Die Pool-Zahlen sprechen für das Jahr 2013 ein ziemlich klares Bild: Erneut gab es dramatische Rückgänge. Wie schon im Vorjahr verweisen die Hersteller auf hohe Lagerstände, die eine vernünftige Nachfrage haben vermissen lassen. Für heuer ist der Optimismus groß, geleerte Lager beim Großhändler sollen bereits positive Auswirkungen haben und einen erfreulichen Geschäftsverlauf mit sich bringen, das habe sich bereits in den letzten Monaten gezeigt. Das ist erfreulich und tut der Branche gut, ob man die Stückzahlen der Jahre vor den Rückgängen erreicht, ist mehr als fraglich.

Umbruch ist Realität

Die Wahrheit ist hingegen der vielzitierte Umbruch in der Branche,über den wir schon seit Längerem berichten. Und damit ein Rückgang des klassischen Marktes. Die Neuwagenverkäufe sind in Wirklichkeit mehr als schleppend, der vermeintliche Höhenflug der letzten Jahre kommt von Kurzzulassungen, die teilweise gar nicht in Österreich bleiben. Oder es betrifft Kleinwagen, die günstigst über bisherige Nicht-oder Wenigfahrer in den Markt gepresst werden. Selbst wenn diese Fahrzeuge überhaupt im Winter gefahren werden, bekommen sie die Winterreifen ohnehin dazugeschenkt. So viel also zum fehlenden Nachschub über den Neuwagen. Beim wachsenden Markt der Firmenfahrzeuge inklusive Full-Service-Leasing ist vielleicht Volumen zu machen, aber kaum Geld zu verdienen.

Wenig anspruchsvolle Kunden

Letztlich sind Kilometerleistungen generell sinkend und die Qualität der Winterreifen ist so gut geworden, dass es für wenig anspruchsvolle Autofahrer weder verschleißseitig noch komfortmäßig ein großes Problem darstellt, den Sommer damit durchzufahren. Diese "wenig anspruchsvollen" Kunden sind das eigentliche Problem von Auto-und Reifenhandel. Denn wie in allen sozialen und wirtschaftlichen Bereichen geht die Schere zwischen Arm und Reich, zwischen Premium-/Emotionskäufern und Smart-/Clevershoppern weiter auseinander. Dabei muss es gar nicht die finanzielle Begrenzung sein. Es wächst eine Generation heran, die entweder gar keinen Führerschein besitzt oder eben keinen Wert auf Marke und Image beim Auto legt. Diese Leute tun das dafür beim Handy, beim Wohnen, beim Hobby,

Dazu noch ein Beispiel aus dem Autohandel: Nicht jeder Dacia-Kunde fährt diese Marke, weil er sich nicht MEHR ein Auto leisten kann, sondern weil er es sich nicht mehr leisten WILL. Und dieses Auseinanderdriften passiert auch beim Reifenhandel. Einerseits die Gruppe, die es nicht billig genug bekommen kann und wo Image, Marke und Emotion gleichgültig sind. Auf deranderen Seite der emotionale Autobesitzer, der mit Sportlichkeit, Sicherheit oder Sparsamkeit zu beeindrucken ist.

Emotionale Kunden als Chance

Denn das ist die gute Nachricht: Der andere Teil der Schere ist der erfreuliche Kunde für die Branche.

Auch wenn der Reifen als Low-Interest-Produkt gilt: Jeder emotionale Autokäufer ist am Reifen interessiert. Oder man kann ihn dafür interessieren.

Es hat einen guten Grund, warum viele Reifenhersteller verstärkt in Richtung Premium und individueller Qualität gehen: Ein besonderer Reifen, speziell auf ein Fahrzeug abgestimmt, ist dem Autofahrer, der sein Auto liebt, auch etwas wert.

Und das trifft nicht nur auf Supersportwagen zu, sondern auf das wachsende Segment der kleinen und kompakten SUVs vom Opel Mokka bis zum Range Rover Evoque. Das substanzielle Wachstum dieser Fahrzeugkategorie ist auch ein Wachstumspotenzial für den Reifenhandel. Diese SUVs haben besondere Anforderungen an die Reifen.

Preisvergleich im Internet

Eines muss freilich auch bei jenem Kunden klar sein, der Wert auf Qualität und Beratung legt: In Zeiten des Internets ist der beste Preis für jeden ein Gebot der Stunde. Selbst wenn es nur darum geht, sich am Stammtisch nicht zu blamieren. Hier geht es aber nicht darum, ein billiges Produkt zu kaufen, sondern das gewünschte, auch hochpreisige Produkt zum vergleichsweise günstigsten Preis zu erstehen. Die meisten Kunden haben hier einen gewissen Spielraum, was ihnen persönliche Beratung, Betreuung und Vor-Ort-Kauf wert sind. Die Frage ist lediglich, wie groß dieser Spielraum ist, wie viel der Kunde bereit ist, für diesen Service zu bezahlen. Dennoch wird sich auch die Reifenbranche mit dem Thema Beratungsdiebstahl (Beratung beim Händler, danach Kauf im Internet) verstärkt auseinander setzen müssen.

Wie schon immer wieder in REIFEN&Wirtschaft erklärt: Ohne Kooperationen, ohne Einkaufsnetzwerk bzw. ausreichende Stückzahl ist es schwer, den Spagat zwischen umfangreichem Angebot, kostengünstiger Lagerhaltung und umfangreichem Fachwissen zu schaffen. Der beschriebene Emotionskäufer möchte fachlich und persönlich perfekt betreut werden.

Chance RDKS

Apropos Fachwissen: Hier tut sich wieder einmal ein Problem als Chance auf. Das Thema Reifendruckkontrolle (RDKS) wird in nächster Zeit die Spezialisten von den Trittbrettfahrern trennen. Nichts ist lästiger als ständige Fehlermeldungen von diesem System. Und der Kunde wird sehr bald zu jenem Partner gehen, der ihm das System nachhaltig funktionierend einbauen kann. (GEW)