Begonnen hat alles mit einem Tesla-Import aus Norwegen durch die Flugzeugtechnikerin Olivia Wawrzyniak. Bald war auch ihr heutiger Geschäftspartner, der Kfz-Technikermeister Christian Zenz, elektrisiert und bald auch elektrifiziert, was seine eigene Mobilität anbetraf. In der Folge starteten die beiden ihre eigene Kfz-Werkstatt „Nordik EV“, die sich auf Tesla-Fahrzeuge fokussiert. Als gelernter Kfz-Techniker und Elektriker war Klaus Körbler die perfekte Ergänzung, und seit Kurzem komplettiert Lehrling Jan Lorenz das Team, das wir bei einem interessanten Werkstattbesuch kennenlernen dürfen.

Tesla? Klingt kompliziert …

Ein Werkstattvertrag von Tesla, wie kompliziert ist das eigentlich? Immerhin ist der US-Autobauer bekannt dafür, im Umgang mit der „alten“ Autowirtschaft vieles anders zu machen, und heimsen dafür in der Branche nicht immer Begeisterung ein. Wawrzyniak lächelt. „Ein 3rd-party-repairshop bei Tesla zu werden, ist sicher sehr viel einfacher als bei manchem arrivierten Hersteller.“ Und Zenz ergänzt, dass sich die Sache recht einfach online abwickeln lasse. „Schnell bekamen wir den Tesla-Tester und den Zugang zum internen Diagnose-Programm in den Fahrzeugen.“ Tesla biete auch Schulungen an, bisher allerdings in Europa nur in den Niederlanden.

Über die oft geäußerten Befürchtungen, dass mit E-Fahrzeugen mangels klassischer Wartungsarbeiten als sichere Umsatzbringer kein Geld zu machen sei, können die beiden Unternehmer nur lächeln. „Es ist sicher weniger, ja“, so Zenz, der unter anderem beim ARBÖ gearbeitet hat. „Aber auch ein Elektroauto braucht einmal jährlich ein Pickerl, die Überprüfung bekommt der Kunde natürlich bei uns.“ Theoretisch wäre es sogar möglich, sich als ermächtigte Begutachtungsstelle ausschließlich für E-Fahrzeuge zertifizieren zu lassen, aber das war den Gründern eine bürokratische Hürde zu viel. „Die Ausnahmeregelung ist so kompliziert, dass es gleich einfacher ist, sich halt auch einen Abgastester anzuschaffen“, erzählt Zenz, der also auch Überprüfungen an Autos mit Verbrennungsmotor durchführt. Auch das Klimaanlagen-Service sei besonders bei E-Fahrzeugen ein guter Umsatzbringer, verrät er. 

Neben antriebsunabhängigen Arbeiten gibt es auch einige spezifische Aspekte von E-Autos, die den Werkstätten Arbeit bringen. Dass die Bremsscheiben bei Stromern gern ein bisschen anrosten, weil die Verzögerung hauptsächlich per Rekuperation erfolgt, sorgt zum Beispiel für den einen oder anderen Auftrag. „Das Kapitel Bremse ist für uns wichtig, dafür gibt es mittlerweile am Aftermarket speziell entwickelte Nachrüstlösungen, etwa eigens für E-Autos entwickelte Bremsscheiben und -klötze von Brembo“, erzählt Zenz. Wichtig ist dem Kfz-Technikermeister, die E-Fahrer zu beraten, wie sie den negativen „Verschleiß“ der Bremse in Zukunft verhindern können.

Das Feststellen des Batterie-Gesundheitszustands, des sogenannten State of Health, und anderer Parameter, welche über die zu erwartende Lebensdauer des Akkus Aufschluss geben, zählt ebenfalls zu den gut nachgefragten Leistungen in der noch jungen Werkstatt. Viele Kunden lassen in einem Ankaufstest Fahrzeuge diesbezüglich überprüfen. Aber auch sogenannte „end-of-warranty-checks“ (dt. „Überprüfung vor Garantieablauf“) sind interessant für Tesla-Fahrer. Bei einem solchen wird vor Ablauf der Garantie erhoben, ob der Akku und andere Teile noch im Rahmen der Garantiebedingungen funktionieren oder ob beim Hersteller noch innerhalb der Garantiezeit ein Tausch erwirkt werden sollte.

Daneben sind gern erwähnte Schwachstellen von Tesla-Fahrzeugen – Querlenker und Traggelenke – für die Spezialisten bei Nordik EV täglich Brot und Spezialdisziplin. Auch in diesem Bereich existieren mittlerweile Lösungen von Drittherstellern. „Elektroautos und insbesondere das Model S und X sind nun einmal schwere Fahrzeuge“, meint Zenz dazu, stellt aber den Luftfederungen bei Model S und X ein gutes Zeugnis aus. Bei diesen Komponenten ist man in Sachen Teile noch auf den OEM angewiesen, aber „die Tesla-Luftfederungen fallen bisher nicht negativ auf“. Dank des Tesla-Servicevertrages können sämtliche Diagnose- und Kalibrierungsarbeiten im Betrieb bewältigt werden.

Dass bei Nordik EV gute Arbeit geleistet wird, spricht sich herum: Das Einzugsgebiet reicht von den Nachbarländern im Osten bis nach Westösterreich. „Einer unserer Kunden, ein Salzburger, ist auch mit seinem Verbrenner-Zweitwagen, einem Porsche 911, bei uns Kunde. Interessant, dass der derzeit einzige Porsche, den wir warten, kein Taycan ist“, erzählt Zenz. Naserümpfen gibt’s nicht: Als freier Betrieb serviciert Nordik EV prinzipiell alle Marken.

Bei den fünf Ersatzfahrzeugen, Tesla und einem BMW i3, gibt’s allerdings keine Ausnahmen. „Es würde wohl von vielen E-Fahrern als Affront betrachtet werden, wenn wir als Ersatzwagen Verbrenner anbieten würden“, lacht Zenz. 

Von der Begeisterung zur Elektrifizierung

Nach ihrer persönlichen Motivation, Nordik EV zu gründen, kommen Klimaschutz und Ökobewusstsein nicht an erster Stelle. Wawrzyniak kommt aus der Luftfahrttechnik und hat vorher eine Ausbildung im Tourismus absolviert. „Ich habe aus meinen verschiedenen Beschäftigungen vor Nordik EV viel hierher mitnehmen können“, sagt sie. „Aus dem Tourismus kommt zum Beispiel der Mindset, wie wir mit Kunden umgehen, wie wir Kunden ansprechen. In der Luftfahrt wiederum gibt es ein beispielhaftes Sicherheitsdenken, das wir uns zum Vorbild nehmen“, sagt sie und führt das 10-for-10-System als Beispiel an. Nach diesem Prinzip – etwa: „Nimm dir 10 Sekunden Zeit, um die nächsten 10 Minuten zu planen!“ – wird in der Avionik oder in der Notfallmedizin das richtige Handeln in Stresssituationen und unter Zeitdruck unterstützt.

Bei Zenz habe es ein bisschen gedauert, bis das Feuer der Begeisterung entfacht war. „Bei der Probefahrt mit Olivias Tesla Model 3 hat es bei mir gefunkt“, erzählt er. „Leistung, Beschleunigung und dazu sanftes Gleiten!“ Darüber hinaus sei das Laden in der eigenen Garage ein großer -Convenience-Faktor. Auch der lokal emissionsfreie Betrieb sei ein „Riesenvorteil“, weil Schadstoffe aus den Städten draußen gehalten werden können. 

Im Gespräch mit den Unternehmern tritt eine erfrischende Offenheit dafür zutage, an sich selbst und dem Betrieb kontinuierlich zu arbeiten. Mag sein, dass dies leichter fällt, da es „ausgetrampelte Pfade“ in einer E-Autowerkstatt ja nicht gibt. Das Team feilt ständig an den Abläufen im Betrieb und will sich kontinuierlich verbessern. Beide Gründer sind sicher: „Es ist unser Vorteil, dass wir unseren eigenen Weg erschaffen!“

Bewusstsein für Fortschritt und für Tradition

Zum selbstbewussten Handwerksbetrieb gehört auch, dass man eigene Fachkräfte ausbildet, und so hat man vor Kurzem mit Jan Lorenz einen Kfz-Technikerlehrling aufgenommen. Er ist Abgänger einer HTL und hat sich für Nordik EV entschieden, gerade weil es sich um einen auf E-Autos spezialisierten Betrieb handelt. „Für jene Teile der Ausbildung, für die Jan am Verbrenner arbeiten können muss, kommen genug Kunden mit Verbrennungsmotoren“, erzählt Zenz. Die Frage, ob er auch den Beruf des Kfz-Technikers ergriffen hätte, wenn er nur an Verbrennern arbeiten könne, verneint Jan Lorenz lächelnd. „Ich bin sicher, dass Handwerk und Technik im Feld der E-Mobilität für mich eine gute Zukunft bedeuten“, meint der junge Mann zufrieden.

„Natürlich müssen wir als Tesla- und als E-Autowerkstatt Teil der lebhaften Community rund um die Elektromobilität sein, uns up to date halten und ständig weiterentwickeln“, sagt Wawrzyniak und Zenz ergänzt: „Unsere Kunden wissen über ihr Fahrzeug in der Regel sehr gut Bescheid, und oft genug kennen sie manche Details besser als wir.“

Wie in vielen freien Werkstätten ist man sich auch bei Nordik EV bewusst, dass der Kunde gegenüber dem Markenbetrieb einen Kostenvorteil erwartet. Aber auch wenn das Produkt E-Auto auf den ersten Blick mehr mit Elektronik und Computertechnik als mit Oldschool-Mechanik zu tun hat: Schon aus ihrem Selbstverständnis als Handwerker heraus denken Zenz und das Team nicht daran, einfach Ersatzteile auszutauschen. Mit Lust am Tüfteln werden Lösungen gesucht und nicht verfügbare Ersatzteile im Betrieb selbst 3D-gedruckt. „Beim Thema Akku sind wir gerade dabei, uns noch tiefer und intensiver in die Materie einzuarbeiten, damit wir auch auf dem Level der Batteriemodule Reparaturen und Services anbieten können“, sagt Zenz. Als Lernobjekt dienen dabei eigene alte Tesla-Fahrzeuge, die später als Ersatzwagen eingesetzt werden sollen. 

Die Zukunft ist elektrisch, daran herrscht im Betrieb in Leobersdorf kein Zweifel. „Es ergibt absolut Sinn für uns, uns auf E-Mobilität zu fokussieren, ganz ohne dass wir den Verbrenner verdammen“, sagt Zenz, dessen makellos restaurierter Trabant 601 auf dem Hof steht. „Wir sind keine ,Verbrenner-Hasser‘, aber wir konzentrieren uns bewusst auf Tesla und E-Autos. Wir brennen sozusagen für Elektromobilität.“ Er gehe davon aus, dass ein Großteil der Automobilität im Land bald elektrisch ablaufen werde.

Das bedeutet für Nordik EV Wachstumspotenzial. Das Team will weitere Standorte in Österreich entwickeln. Wirtschaftlich rentiert sich der Fokus auf E-Mobilität bereits. „Anfangs haben wir noch Google-Werbung geschaltet“, erzählt Wawrzyniak, „das haben wir schnell bleiben lassen müssen, damit wir nicht zu schnell wachsen.“ Haben die beiden Tipps für andere Unternehmer, die am Anfang eines ähnlichen Weges stehen? „Ein Neuanfang ist eine Chance, man kann sich auf Kunden und Lösungen fokussieren, und dann kommt der Umsatz praktisch von selbst. Aber wenn du mit E-Fahrzeugen ein Geschäft machen willst, dann musst du selbst E-Auto fahren.“

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