A&W: Wird sich das E-Auto durchsetzen?
Mag. Markus Wildeis: Es gab lange viele Zweifler, ob sich das Internet durchsetzt. Und es gibt heute viele Zweifler bei der Transformation, die sich fragen, ob die Elektromobilität so kommt und ob das tatsächlich richtig ist. Ich denke, das ist eine große Gefahr. Diese Gefahr besteht für uns als arrivierte Hersteller, wenn wir diese neuen Technologien nicht ausstrahlen. Wenn wir das nicht verkörpern, werden wir die Kunden verlieren: an Marken aus den USA und China, die nur elektrische Fahrzeuge anbieten. Es muss ein Ansporn sein für alle etablierten Anbieter, diese Zukunft aktiv mitzugestalten, in dieser großen Veränderung auch die Chancen zu sehen.
Dabei befindet sich die Branche bereits mitten in dieser Transformation. Wir werden zukünftig alle rein elektrisch fahren, aber es wird an uns liegen, ob wir diese Zukunft auch steuern können. Wir von Stellantis wollen diese Zukunft aktiv gestalten und entwickeln dafür auch die für alle passenden Fahrzeuge, bei Pkws als auch bei Nutzfahrzeugen.
Wie schnell wird sich die E-Mobilität entwickeln?
Wildeis: Auch wenn aktuell vor allem im deutschsprachigen Raum die Euphorie gebremst zu sein scheint, kein Trend ist linear und der Push der letzten Jahre hat das Wachstum kurzfristig gebremst. Generell wünschen wir uns von der Politik mehr Entschlossenheit bei den von den Politikern selbst gesetzten Klimazielen, klare Weichenstellungen und Klarheit in der politischen Kommunikation. Mittel und langfristig müssen alle global relevanten Märkte die CO2-Emissionen reduzieren und dabei führt kein Weg an der E-Mobilität vorbei. In China sind bereits 40 Prozent der Neuwagen elektrifiziert (PHEV & BEV), in Europa 20 Prozent und in den USA 10 Prozent, Tendenz steigend. In Österreich erwarte ich, dass in den nächsten 24 bis 36 Monaten elektrifizierte Fahrzeuge die Mehrheit der Neuwagen bilden werden. Dabei geht es in erster Linie um Leistbarkeit. Wenn diese bei Total Cost of Ownership zugunsten des Elektrofahrzeuges durchschlägt, dann wird Elektro-mobilität auch die Mehrheit hier in unseren Märkten bilden.
Was bedeutet die Transformation für den Vertrieb?
Wildeis: Die Transformation erreicht auch den Handel, das bisherige Vertriebssystem war nicht ausgelegt auf vernetzte und elektrische Fahrzeuge, auf autonomes Fahren und auf Kunden, die in verschiedenen Kanälen agieren. Denn wir leben in einer Omnichannel-Welt, die erwähnten Kanäle verschmelzen. Mit dem neuen Retailer-Modell gehen wir in die Zukunft und wir haben ein marktgerechtes Vertriebssystem entwickelt, um diese Omnichannel-Welt zu beherrschen und Lösungen dafür zu bieten. So profitieren sowohl Kunden als auch der Handel.
Wie ist Stellantis technologisch dafür aufgestellt?
Wildeis: Stellantis hat die Weichen sehr früh und zukunftsweisend gestellt. Mit dem DareForward 2030 Strategieplan gibt es einen klaren Plan, der die entsprechenden Maßnahmen vorsieht und das gesamte Ecosystem abdeckt, nicht nur die Produkte selbst, sondern auch den gesamten Konzern. Wir werden bis 2038 Netto-Null-CO2 Emissionen emittieren. Im Produktbereich haben wir durch die Multi--Energy-Plattformen, die unterschiedliche Arten von Antrieben erlauben, ein gutes Fundament geschaffen. So können wir heute global vom leistbaren Kleinwagen über SUVs bis zum Premiumbereich und leichten Nutzfahrzeugen alle Fahrzeuge in unterschiedlichen Versionen aufbauen und wir haben einen relevanten strategischen Wettbewerbsvorteil für uns und den Handel am Markt erlangt.
Aktuell können wir einerseits schon heute ein leistbares, vollwertiges Elektrofahrzeug unter 20.000 Euro für Privatkunden (inkl. Elektromobilitätsförderung) anbieten. Am anderen Ende der Skala werden wir mit den STLA-Plattformen vollelektrische Fahrzeuge mit Reichweiten bis zu 800 Kilometern anbieten können. Unsere Aufgabe, die wir hier am Markt haben, ist es, unseren ikonischen Marken den Raum zu geben, der ihnen volle Entfaltung ermöglicht.
Was dürfen wir in nächster Zeit produktseitig erwarten?
Wildeis: Wir werden in den kommenden Monaten ein Produktfeuerwerk für alle Marken nach Österreich bringen. Bei Peugeot dürfen wir uns von der Markteinführung des 3008, der schon beim Handel ist, und des 5008 – auch als Siebensitzer – sowohl als Elektroauto wie auch mit PHEV und Mild-Hybrid-Verbrennungsmotor sehr viel erwarten. Peugeot wird 2025 übrigens das breiteste Line-up an -Elektrofahrzeugen von allen Volumenherstellern anbieten.
Bei Opel wird der 4,40 Meter lange Frontera aus unserer Sicht ab Spätherbst mit 7 Sitzen ein neues, viel versprechendes Segment eröffnen. Der neue Grandland wird ab Herbst das Flaggschiff von Opel werden.
Bei Jeep kommt mit der Allradversion des Avenger ein für Österreich sehr wichtiges Fahrzeug rund um den Jahreswechsel und der Wagoneer S wird mit 4,90 Meter Länge und bis zu 800 Kilometer elektrischer Reichweite die Marke nach oben hin abrunden.
Mit dem neuen C3 und dem ë-C3 werden ab Sommer sehr wichtige Modelle eingeführt, der etwas größere C3 Aircross kommt im Herbst. Mit dem ë-C3 machen wir einen Riesenschritt zur vorhin erwähnten Leistbarkeit von E-Fahrzeugen.
Auch bei Fiat schreitet die Transformation voran: Hier wird der neue Grande Panda, der am 11. Juli seine Weltpremiere feierte, ein wichtiger Meilenstein werden. Der Fiat 600 ist nun mit allen Motoren verfügbar und bei Abarth wird bald der 600e debütieren.
Bei Alfa Romeo wurde der Junior den österreichischen Retail--Partnern bereits vorgestellt. Wir sind überzeugt, mit dem Junior auch neue Kundengruppen, die im Premiumsegment ein hochwertiges Fahrzeug suchen, ansprechen zu können.
Bei DS Automobiles erwarten wir den vollelektrischen DS4, sowie die Mild-Hybrid-Motorisierung. Sowohl bei Alfa Romeo als auch bei DS Automobiles arbeiten wir an Flagschiffmodellen, die in ihrem Segment in Bezug auf Technologie und Performance führend sein werden.
Besonders wesentlich sind die leichten Nutzfahrzeuge. Das ist ein strategischer Schwerpunkt, denn deren Bedeutung nimmt zu und diese sind auch für die Wertschöpfungskette im Autohaus von größter Wichtigkeit. Wir sind klarer Marktführer bei leichten Nutzfahrzeugen in Europa und eben haben wir die komplette Palette für alle 4 Marken erneuert. Wir können alle Nutzfahrzeuge mit klassischen Motorisierungen als auch mit Elektroantrieb anbieten. Bei Opel bieten wir den Vivaro auch mit Wasserstoff-Brennstoffzellen-Technologie an.
Nächstes Jahr sollen noch weitere Marken dazukommen?
Wildeis: 2025 kommt Leapmotor mit den Modellen T03 und C10 nach Österreich. Dabei handelt es sich um eine sehr spannende junge chinesische Marke, wobei Leapmotor International ein Joint Venture ist, an dem Stellantis mit 51 Prozent die Mehrheit hält. Der T03 wird in Europa gebaut werden. Im Gegensatz zu allen anderen chinesischen Herstellern setzen wir auf das bewährte Rückgrat von Stellantis hinsichtlich Vertriebs und Ersatzteilelogistik.
Weiters werden wir die italienische Traditions-Premiummarke Lancia 2025 in Österreich an den Start bringen: Momentan kommt mit dem neuen Ypsilon ein Lancia--Modell mit E-Antrieb oder als Mild-Hybrid in Italien und einigen anderen Ländern auf den Markt, in Summe soll es drei neue Premiummodelle bei Lancia geben.