Die 55. Novelle der Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung (KDV) hat
die Phase der Begutachtung hinter sich.
Rechnet man die zugrunde
liegenden KFG-Novellen hinzu, ist das Kraftfahrrecht seit seiner
Entstehung im Jahre 1967 ganze 85 Mal novelliert worden. Dass da
nichts einfach Lesbares herauskommen kann, ist allen Eingeweihten
klar. Manchmal hat man sogar das Gefühl, der Zustand wäre den
Behörden gar nicht unangenehm. Wenn sich niemand mehr auskennt, ist
schließlich kaum mit Einsprüchen gegenüber fragwürdigen Bescheiden zu
rechnen.
Die KDV muss eine Verbindung zum EU-Recht herstellen, indem sie
Richtlinien bzw. Regelungen ins nationale Recht umsetzt. Das ist
wegen unterschiedlicher Definitionen kaum lösbar, viele Problematiken
bleiben unklar. Die KDV geht zum Teil relativ unexakt mit Zubehör um,
das eine Genehmigung seitens der EU oder ECE benötigt. Es wäre
Aufgabe der KDV, den Anwendungsbereich in solchen Fällen zu
präzisieren und zwischen Bestimmungen, die bei der Genehmigung zu
erfüllen sind, und solchen, die die Nachrüstung oder Verwendung
betreffen, klar zu trennen. Schwammig bis völlig zahnlos sind etwa
juristische Formulierungen wie das Verbot des Feilbietens bestimmter
nicht normgerechter Teile. Es kann trotz KDV leider niemandem
verboten werden, Zubehör zu verkaufen, dasnicht im Straßenverkehr
verwendet werden darf. Die KDV hat außerdem keinerlei Wirksamkeit im
Bereich der handelsrechtlichen Bestimmungen. Der Anbieter von
unzulässigem Zubehör kann sich durch kleine Fußnoten vor sämtlichen
Regressansprüchen schützen. So verwundert es nicht, wenn im Internetetwa Scheinwerferlampen mit doppelter Lichtleistung (Blendgefahr)
ungeniert verkauft werden. Es mag auch sein, dass der Handel und das
Reparaturgewerbe sich hinsichtlich des Anbietens von Teilen im
nationalen und internationalen Recht nicht immer ausreichend
informieren, was besonderer Genehmigungen bedürfte.
Ein Beispiel für Unklarheit sind die Bestimmungen über die
Ausrüstungspflicht mit großwinkeligen Rückspiegeln. Die Absicht
scheint in Ordnung, aber der Sinn für die Realität fehlt. Beim
Austausch und Ersatz müssen Spiegeln der entsprechenden Richtlinie
von 2007 genügen. Dies macht Ersatzteile für ältere Spiegel reif für
den Müll. Abgesehen davon werden die in die jeweiligen Gehäuse
passenden (und geprüften) Spiegeleinsätze gar nicht erhältlich sein.
Die Ausrüstungspflicht mit Rückfahrwarnern wurde auf gewerblichen und
Werksverkehr reduziert. Die Grundidee der Sache war aber mangelnde
Verkehrssicherheit beim Zurückschieben von unübersichtlichen Lkws:
Also könnte man höchstens eine Reduktion auf öffentlichen Verkehr
vornehmen, wenn man die Verantwortung für die Sicherheit auf
Baustellen etc. nicht mehr tragen wollte.
Die Pflicht der Verwendung von Matsch-und Schneereifen, also
Winterreifen, an allen Kräfte übertragenden Rädern bezieht sich nur
mehr auf winterliche Fahrbahnverhältnisse. Das bedeutet, das
bisherige Verbot von Mischbereifung soll entfallen. Es handelt sich
um einen Kniefall gegenüber jenen, die Winterreifen das ganze Jahr
benutzen und bis auf 1,6 mm herunterfahren. Etwas kurioserscheint
die Bestimmung, dass Spikereifen (max. 100 km/h) auch
Bauartgeschwindigkeiten von mehr als 160 km/h gerecht werden müssen.
Bei Schneeketten hat man trotz Information durch das Normungsinstitut
die neu gefassten Normen 5117,5119 und 5121 vergessen, hoffentlich
nimmt man nach der Begutachtung darauf Bezug.
Der Trend zu elektrisch betriebenen Kfz ist ziemlich spurlos an der
KDV vorbeigegangen. Elektro-und Hybridautos werden hinsichtlich der
elektrischen Sicherheit sehr locker gehandhabt. Teilweise werden
Fahrzeuge dieser Bauart mit hohen Spannungen betrieben. Auch der
Ladevorgang ist nicht unproblematisch. Weder für die Genehmigung noch
für den Betrieb dieser Fahrzeuge werden angepasste
Sicherheitsbestimmungen vorgegeben.
Alles in allem kann man der KDV-Novelle bestätigen, teilweise bis ins
kleinste Detail (zum Beispiel bis zum Auflösungsvermögen einer
Rückfahrkamera) genau zu sein. Leider muss man hinzufügen, dass die
sattsam bekannten Probleme der Praxis weiter ungelöst bleiben.