Einerseits wollen die Konzernzentralen einen für alle Länder gleichartigen Vertrag, obwohl die rechtlichen Rahmenbedingungen von Land zu Land differenzieren. Anderseits müssen sie die kartellrechtlichen EU-Rahmenbedingungen beachten – und prüfen, wie sie diese umgehen können. Letztlich sollten die Vertragsbedingungen auch noch die Interessen der Vertragshändler berücksichtigen – damit ihnen diese nicht reihenweise davonlaufen.
Österreich dient da als kaufmännisches Versuchslabor. Hier wird getestet, welche Neuerungen am Markt umsetzbar sind – und welche nicht. Wie beurteilen die Banken die Bonität ihrer Autohauskunden, wenn diese keine großen Umsätze mehr machen, in ihren Bilanzen nur bescheidene Agenturprovisionen ausweisen? Wie sehen die Steuerbehörden neue Agenturmodelle, wenn es plötzlich keine großen Steuerzahlungen mehr gibt, simple Inlandsumsätze durch komplexe Auslandsverrechnungen ersetzt werden? Wie wirkt sich das auf das Nutzfahrzeuggeschäft aus, wenn die B2B-Kunden statt mit den ihnen vertrauten Händlern plötzlich mit neuen Geschäftspartnern im Ausland konfrontiert werden; wenn es in diesen Beziehungen keine heimischen Verhandlungspartner mehr gibt?
Die Händler sollten sich der Stärke ihrer Position bewusst sein. Indem sie ihren Geschäftspartnern und deren supra-nationalen Planungen die Besonderheit Österreichs klar vor Augen führen. Einem Land, in dem es mit dem sogenannten „KraSchG“ ein Gesetz zum Schutz der Kfz-Händler vor der Übermacht der Hersteller gibt und ein Investitionsschutz zur wirtschaftlichen Risikoabsicherung gesetzlich verankert wurde. Gesetzliche Rahmenbedingungen, die sich mit einem gemeinsamen Vertrag für den gesamten D-A-CH-Raum nur schwer unter einen Hut bringen lassen.
Das Bestreben der meisten Hersteller ist es, die Kosten einer Vertriebsstufe einzusparen und gleichzeitig die Endpreisgestaltung am Markt fest unter ihre Kontrolle zu bringen. Bei solchen Systemänderungen ist es wichtig, Grundsatzfragen der Machtbeschränkung von Haus aus zu klären, sich auf keine faulen Kompromisse einzulassen. Die Erfolge im Peugeot-Prozess haben die wettbewerbsrechtlichen Grenzen gezeigt, die auch bei Verhandlungen über ein neues Vertriebssystem zu beachten sind. Wesentlich wird es auch sein, innerhalb der Agenturnetze für eine entsprechende Chancengleichheit und Transparenz zwischen den Agenturpartnern zu sorgen. Etwa bei der Belieferung mit Fahrzeugen, die leicht manipulierbar ist. Oder bei der Verteilung und beim Abverkauf von Auslaufmodellen.
Der stufenweise Übergang vom Händler- zum Agentursystem führt zu Mischsystemen, die das besondere kartellrechtliche Augenmerk der Händler erfordern. Da ist die Versuchung groß, dass sich Hersteller durch trickreiche Klauseln aus dem Agentursystem (bei dem die bisherigen Händler nur als Handelsvertreter fungieren) bloß die Rosinen herauspicken und das Geschäftsrisiko für Investitionen, Lagerhaltung etc. weiterhin bei den Vertragspartnern bleibt. Das einzige Risiko, das ein Agent in einem EU-konformen echten Agentursystem zu tragen hat, ist das Provisionsrisiko. Es beschränkt sich darauf, ob es mit dem Kunden zu einem Geschäftsabschluss kommt oder nicht. Daher ist wie bei einem Immobilienmakler vertraglich sicherzustellen, dass der Agent für alle von ihm eingefädelten Geschäfte vom Hersteller auch tatsächlich die damit verbundene volle Provision erhält und der Hersteller nicht der Versuchung unterliegt, dank seiner Marktmacht Geschäfte direkt und provisionsfrei am Markt „abzufischen“.
Den Händlern muss in dieser Situation klar werden, dass es möglicherweise besser ist, auf bisherige Geschäftsbeziehungen zu verzichten. Im Einzelfall kann es lukrativer sein, neue Wege zu beschreiten.
A&W-WEBINAR
„Händlerverträge“
Zeit: 23. Mai, 16:00 bis 18:00 Uhr
Ort: Online über GoToWebinar
Referent: RA Dr. Martin Brenner
Kosten: 99,– Euro exkl. MwSt.; 84,15,- exklusiv für VÖK-Mitglieder