Wenn es um Auslandsbeteiligungen geht, ist China wählerischer, als so mancher Beobachter glauben mag: Doch die Pekinger Zentralregierung hat aus dem SsangYong-Beteiligungsdebakel durch SAIC (Shanghai Automotive Industry Group) gelernt. Daher erhielt vor einiger Zeit die Tengzhou Heavy Industrial Machinery Group aus der Provinz Sichuan eine Absage,als sie die GM-Konzernmarke Hummer erwerben wollte. Zu riskant erschien das Geschäft.

Geplatzte Hochzeit

Weniger nachvollziehbar ist die jüngst gefallene Entscheidung von Beijing, der Hawtai Motor Group die Beteiligung an Saab zu untersagen. Im Unterschied zu Tengzhou verfügt Hawtai, obzwar gleich groß, nämlich über eine erfolgreiche Autoproduktion: Hawtai Motor fertigt seit 2001 Allradfahrzeuge und bietet neben einer Limousine in der gehobenen Mittelklasse (B11/B21) und dem -hart am Vorbild Porsche orientierten -SUV Boliger (B35) seit Jahren Hyundai-Lizenzmodelle wie den SUV Terracan und Santa Fe an. 2010 hat der Autobauer aus der Stadt Rongcheng in der Provinz Shandong 81.439 Pkws verkauft und damit 28 Millionen Euro erwirtschaftet. Im Hawtai-Zulieferpark werden inzwischen auch schon Pkw-Dieselaggregate mit in den Hubraumklassen 1,5 Liter, 2 Liter, 2,5 Liter und 2,8 Liter (allesamt Euro-4-tauglich) und ein V6-Commonrail-Diesel mit 550 Nm Drehmoment und 185 kW Leistung (Euro 5) montiert. Dennoch hat der Autoregulatorden schon unterzeichneten Deal über eine 120-Millionen-Euro Finanzspritze für eine dreißigprozentige Saab-Beteiligung vom Tisch gewischt. Dabei wäre die Allianz zwischen Spyker und Hawtai für den smarten Chairman Zhang Xiugen überaus attraktiv gewesen: Zugriff auf moderne Technologie sowie auf das Vertriebsnetz von Saab in Europa.

Interessent im Hintergrund

Genau Letzteres ist der Grund, warum auch der erfolgreiche SUV-Hersteller Great Wall Motors (GWM) im Hintergrund schon länger Gespräche mit Spyker führt und diese bis dato auch nicht beendet wurden. GWM ist ein aufstrebender Autobauer mit Firmensitz in der Stadt Baoding (Provinz Hebei), der sich konsequent als internationaler Markenhersteller positioniert und inzwischen auf legalem Wege auch modernste Allradtechnologie aus Österreich einkauft. Der Auftritt auf der Shanghaier Autoshow war beeindruckend: Europäische Händler wurden auf das Podium gebeten, um über die Qualität der Marke und die Kundenzufriedenheit zu berichten. Kein anderer chinesischer Autobauer gab so eindringlich ein Bekenntnis zu den Überseemärkten ab.

Das SUV Hover X240 verkauft sich inzwischen sehr gut in Australien und Neuseeland, auch der italienische Importeur ist mit der Geschäftsentwicklung sehr zufrieden. Sollte es GWM tatsächlich gelingen, im Rennen um Saab/Spyker als Erster durch die Ziellinie zu preschen, würden einige nominierte Importeure aus dem deutschen Sprachraum lange Gesichter machen: Zu groß wäre die Verlockung, das bestehende Händlernetz von Saab durch die SUV-und Pick-up-Modelle von GWM harmonisch zu ergänzen. Aber auch Great Wall kann die Rechnung nicht ohne den Wirt machen und benötigt grünes Licht aus Beijing.

Momentaner Favorit

Der in jeder Hinsicht jüngste Brautwerber ist Pangda Automobile Trading, ein Mehrmarken-Autohaus aus der Stadt Tangshan in der Nähe von Beijing. Das Unternehmen ist erst seit Kurzem aktiv, handelt mit zahlreichen Pkw-Marken wie Audi, Honda, Mercedes, Toyota und Volkswagen über eigenständige Händler und betreibt ein Netz von mehr als 1.100 Vertriebsstandorten. Sollte der Vertrag zwischen Pangda und Spyker tatsächlich zustande kommen, hätte das den Vorteil, dass die chinesische Regierung vordergründig nicht involviert wäre. Einige Punkte unterliegen aber dennoch einer staatlichen Genehmigung, unter anderem die Kapitalbeteiligung und die Zusammensetzung des zukünftigen Managements. Überdies müssten auch die Europäische Investitionsbank und die schwedischen Aufsichtsbehörden diesem Vertrag zustimmen.

Die Pangda-Gruppe hat 2010 insgesamt 470.000 Pkws in China verkauft und Saab erhofft sichüber dieses Vertriebsnetz ein starkes Wachstum im größten Automobilmarkt der Welt. Allerdings gibt es auch in China kritische Stimmen: Beispielsweise ist Pangda ein sehr junges Unternehmen im Automobilgeschäft und verfügt über Erfahrung in der Fahrzeugproduktion. Wo liegt -so fragen sich auchchinesische Automanager -mittelfristig der finanzielle Vorteil? Die in China eingeführten internationalen Automarken sind besser positioniert in einem in die Sättigungsphase eintretenden Markt -noch dazu, da der Verdrängungswettbewerb im mittleren Fahrzeugsegment am härtesten ist.

Weitere Fragezeichen

Pangda wird -sollte das Unternehmen grünes Licht aus Peking bekommen -automatisch in Konkurrenz mit dem staatlichen Autobauer Beijing Automotive Industry Group (BAIC) treten. Dieser hat 2009 die Technologierechte an der Plattform des alten Saab 9-5 erworben und wird mit seiner Eigenmarke den Saab-Importmodellen ab dem Jahreswechsel 2011/12 Konkurrenz machen.

Nicht zu vergessen auch der Umstand, dass bei Saab Marke und Technologie nicht mehr den gleichen Wert haben wie noch vor 10 Jahren. Nach dem Ausstieg von GM wurden die Investitionsbudgets in Schweden drastisch gekürzt und die Entwicklung innovativer Technologien gebremst. Zudem ist in China bekannt, das Saab nicht nur an den Folgen der Finanzkrise leidet, sondern auch durch Managementfehler und falsche technologische Weichenstellungen zurückgefallen ist. Auch im Reich der Mitte verkauft sich ein Auto der Schwedenmarke heute wesentlich schwerer als noch vor ein paar Jahren.

Strategiewandel nötig

Was also, wenn Pangda nicht zum Zug kommt und doch der Staatskonzern BAIC einen "großen Sprung nach vorn" macht, indem er letztendlich die ganze Saab-Gruppe übernimmt? Durchaus der chinesischen Geschäftsmentalität entsprechend, ist es auch denkbar, dass BAIC nur einen Konkurs abwartet, um sich dann kostengünstig bewährte Technologie einzuverleiben.

Wenn Saab auf dem globalen Automarktüberleben möchte, dann ist mehr zu tun als die Zuführung einer kurzfristigen Kapitalspritze zur Aufrechterhaltung der Produktion. Ein neues, erfahrenes Management mit starken Führungspersönlichkeiten ist gefragt. Eine ausreichende Sicherstellung an Liquidität, generiert aus dem Vertrieb von attraktiven Fahrzeugmodellen ist ebenso notwendig wie eine klare Strategie für die Wachstumsmärkte in Südostasien. Gelingt all dies nicht, dann erinnert das ganze Spektakel an Altbekanntes: Die letzten Tage der britischen Marken Rover und MG waren mit der gleichen Dramatik gekennzeichnet wie das Schicksal von Saab im Frühjahr 2011.