Diese altgermanische Rechtsregel scheint aus der Mode gekommen zu
sein. Im Englisch-Wörterbuch findet sich dazu die Übersetzung "a
promise is a promise": Ein Versprechen ist ein Versprechen, auch wenn
es "nur" mündlich gegeben wurde.
Heute findet sich dieser alte
Vertrauensgrundsatz nur noch als Albumtitel eines arabischen Rappers
aus Berlin.
Sitten und Gebräuche haben sich auch im Autohandel geändert. Ein
Händlervertrag benötigte vor zwanzig Jahren vier Seiten, der Rest
wurde mündlich geregelt. Heute findet kein Hersteller, kein Importeur
mit fünfzig Seiten das Auslangen. "Denn was man schwarz auf weiß
besitzt, kann man getrost nach Hause tragen": Dieser Ratschlag, den
Goethe Mephisto geben ließ, dominiert das gesamte Zusammenleben der
Konzerne und ihrer Vasallen.
Selbstverständlich gilt auch weiterhin das Allgemeine bürgerliche
Gesetzbuch mit seiner Vertragsfreiheit und einer weitgehenden
Formfreiheit des Vertragsabschlusses. "Pacta sunt servanda" : Dieses
grundlegende Prinzip der Vertragstreue besagt, dass auch formlose
mündliche Verträge bindend sind. Die Händler sind jedoch gut beraten,
sich auf dieses Gebot von "Treu und Glauben" nicht zu verlassen.
Gebrochene Versprechen gehören zum Geschäftsalltag. Vor allem, wenn
diese nicht schriftlich dokumentiert sind.
Ich erinnere mich an einen niederösterreichischen Händler, dem ein
Peugeot-Vertrag versprochen wurde. Bei dem schon die gesamte mit
Peugeot besprochene Planung und Finanzierung eines neuen Autohauses
fertig war. Dem danach lapidar mitgeteilt wurde, dass er keinen
Vertrag bekommt, weil sich der etablierte Händler doch noch
entschlossen hatte, die Investitionswünsche seines Importeurs zu
erfüllen.
Ich erinnere mich an einen Wiener Motorradhändler, dem vom
japanischen Importeur das Verkaufsgebiet Favoriten fix zugesagt
worden war. Der dafür schon Verkaufsräume angemietet hatte. Der für
die Belieferung bereits den geforderten Einziehungsauftrag bei der
BAWAG unterschrieben hatte. Der auf all dem sitzen geblieben ist,
weil der Platzhirsch dem Importeur geraten hat, ihm keinen
Konkurrenten vor die Tür zu setzen.
Ich erinnere mich an einen Salzburger Händler, dem erst kürzlich ein
Seat-Vertrag angeboten wurde. Der dafür schon alles vorbereitet
hatte. Bis sich der Importeur an diese Zusage nicht mehr erinnern
konnte, da der Porsche-eigene Betrieb doch noch den von Seat
geforderten Ausbau vornahm.
Ich erinnere mich an all jene Bonifikationsund Werbekostenzusagen,
auf deren Erfüllung so manche Händler bis heute vergeblich warten,
und an Baukostenzuschüsse, die trotz verbindlicher Zusage der
Geschäftsführung des Importeurs nie ausbezahlt wurden. Derartige
nicht erfüllte Versprechen haben manchen Händler an den Rand des
Ruins -oder in den Ruin -getrieben.
In der Praxis gibt es dutzende Gründe, warum bindende Zusagen vom
Importeur nicht eingehalten wurden. Manchmal waren es vollmundige
Versprechen, die mehr kosteten, als im Budget dafür vorgesehen war.
Oft waren es Strategieänderungen der Konzernzentralen, auf welche die
lokalen Statthalter keinen Einfluss hatten. Meist wurde vonden
Händlern auf eine gerichtliche Durchfechtung der Ansprüche
verzichtet, da sie über keine schriftliche Dokumentation ihrer
Vereinbarungen verfügten.
Doch der düpierte Händler ist beweispflichtig: Um Erinnerungslücken
auf Importeursseite zu vermeiden, sollten daher alle mündlichen
Versprechen in irgendeiner Form schriftlich dokumentiert werden. Am
einfachsten durch ein kurzes Mail an den jeweiligen Gesprächspartner,
in dem sich der Händler artig fürdas konstruktive Klima bedankt, den
Inhalt fixiert und vermeidet, dass eine vermeintliche Zusage bloß auf
einem Missverständnis beruht. In diesem Fall besteht für die andere
Seite nämlich die Pflicht, derartige Auffassungsunterschiede umgehend
aufzuklären. Gleichzeitig wird sichergestellt, dass der Händler mit
einem solchen Schreiben auch nachfolgende Geschäftsführungen an die
Zusagen längst wieder abberufener Vorgänger erinnern kann -darauf
hoffend, dass diese "nach Treu und Glauben" die Zusagen erfüllen.