Ein neues Urteil scheint die Fahrzeugverwertungüber Wrackbörsen zu
bestätigen. Bei näherem Hinsehen zeigen sich aber einige
Auffälligkeiten.
Für den Versicherungsverband ist es die "endgültige Klarheit": Das
Oberlandesgericht Innsbruck hat die Berufung des klagenden
Transportunternehmers Wolfgang Zobl, der ein havariertes
Betonmischfahrzeug zum einem niedrigeren Preis selbst erwerben und
ausschlachten wollte, anstatt es an den ausländischen Höchstbieter in
einer Wrackbörse zu verkaufen, abgelehnt (3R147/10g). Doch handelt es
sich tatsächlich um eine Entscheidung mit Vorbildwirkung?
"Vertrauter Händler" bevorzugt
Zum rechtlichen Hintergrund: Wird ein Unfallwrack nicht repariert,
bekommt der Geschädigte nicht die -fiktiven -Reparaturkosten ersetzt,
sondern bloß den -niedrigeren -"objektiven Minderwert". Dabei handelt
es sich um die Differenz zwischen den Werten des Autos vor und nach
dem Unfall. Nach den Rechtsgrundsätzen des Obersten Gerichtshofes ist
bei der Höhe des Wertersatzes "in der Regel auf den gemeinen Wert
abzustellen, den die beschädigte Sache am Wohnort des Geschädigten
hat"(2Ob249/08v).
Für einen Franzosen, der im Urlaub mit seinem Citroën in Österreich
einen Unfall erleidet, gilt nicht der in Österreich erzielbare
Wrackwert, sondern der französische. Er muss sich auch nicht mit
irgendwelchen Werten aus diversen Wrackbörsen zufrieden geben. "Dies
gilt grundsätzlich auch dann,wenn der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug
ankauft. Die Inzahlunggabe des Wracks beim vertrauten
Kraftfahrzeughändler ist die einfachste Verwertung", zitiert das
Oberlandesgericht die einschlägigen Rechtsansichten. Ausnahmen seien
zulässig, wenn dies im Einzelfall "aus der Sicht des Geschädigtenebenfalls zu einem sachgerechten Ergebnis führt". Außerdem
werde"herrschend der Standpunkt vertreten, dass zumindest dann die
Veräußerung an einen überregionalen Wrackkäufer zumutbar sei, wenn
sie für den Geschädigten keine zusätzliche Belastung mit sich
bringe", legal sei und der Geschädigte überhaupt "nur zugreifen"
müsse.
Eigener Schritt nach Deutschland
Bei seinem Betonmischer wollte Zobl vom grenznahen deutschen
Sachverständigenbüro Schorer&Wolf die Reparaturkosten wissen. Dieses
stellte das Wrack gleich in der Restwertbörse www.autoonline.de ein.
Der Osnabrücker Hassles Nutzfahrzeuge GmbH war es aufgrund der
niedrigen Sachverständigen-Kostenschätzung 18.000 Euro wert. Die
Wiener Städtische taxierte das Wrack "grob geschätzt " auf 10.000
Euro, in Österreich fand sich auf www.wrackbörse .at aber lediglich
ein Käufer um 5.340 Euro. Um diesen Preis erwarb eine von Zobls
Firmen bei Reparaturkosten von 52.642,65 Euro brutto das Wrack, um es
anschließend auszuschlachten. Bei der Totalschadenabrechnung musste
sich der Unternehmer aber dennoch die 18.000 Euro anrechnen lassen.
Die Wiener Städtische als beklagte Versicherung wandte nämlich eine
"Verletzung der Schadensminderungspflicht" ein. Die Klägerin habe
"die Schadensabwicklung unter Einbeziehung des deutschen Wrackmarktes
selbst kanalisiert". Wenn sie nun nachträglich lediglich den
wesentlich geringeren Wert der österreichischen Wrackbörsefür die
Schadensabrechnung reklamiere, verstoße sie gegen Treu und Glauben.
Dem haben sich die Tiroler Richter angeschlossen: Der Geschädigten
sei ein höherer Erlös "quasi auf dem Silbertablett" präsentiert
worden.
Keine Rechtssicherheit
"Wir sehen diese Entscheidung als weitere Bestätigung, dass die
Restwertermittlung im Totalschadensfall über das Medium Internet
nicht nur modern, sondern auch sachgerecht und rechtlich zulässig
ist", sagt Dr. Erik Eybl, Vorsitzender des Schadenausschusses im
Versicherungsverband. Friedrich Nagl, Bundesinnungsmeister der
Kfz-Techniker, spricht dagegen von einem Einzelfall: "Mit dem
typischen Alltagsschaden hat das nichts zu tun. Wrackbörsen sind nach
wie vor nicht für seriöse Angebote heranzuziehen."
Dem unvoreingenommenen Beobachter zeigt die reichlich verworrene
Vorgeschichte dieser Entscheidung vor allem eines: Von
Rechtssicherheit rund um die umstrittenen
"Restwertermittlungsplattformen", wie die Wrackbörsen von manchen
Versicherungen euphemistisch genannt werden, kann nach wie vor nicht
die Rede sein.