A&W: Beginnen wir mit einem Rückblick auf das 1. Halbjahr: Mit welchen Marken sind Sie in Europa zufrieden?

Uwe Hochgeschurtz: Wichtig ist, dass der Automobilmarkt in Europa weiter leicht wächst. Die Nachfrage ist stabil, damit sind wir zufrieden, und das ist auch wichtig für die Planungssicherheit. Natürlich ist die Elektromobilität nicht so stark gestiegen, wie es notwendig wäre, wenn wir die ab dem Jahr 2025 geltenden CO2-Grenzwerte betrachten. Im 2. Halbjahr wird sich nicht so viel ändern. Europa ist eine stabile Region.

Wie beurteilen Sie die Rolle der Politik, vor allem mit Blick auf die Elektromobilität?

Hochgeschurtz: Mir fehlt ein klares Bekenntnis der Regierungen zu den Klimaplänen, und das ist ein großer Fehler. Die neuen, niedrigeren CO2-Ziele, die ja schon 2025 kommen (um 15 Prozent weniger im Vergleich zu 2021, sonst drohen Strafzahlungen, Anm.), kann man nicht mehr ändern, jene für 2030 kommen dann auch noch. Wenn die Werte nochmals um 55 Prozent sinken, wird man ein 1,5 Tonnen schweres Auto mit Verbrennungsmotor nicht mehr bauen können. Einen Grenzwert von weniger als 80 Gramm CO2 pro Kilometer zu erreichen, ist physikalisch nicht möglich. Die Politik muss ja nicht Geldanreize zum Kauf geben, es gibt auch andere Möglichkeiten wie den Entfall des Sachbezugs, wie in Österreich. Das ist ein langfristiger Vorteil.

Merkt man bei Citroën schon Auswirkungen des neuen ë-C3?

Hochgeschurtz: Citroën hat bei den Auftragseingängen in ganz Europa stark zugelegt. Mit einem Listenpreis in den meisten Ländern von 23.300 Euro ist der neue ë-C3 ein absoluter Bestseller und bietet im B-Segment Elektromobilität zum Preis eines Verbrenners. Jeder Kunde, der zur E-Mobilität gehen will, kann es nun zu einem günstigen Preis. Als nächstes werden wir ein Produkt von Opel anbieten: Der Frontera startet Ende des Jahres. Die Nachfrage ist schon jetzt sehr groß, und somit wird auch hier die Elektromobilität erschwinglich. Meiner Meinung nach ist das Elektroauto die beste Erfindung seit Anfang des 19. Jahrhunderts, weil es leiser, komfortabler und lokal emissionsfrei ist. Wenn jetzt auch noch der Preis wettbewerbsfähig ist, läuft es mit den Elektroautos richtig an.

Wie sieht bei Stellantis der weitere Zeithorizont für das Ende der Verbrennungsmotoren aus?

Hochgeschurtz: Wir gehen davon aus, dass das von der EU erklärte Aus im Jahr 2035 so kommen wird: 2030 wird der Anteil der Elektroautos an den Neuwagenverkäufen in Europa schon bei 50 bis 60 Prozent liegen. Wir bei Stellantis wollen 2030 alle Modelle rein elektrisch anbieten, eventuell mit kleinen Ausnahmen. Schon viel früher wird es bei allen Marken alle Modelle auch elektrisch geben; bei Opel wird das schon Ende dieses Jahres der Fall sein.

Glauben Sie, dass die Steigerung der Elektromobilität kontinuierlich erfolgen wird?

Hochgeschurtz: Auf dem Weg von 2024 bis 2030 wird es Hochs und Tiefs geben: Nicht jedes Jahr wird es um 10 Prozent nach oben gehen. Aber die Rahmenbedingungen sind gut: Auch in Deutschland, wo man im Dezember 2023 über Nacht die Förderungen gestrichen hat, kommt wieder Bewegung rein, etwa wenn man die Abschreibungsgrenzen für Dienstwagen erhöht. Wichtig ist, dass die Unternehmer Sicherheit haben: Sie müssen wissen, wie sie ihre E-Autos einsetzen, da sie ja langfristig investieren.

Wie reagiert man bei Stellantis auf die Zölle für Elektroautos aus China? Gefährdet das den Start von Leapmotors im Jahr 2025?

Hochgeschurtz: Stellantis ist international tätig, und wir sind gegen Zölle irgendwelcher Art. Das erhöht weder den Wohlstand in Österreich noch in China oder wo auch immer. Natürlich sind faire Rahmenbedingungen wichtig, man muss das Fahrzeug zu ähnlichen Bedingungen herstellen. Doch in Europa ist alles überreguliert, und da meine ich keineswegs die Sicherheit und Gesundheit, das schließe ich aus. Aber die chinesischen Hersteller haben den Vorteil, dass sie weniger solche Regularien haben. Außerdem sind bei uns in Europa die Energiepreise viel zu hoch, weil wir nicht in die richtigen Energieträger investiert haben. Dass Deutschland aus der Atom-energie ausgestiegen ist, während rundherum daran festgehalten wird, war ein schwerer Fehler.

Zurück zu Leapmotors: Werden die Fahrzeuge nun in Europa produziert?

Hochgeschurtz: Leapmotors ist ein chinesisches Start-up, wo Stellantis mit 21 Prozent eingestiegen ist. Um den Vertrieb außerhalb Europas zu machen, haben wir ein Joint Venture gegründet, das zu 51 Prozent Stellantis gehört. Auch wenn wir die Fahrzeuge in Europa bauen, können wir sie zu konkurrenzfähigen Preisen anbieten, weil es eine effiziente chinesische Technologie ist und wir keine Zölle bezahlen müssen. Dann könnten wir den Markt der Elektrofahrzeuge dominieren, weil die große Masse einsteigen würde. Eine Produktion in Europa könnte schon gegen Ende dieses Jahres der Fall sein.

Stellantis ist vor knapp einem Jahr – unter anderem in Österreich – mit dem New Retailer Modell gestartet: Jetzt gibt es Pläne, dies in anderen Ländern weiter nach hinten zu verschieben. Wie ist der Stand der Dinge?

Hochgeschurtz: Mit dem New Retailer Modell sind wir am 4. September 2023 in 3 Pilotmärkten gestartet: In Österreich, Belgien und den Niederlanden haben wir seither sehr viel gelernt. Viele Dinge haben sich positiv entwickelt – unter anderem, dass fast alle bisherigen Händler daran teilnehmen. Aber natürlich müssen wir auch das eine oder andere ändern, vor allem im Bereich IT. Das meiste wurde relativ schnell gelöst, und wir machen weiterhin große Fortschritte.

Wie sieht es mit den Marktanteilen in diesen 3 Ländern aus?

Hochgeschurtz: Wir sehen, dass wir in den vergangenen 2 Monaten Auftragseingänge haben, die stärker ansteigen als in den Märkten mit klassischer Distribution. Das Agenturmodell ist für die Zukunft das bessere Modell.

Warum ist das Agenturmodell besser als die über Jahrzehnte erlebte Situation mit Händlern?

Hochgeschurtz: In Zukunft wird es das Online-Selling geben, weil die Mehrheit der Kunden ihre Fahrzeuge online kaufen wird. Wir als starke OEM (Original Equipment Manufacturer, Anm.) haben über das Agenturmodell direkten Kontakt zu den Kunden. Aber die Betreuung der Fahrzeuge, also etwa der Service und die Reparaturen, wird natürlich weiterhin über die Agenturpartner erfolgen. Die anderen Wettbewerber machen das ja auch, eine Alternative gibt es nicht. Wir unterstützen unsere Agenturpartner so gut wie möglich.