Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Sie haben ein Haus mit einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach. Und sie besitzen ein E-Auto, welches die Möglichkeit zum bidirektionalen Laden hat. Das Auto kann also wieder Strom ins Netz einspeisen. Es ist Wochenende. Sie genießen die Sonne in Ihrem Garten, während die PV-Anlage Ihr Auto aufladet. In dem Wissen, dass Sie ja gar nicht mehr wegfahren und das Auto trotzdem voll ist. Am Abend, wenn dann der Herd, die Waschmaschine, der Geschirrspüler und vielleicht noch der Whirlpool laufen (man wird ja wohl noch träumen dürfen), dann brauchen Sie Strom. Was unter aktuellen Umständen aus dem Netz kommen würde oder aus dem Haus-Speicher der PV-Anlage, kommt nun aus Ihrem Auto. Denn das Auto ist wie eine große Powerbank an Ihr Haus angeschlossen.
Klingt zu schön, um wahr zu sein? Nicht ganz, denn so weit weg ist man von dieser und vielen weiteren, teils maßgeblichen Nutzungsvarianten nicht. „Die Technik ist da. Lediglich der Gesetzgeber und die Energieversorger sind noch nicht so weit, die Technik auch in Österreich verfügbar zu machen“, erklärt Patrizia Ilda Valentini, Head of Mobilize Österreich.
Mobilize, eine Marke der Renault Group, hat genau diese Technik bereits entwickelt. Der neue vollelektrische R5 wird die sogenannte Vehicle-to-Home (V2H) und Vehicle-to-Grid (V2G) Funktion eingebaut haben. Zudem bringt Mobilize eine eigene Wallbox auf den Markt, die bidirektionales Laden und Entladen ermöglicht. Allerdings noch nicht in Österreich. Denn nach einigen Testläufen ist nun Frankreich der „große Testballon“, wo diese Technik in der breiten Masse getestet wird. „Und das ist super spannend, weil wir da sehen werden, wie die Menschen damit umgehen und es annehmen. Und auch, wie das Netz darauf reagiert“, so Valentini.
Dezentrales Stromnetz
Der Grund, warum es in Österreich noch nicht so weit ist, liegt vor allem am heimischen Stromnetz. Während in Frankreich vorrangig über Atomkraftwerke produziert wird, setzt Österreich voll auf erneuerbare Energie durch Wind-, Solar- und vor allem Wasser. Für ein Stromnetz, welches Energie an verschiedenen Punkten einspeisen und ausgeben muss, ist dieser Energie-Mix allerdings nicht sehr vorteilhaft in Sachen Netzstabilität.
„Unser Verteilnetz ist ein unintelligentes Netz und damit wissen wir nicht wirklich, was da draußen läuft. Mit digitalen Zählern ist es zwar etwas besser, aber in Wahrheit noch immer nicht viel aussagekräftiger“, sagt Helmut Schimany, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands e-Mobility Österreich.
Zwar wird viel über Netzausbau gesprochen, für Schimany braucht es, vor allem auch für die Nutzung von bidirektionalem Laden, ein Umdenken: „Wir müssen anfangen, mit regionalen Netzen zu arbeiten und diese auch zu planen. Wo ich als Netzbetreiber nur Spitzenlasten abdecke und eine höchstmögliche regionale Autarkie habe.“ Bedeutet kurz gefasst: Der Strom der in der Gemeinde, dem Dorf, der kleinen Stadt verbraucht wird, wird auch dort mit PV-Anlagen und Windrädern produziert.
Die Netzbetreiber müssten dann nur noch Strom zuleiten, wenn es eben Spitzenlasten gibt. „Das muss mir als Netzbetreiber auch etwas wert sein. Wenn eine Energiegemeinschaft einen Speicher anschafft und damit das Netz entlastet, dann könnte sich der Betreiber ja auch daran beteiligen. In dieser Qualität der Diskussion sind wir aber noch nicht. Dort müssen wir aber hin. Es braucht eine hochgradige Dezentralisierung des Stromnetzes.“
Immer größeres Interesse
Dass solche Energiegemeinschaften und dezentralisierte Stromnetze funktionieren können, haben einige Gemeinden in Österreich bereits bewiesen. Auch Forschungsprojekte gibt es dazu. Und mit dem Hochlauf der E-Mobilität wird die Frage nach dem Wie noch dringender. Dem pflichtet auch Valentini bei: „Für Flotten und deren Unternehmen ist bidirektionales Laden der nächste große Schritt. Und dementsprechend braucht es hier einen Schulterschluss zwischen Wirtschaft, Netzbetreiber und Politik.“
Für Philipp Wieser, Teamleiter bei der Österreichischen Leitstelle Elektromobilität (OLÉ) der AustriaTech, ist die Situation rund um das bidirektionale Laden sehr spannend, denn „hier ist man beim Regulativ noch nicht weit. Auf der anderen Seite gibt es Unternehmen wie Renault, die mit der Technologie kommen und damit auch die regulative Ebene vorantreiben“. Man sei an einem schwierigen Punkt: „Wir können noch keine Förderung dafür machen, weil es noch keine Standards gibt.“ Ein Teufelskreis, denn durch die fehlende Förderung geht auch der Ausbau langsamer. Zumindest einen kleinen Vorsprung hat man, wie Wieser betont: „Wir haben Standards für förderbare Wallboxen und Ladeinfrastrukur geschaffen. Um Förderungen zu lukrieren, muss die Technik kommunikationsfähig sein. Wenn also V2H und V2G in ein paar Jahren im großen Stil kommen, dann kann man auch ziemlich sicher heute installierte Ladeinfrastruktur dafür großteils nutzen.“
Bis es aber so weit ist, und hier sind sich alle Experten einig, braucht es noch einige Lösungen für große Herausforderungen. Das Thema Verrechnung zwischen Netzbetreiber und Energieproduzent ist hier aktuell zum Beispiel ein großer Punkt. Aber auch die Akzeptanz der E-Fahrzeuge selbst wird einen großen Beitrag dazu leisten, ob und wann weitere -Technologien wie V2G und V2H massentauglich werden.