Wenn sich ein Gewerbetreibender, in unserem Fall ein Autohausbetreiber oder Inhaber einer Kfz-Werkstatt, für PV und Speicher interessiert, welche Argumente sprechen denn aus Ihrer Sicht für einen solchen Schritt, welche Vorteile hat PV?
Vera Immitzer: Ein PV-Anlage ist vielfältig, kann auf dem Dach, an der Fassade oder auf Freiflächen bis hin zu Parkplätzen oder auf Carports installiert werden, und sie gibt Privaten und Gewerbetreibenden die perfekte Gelegenheit, die Stromerzeugung selbst in die Hand zu nehmen. Im Gegensatz etwa zur Windkraft ist PV weniger sichtbar, dafür erzeugen Windräder mehr Strom.

Was sollte sich dieser Unternehmer vorher überlegen, ehe er beim Anbieter anruft?
Immitzer: Wichtig ist, sich über den Bedarf klar zu werden: Wann brauche ich Strom, wie groß sind die Spitzen, in welche Himmelsrichtung kann ich die Module ausrichten? Es empfiehlt sich oft, Module nach Osten, Süden und Westen hin auszurichten und so die Zeit zu erweitern, in der Sonnenstrom zur Verfügung steht.
Dann: Was tut sich bei Heizung und Kühlung, kann ich dafür selbst erzeugten Strom verwenden? Mit welchem Unternehmenswachstum plane ich? Im Autogeschäft spielt sicher der Hochlauf der E-Mobilität eine Rolle, den der Unternehmer einkalkulieren sollte.
Mit dieser Information kann der Spezialist dann das Lastprofil erstellen und die Anlage entsprechend planen. Der große Vorteil entsteht, wenn möglichst viel des selbst erzeugten Stroms direkt am Standort zur Deckung des Eigenbedarfs verwendet wird, das ist auch steuerlich vorteilhaft.

Ist es bei Gebäuden nötig, das Dach zu verstärken?
Immitzer: Bei älteren Gebäuden kann das der Fall sein, gerade bei größeren Anlagen braucht es ein Statikgutachten. Für Schnee- und Windlasten gibt es Normen, die natürlich einzuhalten sind. Für schneereiche Zonen gibt es am Markt stärkere PV-Module. Und natürlich sind auch versicherungstechnische Gesichtspunkte zu bedenken.

Mit welchen Kosten ist denn über den Daumen für Module und Speicher zu rechnen?
Immitzer: Wenn wir eine für den KMU-Bereich typische Kapazität von 50 Kilowatt-Peak (kWp) ausgehen, das wären etwa 350 Quadratmeter Dachfläche, kann man von netto 1.100 Euro pro kWp ausgehen.
Dazu muss man dann je nach Gegebenheit weitere Faktoren wie Unterkonstruktion, Regenwasserableitung oder bei Parkplatzüberdachungen noch Dinge wie Rettungszufahrten etc. bedenken.

Welches Verhältnis von PV-Kapazität zu Speichergröße ist denn sinnvoll?
Immitzer: Das hängt sehr stark vom Lastprofil ab. Wenn ich meine Erzeugungsspitzen zu Mittag beispielsweise gut verbrauchen kann, ist weniger Speicher nötig, als wenn ich den untertags erzeugten Strom nachts nutzen möchte. Die Faustformel lautet 1:2, also doppelt so viel Speicher wie kWp. Zusätzlich oder alternativ kann Strom innerhalb einer Energiegemeinschaft verwendet werden, oder man lässt Mitarbeiter ihre Autos mit PV-Überschussstrom laden.

Es ist derzeit viel die Rede davon, Geld mit dem eigenen Strom zu verdienen – würden Sie das unserem Beispiel-Unternehmer empfehlen?
Immitzer: Strom direkt zu handeln, ist möglich, aber sehr aufwändig, weil man sich zum Beispiel in die Regularien einarbeiten muss. Einfacher ist es da schon, den eigenen Strom wie bereits erwähnt in einer Energiegemeinschaft zu „vermarkten“, in der sich Erzeuger und Verbraucher zusammenschließen und zum selbst ausgehandelten Tarif untereinander Strom austauschen.

Wie finde – oder gründe – ich eine Energiegemeinschaft?
Immitzer: Es gibt in allen Ländern Beratungsstellen für Energiegemeinschaften, zusammengefasst in der Österreichischen Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften, auf deren Website energiegemeinschaften.gv.at alle Informationen zu finden sind. Im Grunde gibt es drei Modelle in Österreich mit verschiedenen Vor- und Nachteilen, über die man sich dort informieren kann. Bei dem Thema ist Österreich übrigens Vorreiter in Europa. Landesweit sind derzeit bereits über 1.500 Energiegemeinschaften registriert, darunter ­echte „Best Practice Beispiele“ wie die Erneuerbare Energiegemeinschaft Ennstal, in der 118 Mitglieder vom Privaten über Gemeinden bis hin zu Betrieben Strom aus Wind, Wasser und Sonne erzeugen und verbrauchen.

Kommen wir zurück zu unserem Beispiel-Unternehmer – wie findet er Beratung und den perfekten Partner für seine Anlage?
Immitzer: Es gibt in den Regionen Österreichs viele Firmen, die sich auf die Errichtung von PV-Systemen für Firmen spezialisiert haben; ich würde empfehlen, jedenfalls ein erfahrenes Unternehmen zu wählen, das auch entsprechende Referenzen aufweisen kann. Auf der Website der PV Austria gibt es ein durchsuchbares Verzeichnis von PV-Betrieben, das bei den ersten Schritten weiterhilft, ebenso wie einen Amortisationsrechner.

Die Autobranche ist ein wenig gespalten zwischen Elektrifizierung und Verbrennermotor. Herrscht in der Elektro-­Branche Einigkeit über die nächsten Schritte hin zu Elektrifizierung und dezentraler Stromerzeugung?
Immitzer: Mittlerweile ist jedem klar, dass wir erneuerbare Energien, darunter Photovoltaik, ausbauen müssen. Auch die Netzbetreiber, die ja ihre Herausforderungen haben, haben erkannt, dass massiv ausgebaut werden muss. Der Ausbau wird ja nicht nur durch PV auf den Dächern nötig, sondern auch durch neue Verbraucher, etwa die E-Mobilität oder der verstärkte Einsatz von Wärmepumpen und Klimaanlagen. Wir sehen, dass an den Netzen intensiv gearbeitet wird, es geht halt nicht sehr schnell, weil die Komponenten nicht von heute auf morgen verfügbar sind, auch die Genehmigungen dauern zu lang. Ich denke, aus den Fehlern der Vergangenheit ist jetzt das Bewusstsein hervorgegangen, dass es intensive Bemühungen braucht.

Das Autobusiness wird derzeit wirtschaftlich durchgebeutelt, aber auch die Boombranche der PV-Industrie machte kürzlich mit schlechten Nachrichten von sich reden. Sehen Sie eine Marktkonsolidierung oder wurden Fehler gemacht?
Immitzer: Beides. Wir hatten in den letzten Jahren extreme Nachfrage, die teilweise zu langen Wartezeiten führte und sich jetzt normalisiert. Bei den Privaten ist die Nachfrage aufgrund steuerlicher Erleichterungen noch solide, bei den Firmen lässt sie nach. Das ist aufgrund der allgemein schlechten wirtschaftlichen Lage so, aber auch, weil die Strompreise wieder im Sinken sind. Dazu kommt, dass viele Solaranbieter sich im Hoch Module auf Lager gelegt haben, die sie jetzt teilweise drastisch entwerten mussten.

Asiatische Produzenten senken auch hier die Preise – kritisieren Sie das, und fordern Sie gar in Analogie zur Situation bei Auto-Importen Strafzölle auf PV-Module?
Immitzer: Wir sehen schon, dass PV-Module derzeit zu sehr niedrigen Preisen, augenscheinlich unter den Produktionskosten angeboten werden. Es liegt nahe zu vermuten, dass hier der europäische Markt geflutet wird, indem Überkapazitäten abgebaut werden. Die EU hat hier meiner Ansicht nach richtig reagiert und einen EU-Bonus für in Europa produzierte PV-Komponenten ins Leben gerufen, das sollte den Effekt abmildern. Im Grunde wollen wir günstige Komponenten haben, aber die europäischen Produzenten sollen mithalten können. Strafzölle hatten wir in der Vergangenheit schon, das hat eher nichts gebracht.

Eine weitere Analogie zur Autobranche: Auch in Sachen PV wird man gern mit „Mythen“ wie drohenden Dunkelflauten konfrontiert oder damit, dass sich Stromautarkie in Europa nie und nimmer realisieren lässt. Wie reagieren Sie auf diese und ähnliche Behauptungen?
Immitzer: Natürlich ist die Energiewende eine immense Herausforderung, die wir schaffen können, die wir schaffen müssen. Wir brauchen die ganze Palette sowohl bei der Erzeugung von erneuerbarem Strom als auch bei Speichertechnologien. Da gehören auch Eingriffe ins Landschaftsbild dazu, und wir müssen in Wasserstoffspeicher gehen – dazu fehlen noch Konzepte, die von allen mitgetragen werden. Österreich kann keine Insel sein und die einzelnen Bundesländer schon gar nicht. EU-weit sind die Übertragungsnetzbetreiber sehr engmaschig verknüpft. Es muss Europa gelingen, möglichst unabhängig zu sein.
 
Sie haben die Länder erwähnt, die ja eine wichtige Rolle spielen – welche Hausaufgaben haben die noch zu erledigen?
Immitzer: Die Bundesländer müssen ihre Gesetze fit machen und den Ausbau der Erneuerbaren beschleunigt zulassen. Da sind die Länder unterschiedlich gefordert: Tirol verlässt sich zu sehr auf die Wasserkraft und verfügt für PV und Wind über die härtesten, rückständigsten Regularien. In den großen Flächenbundesländern liegt die Aufgabe darin, großflächige PV-Anlagen zu ermöglichen. In Wien wird gerade viel über PV-Ausbau kommuniziert, dennoch sehe ich gerade im Bereich der Hausverwaltungen im kommunalen Wohnbau das Nadelöhr schlechthin. Im Mehrparteienwohnbau ist es noch sehr schwierig, Anlagen umzusetzen, und viele Dächer sind ungenutzt.

Welche Entwicklungen sehen Sie in Zukunft, welche „Game-Changer“ kommen auf KMUs und Private als Stromkunden und -erzeuger zu?
Immitzer: Ich konnte kürzlich bei der Konferenz „EV&PV Power Day“ in Wien viel über bidirektionales Laden von E-Autos und mögliche netzdienliche Nutzung hören, es wurde ein konkretes Projekt vorgestellt, von dem bald Ergebnisse zu erwarten sind. Am Strommarkt werden mehr und mehr flexible Tarife kommen, wie sie in Deutschland heute jeder Stromerzeuger bereits anbieten muss. Das betrifft nicht nur Stromtarif und Einspeisevergütung, sondern in Zukunft sicher auch die Netzgebühren. Durch diese Entwicklung macht PV und Speicher mehr und mehr Sinn – sich mit der Sache jetzt zu beschäftigen, lohnt sich für Unternehmer auf jeden Fall.

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