Wie in keinem anderen Bereich zeigen sich in der Praxis teilweise kuriose Auslegungen des spärlichen Gesetzestextes,die wie immer mit der grundsätzlichen Idee nichts zu tun haben und in (pseudo-)juristischen Spitzfindigkeiten gipfeln.

Die Grundidee liegt darin, Erprobungen von Fahrzeugen, deren Betriebszustand nicht völlig klar ist, durch sachkundige Personen überprüfen zu lassen und dafür einen entsprechenden Versicherungsschutz sicherzustellen. Nun beginnt aber -wie bei einem 48 Jahre alten und den politischen Wünschen ausgesetzten Text ganz normal -die Aufzählung der Ausnahmen. Als Probefahrten gelten auch Überführungen im Geschäftsbetrieb, Überführungen durch Käufer, Fahrten zu Begutachtung oder Überprüfung sowie das Überlassen von Fahrzeugen an Kaufinteressenten für 72 Stunden. Den Rest zum "auch" hat die Praxis in Verbindung mit der Exekution durch die lokalen Behörden gemacht und sosehen wir uns einem Wirrwarr an "geht und geht nicht" gegenüber.

Die Erteilung der Berechtigung zum Führen von Probefahrtkennzeichen ist im Wesentlichen auf Betriebe beschränkt, die Fahrzeuge erzeugen oder instand setzen, Handel betreiben, gewerbsmäßig befördern, Instandsetzung und Prüfung im öffentlichen Interesse betreiben sowie auch auf Servicestationen und Reinigungsbetriebe. Einzelpersonen, die auch im öffentlichen Auftrag von Gerichten Fahrzeuge prüfen wie Sachverständige, fallen hier unter den Rost. Ein weiteres wichtiges Thema in diesem Zusammenhang, welches unerwähnt bleibt, ist eine der Aufgabe entsprechende Qualifikation. Prinzipiell müssen Kfz mit blauem Kennzeichen kein gültiges Pickerl haben, wobei in diesem Falle aber der Lenker entsprechende Kenntnisse mitbringen sollte.

Die im Normalfall großzügige Handhabung der Bestimmungen und die Analogien hinsichtlich zeitlicher Beschränkungen haben eine häufige Verwendung bei Oldtimern nach sich gezogen. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es keine eigenen Oldtimerkennzeichen, welche für Sammler die Möglichkeit bieten, unterschiedliche Fahrzeuge (sind ja auch nicht ständig fahrbereit) in einem begrenzten Zeitraum einzusetzen. EU-Kennzeichen erfreuen sich bei wahren Oldtimerfans höchst geringer Beliebtheit: Wer sich kein schwarzes Taferl retten konnte, sieht im blauen eher eine Verbindung zur Vergangenheit.

Angesichts der breiten Auslegungsmöglichkeiten der Verwendung hat sich die Exekutive auf jene Bereiche zurückgezogen, die klar beschrieben und einfach zu kontrollieren sind. Probefahrtschein, Fahrtenbuch und Fahrauftrag werden hinsichtlich der eingetragenen Daten penibel kontrolliert, was sogar so weit geht, dass Fahrzeuge mit blauem Kennzeichen auch auf nicht abgeschranktem Privatgrund das Hinterlegen der Bescheinigung hinter der Windschutzscheibe benötigen. Die zuständigen Amtsschimmel legen das als Fahrtunterbrechung aus. Sowie es sich für ein Gesetz vom historischen Wert des KFG gehört, unterliegt diese Bescheinigungaber wenigstens keiner Stempelgebühr (!).

Über die recht unterschiedliche Handhabung und Anerkennung im Ausland existiert eine Liste auf der Homepage des BMVIT, wobei die Wirtschaftkammer hinsichtlich der Details sicher besser informiert ist. Unsere Nachbarländer geben sich nicht sehr kulant, Ungarn erkennt die blauen Tafeln überhaupt nicht an. Offensichtlich werden hier unerwünschte Importe von Altfahrzeugen befürchtet.

Der Wirtschaftskammer kann man den Rat geben, neben den Anforderungen der Reparatur und der Handelsbetriebe die heute gängigen Anwendungen vor allem im Bereich des Sachverständigen-und Oldtimerwesens nicht außer Acht zu lassen und dafür ebenfalls Vorschläge für gesetzliche Formulierungen zu machen. Für Anregungen und Fragen ist bei der WKO Wien Dipl.oec. Andreas Westermeyer zuständig.