Umwelt- und Klimaschutz auf der einen, starke Preisanstiege und hohe Inflation auf der anderen Seite. Dazwischen befinden sich die Karosserie- und Lackierwerkstätten, die diesen Knoten auflösen müssen, wollen sie auch weiterhin wirtschaftlich einigermaßen gut dastehen. Gerade von den steigenden Energiepreisen sind die energieintensiven Unternehmen besonders betroffen und müssen mehr denn je auf eine sinnvolle Kalkulation Bedacht
nehmen.
Auf Krisen lässt sich entweder mit Aufgabe, Aussitzen oder (antizyklischen) Investitionen antworten. Was davon in Frage kommt, müssen die Unternehmenseigner für sich selbst festlegen. Das Thema Klimaschutz und Energiebedarf lässt sich gut mit energieeffizienten Technologien kombinieren, doch dazu braucht es Investitionen. Die kann nicht jeder Betrieb mitten einer Krise stemmen, und manche wollen es wohl auch nicht.
Den Energieverbrauch reduzieren, die Prozesse optimieren und damit das Geschäftsmodell zukunftsfit machen – darin kann der Schlüssel für künftigen ökonomischen Erfolg liegen. Es braucht aber die Bereitschaft, aktiv zu werden, denn gerade die Vergangenheit hat gezeigt, dass aufgrund fehlender Herausforderungen viele Betriebe die „Komfort-
zone“ nur selten verlassen haben.

In fünf Stufen zum nachhaltigen Erfolg
„Es gibt kein Zurück bei der Energiewende“, betont Unternehmensberater Stefan Höslinger, der sich auf die Beratung von Karosserie- und Lackierbetrieben spezialisiert hat. Er hat dazu ein 5-Stufen-Modell entwickelt, wie sich Unternehmen mit einem hohen Energiebedarf – Beheizung der Lackierkabine, Warmwasserbereitstellung, Beleuchtung etc. – hinkünftig energieeffizienter aufstellen können. Das Angebot reicht dabei von Sofortmaßnahmen bis hin zu langfristigen, nachhaltigen Technologien. „Jetzt ist der Druck da“, meint Höslinger, für den Investitionsprojekte sofort angegangen und nicht auf die lange Bank geschoben werden sollten.

Aller Anfang ist leicht
In Stufe 1 werden das Verhalten und die Prozesse näher begutachtet. Hier spielen neben der Wichtigkeit, welche die Unternehmensführung dem Energiethema beimessen sollte, die Mitarbeiter eine zentrale Rolle. Einfache Maßnahmen, etwa Anpassungen der Steuerung von Lackierkabinen, könnten schon einige Prozent weniger Energiebedarf bringen. Stufe 2 zielt auf teilweise automatisierte Prozesse, beispielsweise bei der Beleuchtung, ab. Geräte, die aktuell nicht benötigt würden, sollten vom Netz genommen werden. Die darauffolgende Stufe 3 beschäftigt sich mit der Produktion der für einen Betrieb benötigten Energie direkt am Firmenstandort, vorrangig aus erneuerbaren Quellen. Dazu zählen unter anderem Photovoltaik- und Biogas-Anlagen. Noch einen Schritt weiter geht Stufe 4. In dieser verzichtet ein Karosserie- und Lackierbetrieb bereits komplett auf fossile Energieträger. Wärmepumpen-, Pellets- oder Hackschnitzel-Heizungen sorgen hier für die notwendige Prozesswärme und die Warmwasseraufbereitung. Die finale Stufe 5 ist dann die direkte Kooperation oder der Zusammenschluss von Betrieben, die gemeinsam in die Energieproduktion (aus Windkraft) einsteigen. Das Ziel sind Energie-Erzeugungsgemeinschaften, die die selbst erzeugte Energie nicht nur verwenden, sondern den Überschuss auch am Markt verkaufen.

Netzwerke sind notwendig
Die Stufen 1 bis 4 können die Unternehmen noch relativ einfach im „Alleingang“ umsetzen, „für Stufe 5 müssen Netzwerke gebildet werden“, betont der Berater. Es gebe zwar am Markt mittlerweile immer mehr effiziente Lacksysteme, aber auf diese müssten auch die Prozesse abgestimmt werden. „Das Thema Energie konkurriert in vielen Fällen mit dem Thema Prozesse, beide Bereiche müssen berechenbarer werden“, betont Höslinger. Neben der derzeit über allem stehenden Energiekostenproblematik dürfen aber auch weitere wichtige Punkte nicht zu kurz kommen. „Das betrifft ebenso das Thema Leichtbau, das nicht alle Betriebe auf dem Radar haben. Generell werden der Multi-Material-Mix und der richtige und professionelle Umgang damit immer relevanter.“
Aber nicht alle Karosserie- und Lackierwerkstätten können mit den wirtschaftlichen Gegebenheiten und Notwendigkeiten für die Zukunft Schritt halten: „Die hohe Investitionsgeschwindigkeit wird vor allem kleine Betriebe vor Probleme stellen. Diese müssen rasch aktiv(er) werden“, ­prognostiziert Höslinger.

Nachfrage ist gegeben
Den Unfallreparaturmarkt sieht er generell im Hoch. „Krisenzeiten sind und waren immer gute Zeiten für den Reparaturmarkt, die Nachfrage wird hoch bleiben.“ Die zunehmende Technologisierung und die Digitalisierung würden dazu beitragen, dass Instandsetzungen immer komplexer und damit auch teurer würden. „Der Aufwand für die Beseitigung von Schäden ist deutlich größer geworden, und die Nachfrage nach verkaufbaren Stunden in den Kfz-Betrieben wird steigen“, ist sich der Berater sicher. Investitionen müssen neben der technischen Ausstattung und den damit verbundenen ­Energieeffizienzmaßnahmen auch im Personalbereich getätigt werden. „Die (freien) Werkstätten müssen in der Lage sein, auch hinkünftig Reparaturen nach Herstellervorgaben durchzuführen. Dazu braucht es entsprechend gut ausgebildete Mitarbeiter“, pocht Höslinger auf eine kontinuierliche Investitionsbereitschaft.

Theorie versus Praxis
Doch gerade Investitionen sind in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht von allen Betriebsinhabern zu stemmen. „Bis dato hat der Anteil der Energie- an den Gesamtkosten eines Karosserie- und Lackierbetriebs rund 3 Prozent betragen, nach den Erhöhungen sind es 7 bis 9 Prozent“, mahnt Mst. Manfred Kubik, stellvertretender Bundesinnungsmeister der Fahrzeugtechnik und Österreichs oberster Karosseriebautechniker, besonders darauf zu achten, dass die Kalkulation in den Betrieben stimmt. Die Weitergabe von Kosten an die Endkunden und die Versicherungen stünden da vielfach im Raum, können aber nicht immer so einfach umgesetzt werden. „Schließlich lassen sich Stundensätze nicht ins Uferlose erhöhen“, plädiert Kubik dafür, auch die ­Position des Gegenübers nicht zu vernachlässigen.

Enger Austausch mit den Lieferanten
Er rät dazu, engen Kontakt mit den Lacklieferanten zu suchen und energiesparende Materialien und Technologien einzusetzen. In welchem Ausmaß sich mit den innovativen Produkten Einsparungen erzielen ließen, werde allerdings wohl erst der kommende Winter zeigen, meint Kubik. Die neuartigen Technologien kommen zwar in vielen Firmen bereits in der Gegenwart zum Einsatz, konkrete Ergebnisse würden aber in den seltensten Fällen vorliegen, hört Kubik aus den Betrieben.
Technische Umrüstungen in Lackierbetrieben hält er generell für schwierig, denn gerade Erdgas und Heizöl hätten aufgrund des hohen Energieinhaltes für die Beheizung von Lackierkabinen durchaus ihre Berechtigung. Andere Energieträger müssten hier erst einmal den Beweis antreten, dass diese die thermischen Anforderungen ebenso gut erfüllen können.

Eine Frage der Genehmigungen
Eine weitere große Herausforderung bildet die rechtliche Seite, denn gerade Betriebe in Ballungsräumen würden laut Kubik bei einem massiveren Umbau aufgrund der aktuellen rechtlichen Vorgaben wohl kaum eine neue Betriebsanlagengenehmigung bekommen. „In diesen Gebieten sind schlichtweg ­keine größeren Umbauten möglich“, stellt er klar.

Rechnen sich die Aufwendungen?
Daneben stellt sich ebenso die Frage der Amortisation von Aufwendungen in neues technisches Equipment, und nicht zuletzt kann heute niemand mit Gewissheit sagen, wie sich die Energiepreise in einigen Monaten entwickeln werden. „Wenn ein Betriebsinhaber vernünftig ist und seine Zahlen im Kopf hat, kann er die Frage, ob kurzfristig investiert oder lieber abgewartet werden soll, ganz einfach für sich selbst beantworten“, betont der Branchenvertreter.
Wenig finanzieller Spielraum
Bei vielen Unternehmen sieht er gegenwärtig allerdings recht wenig finanziellen Spielraum für größere Investitionen. Aber selbst wenn die nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung stünden, ist ungewiss, ob genügend technisches Gerät verfügbar ist und ausreichend Fachkräfte für die Installation vorhanden sind, stellt Kubik in den Raum.
Welcher Weg der richtige ist, lässt sich wie so oft nur im Einzelfall entscheiden. Eines steht jedoch fest: Die Betriebe müssen sich stetig weiterentwickeln.