Es drängt sich die Frage auf, ob der Verkehrsablauf heutigen Ausmaßes wegen oder trotz der STVO eigentlich dochganz gut funktioniert. Jedenfalls steht zum 23. Mal eine Novellierung vor der Tür, die Begutachtungsfrist ist zu Ende.

Die wirklichen Probleme werden auch mit dieser Novelle nicht gelöst. Diese liegen in unvollständigen technischen Bestimmungen, die zu einer Flut von Parallelnormen geführt haben und Scharen von Juristen und Amtssachverständigen darüber rätseln lassen, was an technischer Straßenausrüstung verboten ist, sein darf oder sein muss. Normen haben keinen gesetzlich verbindlichen Charakter und sind dem Normalbürger schwer zugänglich.

Viele gar nicht kleine Risiken schlummern in technisch falsch ausgestatteter Straßeninfrastruktur. Wer schützt uns vor gefährlichen Leitschienen, die ganze Fahrzeuge durchbohren? Oder vor nicht vorhandener Straßenbeleuchtung, die Menschen zu Tode kommen lässt? Das wäre auch eine der zentralen Aufgaben der STVO, doch werden die dafür bestehenden juristischen Möglichkeitennicht ausgenützt.

Stattdessen wird versucht,über kleine Änderungen mit allgemeiner Akzeptanz politische Anerkennung zu bekommen. Wer sollte schon dagegen sein, Kinder unter 10 Jahren mit Radhelmen auszurüsten? Wie diese Helme technisch auszustatten wären, gar eine Genehmigungspflicht ist nicht vorgesehen. Hinzu kommt, dass Kinder in diesem Alter meist gar nicht im öffentlichen Verkehr unterwegs sind.

Radverkehr ist jung, dynamisch und modern. Radverkehr ist umweltfreundlich, Radverkehr ist in. Was liegt näher, als endlich eigene Radverkehrsstraßen (ähnlich Fußgängerzonen) und -besonders wichtig -neue Verkehrszeichen zu schaffen? Radverkehrsstraßen haben den bedeutenden Vorteil, dass Ausnahmegenehmigungen für das Befahren und Begehen durch andere Verkehrsteilnehmer die Not leidende Bürokratieunterstützen werden. Es gibt nun Radfahrstraßen und Radwege mit und ohne Benützungspflicht, dazu kommen kombinierte Geh-und Radwege, Radfahrstreifen, Mehrzweckfahrstreifen und Radfahrerüberfahrten sowie besondere Ausnahmebestimmungen für Rennräder, Fahrradanhänger und so weiter. Viele der Ideen mögen touristische Motive zugrunde liegen haben. Fragt sich nur, ob ausländische Touristen die Bedeutung der Zeichen und Markierungen überhaupt erahnen können.

Auch für andere Verkehrsteilnehmer wird Bedeutendes geschehen: So wird es möglich sein, mittels gelber Markierung am Straßenrand Halte-und Parkverbote anzuzeigen. Wie weit damit die Kreativität von Privatpersonen zur Schaffung eigener Parkmöglichkeiten (Pinsel und Farbe sind schnell zur Hand) angeregt wird, lässt sich schwer vorhersagen. Wenigstens aber sollen damit Verkehrszeichen eingespart werden.

Weitere Pinselaktionen gelten Motorradfahrern. Mit einer doppelten Haltelinie sollen Zonen geschaffen werden, wo sich bei Rot an Kreuzungen nach vorn fahrende Biker vor den anderen aufstellen können. Der Trick an der Sache ist, dass dies nicht für Mopeds und Radfahrer gilt, die könnten nämlich andere aufhalten. Dummerweise machen Moped-und Radfahrer die Masse des Zweiradverkehrs in Ortsgebieten aus.

Ob und wie sich die in Aussicht genommene Verschärfung der Genehmigungspflicht für Werbungen (bisher meist vereinfachtes Prüfungsverfahren) auf oder neben der Straße auswirken wird, bleibt abzuwarten. Der Bürokratie schaden wird sie keinesfalls.

Wie gut es die Politiker, die für dieses Gesetz verantwortlich sind, mit uns meinen, zeigt die zentrale Eingangsbestimmung der geplanten Novelle. Sie besagt, dass die Teilnahme am Straßenverkehr ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme erfordert. Für uns als Normunterworfene(= gemeines Volk) wird ein gehöriges Maßan Rücksichtnahme notwendig sein -Rücksichtnahme auf die bürokratische Lethargie, mit der eine völlig veraltete Gesetzesmaterie weiterhin gehandhabt wird.

P.S.: Der Schreiber dieser Zeilen ist seit seiner Jugend begeisterter Rad-und Motorradfahrer.