguar XE gebaut, natürlich ebenfalls mit Alu-Technik.

Andere Werke sind weit weniger bekannt: Oder haben Sie je von Penso gehört? Hier, in Coventry -dem traditionellen Zentrum der englischen Autoindustrie -fertigt man nicht nur Leichtgewichtsteile für diverse Kunden in der Autoindustrie, sondern baut auch den Mercedes Vito um. Er erhält eine lenkbare Hinterachse, sodass er die strengen Wendekreisbestimmungen erfüllt und in London als Taxi eingesetzt werden kann. 3.000 Stück wurden bereits ausgeliefert.

Ohne Forschung geht es nicht

Die Forschung darf natürlich auch nicht fehlen: Eines der Zentren ist die University of Warwick. Prof. Dave Greenwood sucht -wie viele andere -nach dem idealen Weg, die Kapazität von Batterien in Elektroautos zu verbessern. Gemeinsam mit der Industrie wird auch an der nächsten Generation von Alu-Komponenten geforscht,auch wenn man sie derzeit noch nicht in großer Menge produzieren kann. Bis Ende 2016 wird nebenan ein weiteres Research Center gebaut, um zusätzliche Möglichkeiten zu schaffen.

Kameras abgeben, Handys versiegeln: Wer den MIRA Technology Park besucht, muss einige Regeln beachten: Schließlich fahren hier, eine Fahrstunde nördlich von Coventry, angeblich auch Prototypen von Autoherstellern umher (gesehen haben wir aber keine). Wichtigstes Ziel von Geschäftsführer Terry Spall: zusätzlich zu den 30 Unternehmen, die (wie etwa Bosch) hier bereits angesiedelt sind, weitere Zulieferer anzulocken. Ursprünglich von der Regierung gegründet, finanziert man sich nun selbst: durch Forschung und Entwicklung (auch von fahrerlosen Autos für das Militär in Afghanistan) und durch ein Testzentrum (mit 3 Windkanälen und Teststrecke). Auch hier wird erweitert: Bis 2021 soll der größteTechnologiepark für Kfz in Europa mit 2.000 Arbeitsplätzen entstehen. Hoffentlich schafft man es, bis dahin auch ein funktionierendes Handynetz zu schaffen!

"Zulieferindustrie zurück ins Land bringen"

Dass die Aussichten für Zulieferer enorm sind, weiß auch Lawrence Davies von der Hersteller-und Händlervereinigung SMMT. 770.000 Jobs hängen in Großbritannien von der Autoindustrie ab. "Unser Job ist es, die Zulieferindustrie zurückzubringen", sagt er unumwunden. Dies soll unter anderem durch geringere Lohnkostengelingen: Laut SMMT liegen sie in Frankreich bei 36,7 Euro pro Stunde, in Deutschland bei 35,4 Euro, in Großbritannien bei 23,4 Euro.

Es gibt sogar eine genaue Liste, was die britischen Autohersteller gerne bei ortsnahen Zulieferern kaufen würden: Komponenten für Motoren, Sitze, Glas,

Licht oder Steuerungssysteme, um nur einige zu nennen. Denn schließlich sind die Transportkosten aus Kontinentaleuropa sehr hoch, von den zeitlichen Vorteilen gar nicht zu reden. Zusätzliche Umsätze bis zu 4 Milliarden Euro, so die Studie, könnten die Zulieferer pro Jahr in England lukrieren.

Die Briten winken auch mit niedrigen Steuersätzen von 18,4 Prozent, während in Deutschland 24,4 und in Frankreich sogar 29,8 Prozent fällig sind.

Möglicher EU-Austritt als größtes Problem

Mit diesem Hintergrund ist das Ziel durchaus verständlich: Ab 2018 will man auf der Insel wieder mehr als 2 Millionen Autos pro Jahr produzieren. So viele wie fast 50 Jahre zuvor ...

Nurüber einen Aspekt will man in Großbritannien lieber nicht reden: Was passiert, wenn die Volksabstimmung für das Jahr 2017 angesetzt wird und das Land -wie oft diskutiert -aus der EU austritt? Das würde den Export massiv erschweren und alle Bemühungen wären wohl Makulatur!