Mit KI wird die Fähigkeit einer Maschine, menschliche Fähigkeiten wie logisches Denken, Lernen, Planen und Kreativität zu imitieren, in Verbindung gebracht. So weit die Definition. Obwohl KI-Anwendungen aus heutiger Sicht – und dem Wunsch vieler Befürworter und Skeptiker folgend – den Menschen noch nicht ersetzen können und sollen, können diese dazu beitragen, standardisierte Prozesse zu vereinfachen und somit das menschliche Individuum bei manchen Arbeiten zu entlasten bzw. für komplexere Tätigkeiten „freizuspielen“. Im Umgang mit Fahrzeugschäden sind bereits einige KI-gestützte Lösungen im Einsatz.
KI in der Schadenaufnahme
Bereits in der Gegenwart auf KI-Lösungen setzt die Deutsche Automobil Treuhand (DAT). Die Österreich-Tochter DAT Austria beispielsweise hat kürzlich Sachverständigen in Österreich im Rahmen einer Roadshow vielfältige Möglichkeiten aufgezeigt, wie sich KI-Lösungen in deren Arbeitsalltag integrieren lassen. „Die Erfahrungen, die wir in den vergangenen Jahren machen konnten, zeigen uns, wo KI gut anwendbar ist“, erklärt Nils Weber, Geschäftsführer DAT Austria. Konkret erkennt die KI den Schweregrad von Beschädigungen im Rahmen des neuronalen Netzwerks DAT7XM. Auch in der Schadenerfassung über Portalscanner erfolgt der Prozess bereits mit Hilfe der KI, das Modul der geführten Fotoaufnahme soll in der DAT-Sachverständigenlösung „weDAT“ ebenfalls seinen Niederschlag finden. Die Anwendung ist denkbar einfach: Der Schadenbegutachter bekommt einen Link auf sein Endgerät und der Prozess startet – rein browserbasiert. „Dieses Tool wollen wir auch den Werkstätten zur Verfügung stellen“, erklärt Weber. Einen Schritt weiter geht man mit dem auf der Automechanika in Frankfurt vorgestellten Portalscanner. Hier wird das Fahrzeug mit 5 km/h durch das Portal bewegt und 9 Kameras erstellen eine Vielzahl an Bildern, die dann von einer KI analysiert und in weiterer Folge – mithilfe der Software FastTrackAI® – in die DAT-Reparaturkostenkalkulation einfließen.
Im Mittelpunkt bleibt der Mensch
Trotz aller Innovation in Richtung künstliche Intelligenz bleibt der Faktor Mensch im Mittelpunkt: „Mit den KI-Lösungen einen Sachverständigen zu ersetzen, ist nicht unser Weg“, so der DAT-Aus-tria-Geschäftsführer. Aktuell beschäftigt sich die DAT gemeinsam mit Reparaturwirtschaft und Versicherungswesen mit möglichen Einsatzgebieten. Die aktuellen Tools zielen primär darauf ab, Schäden an der Außenhaut der Fahrzeuge zu erkennen. Was dahinter passiert, könnte sich ebenfalls als Einsatzgebiet für KI-Lösungen entpuppen. Denn ähnlich wie bei einem Onlineshop, der auf weiterführende Angebote verweist, könnte künftig KI-generiert festgestellt werden, welche weiteren, nicht auf den ersten Blick ersichtlichen Schäden eventuell unter der Oberfläche lauern.
„KI wird Sachverständigen nicht ersetzen“
Mit künstlicher Intelligenz in vielfältigen Ausprägungen beschäftigt sich auch der Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs (VVO). Die erste Anlaufstelle für die Mitgliedsunternehmen aus der Versicherungswirtschaft legt den Fokus auf unabhängige Informationsbereitstellung (über Markt, Trends, Produktlösungen etc.) und die dazugehörige Kommunikation.
In der Mitte zwischen Reparaturgewerbe und Versicherungen stehen die Sachverständigen. In Österreich gibt es aktuell rund 400 Kfz-Sachverständige, die jeweils etwa zur Hälfte angestellt für Versicherungen bzw. freiberuflich tätig sind. „Die KI wird in einen Sachverständigen in absehbarer Zeit nicht ersetzen“, ist sich Alexander Bayer, Chefsachverständiger und Leiter Technisches Büro im VVO, sicher. Allerdings sei denkbar, dass die Analyse und Kalkulation von Standardschäden verstärkt über KI-Tools erfolgen könnte. „Die Expertise des Sachverständigen wird es weiterhin brauchen, denn ich sehe für die Zukunft den Weg der weiteren Spezialisierung“, meint Bayer im Hinblick auf die zunehmende Komplexität der Fahrzeuge und damit auch der Schadenbilder. KI-gestützte Lösungen könnten auch dazu beitragen, Druck aus der Sachverständigen-Organisation zu nehmen. Dazu müssten die Tools aber nahezu perfekt funktionieren, damit eine Nachbearbeitung des Gutachtens durch den Experten nicht mehr notwendig bzw. nur mit einem geringen Zeitaufwand verbunden ist.
Schulterschluss zwischen Werkstätten und Versicherungen
Aktuell beschäftigt sich der VVO mit unterschiedlichen Hagelscanner-Varianten und deren Entwicklungsstand. Auch hier braucht es laut Bayer ein möglichst ganzheitliches System, um auch Problemstellen (stehende Bauteile, durch Spiegel abgedeckte Bauteile) richtig zu analysieren. Wichtig ist es für ihn auch, dass allfällige Scan-Lösungen transportabel sind, um den Einsatz in unterschiedlichen Gebieten zu gewährleisten. Der Bereichsleiter hält fest, dass es auch in diesem Fall immer eine enge Abstimmung mit dem Reparaturgewerbe gibt und gemeinsam Lösungen erarbeitet werden: „Das gute Miteinander aller Beteiligten muss erhalten bleiben“, lautet sein Wunsch für Zukunft.
Würth mit innovativer Scanner-Lösung
Auch Würth setzt auf eine innovative, KI-gestützte Scanner-Lösung zur Bewertung des Fahrzeugzustands, die in Zukunft Ergebnisse direkt in Reparaturkalkulationsprogramme übertragen kann. Seit kurzer Zeit ist Würth Vertriebspartner von TwoTronic für den österreichischen Markt: „Das Interesse ist hoch, die Resonanz gut. Das Produkt bedarf aber einer hohen Beratungsleistung und einer entsprechenden Planung in den Betrieben“, erklärt Florian Andrä, Verkaufsleiter für Investitionsgüter. Die Lösung eignet sich für vielfältige Einsatzzwecke: Key Account Manager Johannes Resch nennt große Werkstätten, Autohäuser, Leasinggesellschaften, Fahrzeugtransportunternehmen oder Mietwagenfirmen als mögliche Zielgruppen. „Bei TwoTronic handelt es sich um ein fix installiertes System, das in drei Varianten mit unterschiedlichen Ausstattungsschwerpunkten erhältlich ist. Die Fahrzeuge werden mit 8 bis 10 km/h durch den Scanner bewegt und dabei Fotos und Videos gemacht – absolut konform mit der Datenschutz-Grundverordnung“, so Resch. Die beiden Würth-Experten heben hervor, dass sämtliche Bereiche des Fahrzeugs, also auch der Unterboden sowie Reifen/Felgen, abgedeckt werden. Schnittstellen zu allen gängigen Reparaturkalkulationsprogrammen gibt es bereits oder wird es geben. Aufgrund einer im Hintergrund agierenden KI lernt das System ständig dazu. Würth wird TwoTronic in der Premiumversion im Rahmen der AutoZum im Jänner 2025 in Salzburg erstmals einem breiteren Fachpublikum in Österreich vorstellen.