A&W: Wie hat sich Ihr Lack-Geschäft (im Bereich Autoreparatur) in den vergangenen 1,5 Jahren hinsichtlich Volumen, Lieferfähigkeit und Preis verändert, und welche weiteren Auswirkungen sind zu erwarten?

Lanzerstorfer, PPG: Den Umständen entsprechend ein "Auf und Ab". Trotz der widrigen Umstände sind wir als PPG ganz gut durch diese Zeit gekommen. Dies dürfte auch der Tatsache geschuldet sein, dass wir einen sehr hohen Anteil an familiengeführten Karosserie-Werkstätten als Kunden haben. Diese konnten sich wesentlich flexibler durch diese Zeit manövrieren. Die Rohstoffkrise und die extrem gestiegenen Transportkosten und daraus folgenden Preisanstiege sind eine enorme zusätzliche Herausforderung. Wir können als Beschichtungsproduzent nicht alles abfedern und mussten natürlich unsere Preise den Gegebenheiten anpassen. Aus heutiger Sicht wird sich diese Situation frühestens Mitte 2022 entspannen.

Kapeller, AkzoNobel: Bei Akzo Nobel Coatings VRÖsterreich sind wir verhältnismäßig gut durch die Pandemie gekommen. Lediglich zu Beginn des Lockdowns mussten wir für wenige Wochen Kurzarbeit anmelden. Danach erfolgte die Arbeit von zu Hause aus, und unsere Mitarbeiter sind im Rahmen der Hygienevorschriften aktiv zu den Kunden hinausgegangen. Dadurch war ein organisches Wachstum möglich. Als europäisches Unternehmen sind wir in der glücklichen Lage, dass wir über kurze Lieferwege verfügen und daher in Österreich immer lieferfähig waren. Allerdings war und ist es auch für AkzoNobel ein Balanceankt, die Rohstoffe aus Fernost rechtzeitig zu erhalten, um die Farbproduktion weiterzuführen. Bislang ist es uns aber gelungen, die Fertigung lückenlos aktiv zu halten, ebenso die Lieferkette. Was die Zukunft betrifft, sind wir dank unserer 3.000 weltweit agierenden Wissenschaftler und den 80 Laboren zuversichtlich, dass wir überausreichendes Know-how und die notwendige Manpower verfügen, um stets alternative Lösungen für die Herstellung von Farb-und Lackprodukten zu finden und gewisse Rohstoffe durch Neuentwicklungen zu ersetzen. Wegen stark gestiegener Lieferkosten und der Distributionskostenerhöhung musste AkzoNobeldie Preise nachjustieren. Allerdings achten wir darauf, dass die Preiserhöhungen so gering wie möglich und so hoch wie notwendig ausfallen.

Weismann, Cromax: Unser Umsatz hat sich hervorragend entwickelt und unsere Erwartungen sogarübertroffen. Einerseits haben die bestehenden Cromax Kundenbetriebe eine sehr gute Auslastung in den Lackierereien, und zudem konnten wir 17 Neukunden im Pkw-Lackierbereich gewinnen. Unsere Lieferfähigkeit konnten wir durch breit gefächerte Maßnahmen sicherstellen. So haben wir zum Beispiel unsere Lagerkapazitäten erweitert und Lagerstände so weit aufgestockt, dass wir die Zeit der Engpässe überbrücken und unsere Kunden zuverlässig beliefern können.

Windbüchler, Axalta: Das Reparaturlackgeschäft bei Axalta hat sich insgesamt sehr gut entwickelt und bald nach dem ersten Schock im letzten Jahr erholt. Insgesamt ist die Liefersituation stabil, wobei wir hier sehr genau die Einflussfaktoren beobachten, um im Bedarfsfall unmittelbar zu reagieren. Unsergesamtes Team bringt enorme Anstrengungen tagtäglich dafür auf, agiert sehr fokussiert und professionell, und es ist uns auch gelungen, einige Wachstumsprojekte umzusetzen - das ist eine wichtige Basis. Es ist allerdings keineswegs leichter geworden, ganz im Gegenteil, und maximale Sensibilität für die genannten Themen ist weiterhin notwendig.

Rieser, BASF: Zum Glück gibt es bei uns bis jetzt keine Lieferprobleme. Unsere Logistik ist hier gut aufgestellt und kann Schwankungen gut abfedern. Momentan steigen die Kosten, v. a. auch für Rohstoffe, exorbitant. Diese müssen wir leider teils weitergeben, um unsere Innovationskraft abzusichern.

Mit welchen Produkten, Dienstleistungen, Schulungen oder Lösungen (beispielsweise in den Bereichen Digitalisierung, Organisation oder Nachhaltigkeit) können Sie die Betriebe unterstützen?

Kapeller, Akzo Nobel: Wegen der stetig steigenden Anforderung am Markt sehen wir uns nicht mehr als reinen Lacklieferanten sondern vielmehr als Consultant für Lackierbetriebe. Daher bieten wir über Lackprodukte hinaus viele Lösungen, mit denen sich unsere Kunden für die Zukunft profitabel aufstellen können. Konkret können wir mit dem Paint PerformAir die Betriebe bei der Energieeinsparung sowie bei der Reduktion von CO2-Emissionen unterstützen. Dank seiner Eigenschaften können Betriebe mit dem PPA nachhaltiger arbeiten und bis zu 70 % Energie einsparen. Das ist angesichts der stark steigenden Energiepreise sowie der CO2-Steuer ein entscheidender Punkt. Zudem achten viele Versicherungsunternehmen und Schadensteuerer darauf, dass ihre Partnerwerkstätten den aktuellen Umweltanforderungen gerecht werden. Mit dem PPA können Lackierbetriebe diese Anforderungen erfüllen. Für die digitale Farbtonsuche und die zunehmende Digitalisierung der Werkstattprozesse halten wir unsere Software MIXITTM sowie die Workflow Software CarbeatTM bereit. Letztere stellt den Reparaturstatus eines Fahrzeugs von der Annahme bis zur Ausgabe mit jedem Arbeitsschritt für alle Abteilungen sichtbar dar und gewährleistet neben schlanken Prozessen eine hohe Zeit- und Kosteneffizienz. Was den zunehmenden Fachkräftemangel betrifft, unterstützen wir die Betriebe mit einem ausgefeilten technischen Schulungsprogramm. Darin enthalten sind auch aktuelle Themen wie Hochvoltseminare, E-Mobilität oder die professionelle Fahrzeugdesinfektion. Mit dem Acoat Selected Ausbildungs-College bieten wir zudem ein spezielles Trainingsprogramm zur gezielten Nachwuchsförderung an. Im übrigen haben wir seit Oktober 2021 Manuel Winkler als neuen Trainer und Koordinator des Schulungszentrums in Elixhausen an Bord – er wird mit seiner langjährigen Erfahrung als Lackierermeister Mitarbeitern aller Leistungsstufen in praxisnahen Schulungen branchenrelevantes Know-how vermitteln. Last but not Least bietet unser Acoat Selected Netzwerk auch im kommenden Jahr ein umfangreiches Angebot, um sich in der Branche auszutauschen und anhand gezielter Schulungen nicht nur technisch, sondern auch betriebswirtschaftlich weiter zu entwickeln.

Lanzerstorfer, PPG: PPG hat sich hier sehr gut aufgestellt und bietet bereits viele Möglichkeiten den Arbeitsablauf zu vereinfachen und zu entzerren. Z.b. Moonwalk als automatisches Mischsystem, Inventory als Bestell- und Lagermanagement System um unnötige Arbeitsgänge zu vermeiden und die Kosten im Betrieb zu reduzieren. Weitere Entwicklung sind unser Prozessmanager – eine digitale Lösung zu Ablaufsteuerung. Zusätzliche Lösungen zur vollen Digitalisierung der Werkstätte werden dann Anfang 2022 ausgerollt. Weiters bieten wir unseren Kunden unser MVP Programm als Beratungs- und Werkstatttool an um Schwachstellen im Betrieb zu analysieren und Lösungen anzubieten diese zu beheben. Das ist, und kann ein Beitrag sein um die Werkstattabläufe effizienter zu gestalten.

Rieser, BASF: Die Nachhaltigkeit spielt auch in unserer Branche eine große Rolle. Mit unseren umweltfreundlichen MassBalance-Produkten setzen wir hier schon seit einigen Jahren ein starkes Zeichen. Mit der Reihe 100 von Glasurit haben wir nun ein Basislacksystem eingeführt, dass Vorreiter ist: Wir liegen beim VOC-Gehalt deutlich unter den gesetzlichen Forderungen. Zudem arbeiten wir an Lösungen, die über die digitale Farbtonmessung hinausgehen. Cloudbasierte Systeme werden in Zukunft die Prozesse in den Werkstätten optimieren. Wir haben ein starkes Netzwerk an Experten. Unser Angebot an physischen und digitalen Schulungen soll unsere Kunden darin unterstützen, den Anforderungen des Marktes stets gerecht zu werden.

Windbüchler, Axalta: Neben unseren extrem effizienten und schnellen, alternativ auch energie-sparenden Produktsystemen im Sinne der ökologischen Nachhaltigkeit setzen wir vor allem auch auf zeitgemäße Trainings & Weiterbildung, maßgeschneidert für die einzelnen Zielgruppen. Um unsere Partner fit für Gegenwart & Zukunft zu machen, haben wir soeben innovative Unternehmensdienstleistungen und Services unter einer neuen Marke „DRIVUS“ auf den Markt gebracht. Mit der Managementsoftware Repscore.net haben wir DAS digitale Bindeglied zwischen unseren Werkstätten im Automotive Repair Network (ARN) und Auftraggebern.

Weismann, Cromax: Mit der Innovation des neuen Klarlacks CC6750 erreicht das weltweit wirtschaftlichste Lacksystem von Cromax nochmals eine neue Stufe an Schnelligkeit und Effizienz. Die extrem schnelle Trocknung in nur 30 Minuten bei 20°C und gar nur 5 Minuten bei 60°C reduziert den Energieverbrauch erheblich. Im System mit dem Cromax PS-Füller können Sie somit die Reparaturzeit inklusive Trockenzeit massiv verkürzen. Ein Neuteil kann mit dem Ultra Performance Nass-in-Nass Füller sogar in der unglaublichen Rekordzeit von nur 36 Minuten fertiggestellt (Lackier- und Trockenzeit zusammen) werden! Im Bereich Digitalisierung bietet Cromax mit ChromaConnect ein drahtloses, digitales System für alle Prozesse von der Farbtonfindung bis hin zur Mischung des Farbtons. Die cloudbasierte Lösung ermöglicht die vollständige Kontrolle über das Farbtonmanagement und enorme Flexibilität durch Wi-Fi-fähige Geräte einschließlich drahtloser Waagen und Drucker. Unser modernes Schulungszentrum in Linz steht unseren Kunden für eine Vielzahl an Schulungen und Trainings sowohl im Lackier- als auch im Managementbereich zur Verfügung. Wir entwickeln unsere Schulungen ständig weiter und bieten dadurch immer ein breites Schulungsangebot am Puls der Zeit.

A&W: Wie hat sich das Autoreparatur-Geschäft in den vergangenen 1,5 Jahren bei Ihren Kunden, den Betrieben, entwickelt, welche weiteren Auswirkungen sind hier zu erwarten?

Windbüchler, Axalta: Diese Entwicklung ist aus meiner Sicht ambivalent verlaufen, lokal unterschiedlich und beeinflusst von der Kundenstruktur der Werkstätten. Die individuelle Mobilität mit dem Auto hat sich verändert, gleichsam haben wir in Österreich einen hohen Bestand an jungen Fahrzeugen, dierepariert werden. Geschäft ist da, der Wettbewerbsdruck und Anspruch haben sich aber immens verschärft.

Weismann, Cromax: Unsere Karosserie-und Lackierbetriebe hatten und haben eine großartige Auslastung. Einen wesentlichen Anteil daran haben auch die Unwetter mit vielen Hagelschäden im vergangenen Sommer. Auch die Nachschubprobleme vieler Lieferketten im Neuwagenbereich haben einen Anteil am Wachstum im Reparaturgeschäft. Vielfach verzögert sich der Neuwagenkauf, und bestehende Fahrzeuge werden repariert, was unseren Kundenbetrieben zugutekommt.

Rieser, BASF: Einzelne Reparaturen werden komplexer und damit auch teurer. Durch die neuen Assistenzsysteme und auch die steigende Anzahl der E-Autos werden die Reparaturen zudem anspruchsvoller. Die Werkstätten werden ihre Mitarbeiter darauf schulen müssen. Wir unterstützen sie dabei mit unserem Netzwerk an Experten.

Kapeller, AkzoNobel: Das Geschäft unserer Kunden konnte dank staatlicher Hilfe aufrechtgehalten werden. Wir haben zum Glück keine Insolvenz zu verzeichnen. Zwar haben sich Auftragslage und Umsatz verringert, aber der Rückgang blieb im Rahmen. Eine Stellschraube war der große Hagelschaden, durch den sich das Geschäft unsererPartnerbetriebe erholen konnte. Dennoch blieb es unter dem Niveau von vor Covid. Für die Zukunft bedeutet das, dass wir als Lackhersteller noch mehr daran arbeiten, für unsere Kunden neue Geschäftsfelder zu eröffnen, damit sie zum klassischen Geschäft auf weitere Standbeine zurückgreifen können, wie etwa das Caravan-Geschäft.

Lanzerstorfer, PPG: Hier zeichnet sich ein sehr differenziertes Bild, abhängig von Region, Größe des Betriebes, freien Werkstätten oder Autohandel mit Werkstätten. Aber wie auch bei uns als Lieferant unterliegen auch die Autoreparatur-Werkstätten in dieser Zeit großen Schwankungen und schwer planbarer Auslastung. Durch die größeren Hagelunwetter in manchen Regionen und das erhöhte Verkehrsaufkommen über diesen Sommer hat sich die Lage etwas stabilisiert, aber ich denke, sicher noch nicht auf dem Niveau von 2019. Die weiteren Auswirkungen werden, natürlich wie die gesamte Wirtschaft, auf den weiteren Verlauf der Pandemie und in manchen Bereichen auch vonden Lieferengpässen abhängen.

A&W: Was sind derzeit die drei größten Herausforderungen im Lack-und Karosseriebereich?

Weismann, Cromax: 1) Die Preissteigerungen bei den Herstellern stellen die gesamte Branche vor Herausforderungen. Die können wir als Händler zwar nicht beeinflussen, jedoch unternehmen wir größte Anstrengungen, diese unseren Kunden gegenüber so weit wie möglich abzufedern.
2) Die Lieferfähigkeit von vielen Herstellern ist momentan stark eingeschränkt. Durch eine besonders intensive Lageraufstockung können wir dies aber ebenfalls abfedern. Dies sehen wir als unsere Pflicht als Händler, um unsere treuen Kunden und Partner unterbrechungsfrei und mit dem gewohnten Service bedienenzu können 3) Die sich häufig ändernden Corona-Maßnahmen, die doch auf einige Branchen einen negativen Einfluss haben. Diese sind ein Faktor, den wir als Händler nicht beeinflussen können. Wir sehen aber im täglichen Kundenkontakt, dass die Betriebe sehr professionell damit umgehen, und sind somit zuversichtlich, dass auch diese Phase bis zum hoffentlich baldigen Ende der Pandemie von allen Betrieben gut überstanden wird.

Rieser, BASF: Die automobile Entwicklung ist gerade in den letzten Jahren rasant vorangeschritten. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf den After- Sales-Bereich. Wie erwähnt werden die Reparaturen komplexer werden. Hier gilt es Schritt zu halten. Und natürlich hat der Fachkräftemangel große Auswirkungen in den Werkstätten.

Kapeller, AkzoNobel: 1) Betriebe stehen vor der Herausforderung, bei wachsendem Kostendruck die Rentabilität zu halten oder zu steigern. Besonders die Themen Energieeffizienz und die Einsparung von CO2 werden in den nächsten Jahren neue Lösungen oder besondere Maßnahmen erfordern. In Österreich wird sich die Situation bereits 2022 wegen der CO2-Steuer verschärfen, sodass ressourcenschonende Reparatur- und Lackierprozesse unumgänglich sein werden. 2) Darüber hinaus wird die Farbtonfindung immer umfangreicher und anspruchsvoller. Inzwischen kommen jährlich 4.000 bis 5.000 neue Farbcodes inklusive Nuancen hinzu, die visuell nicht mehr darstellbar sind. Daher sind neue, digitale Lösungen zurFarbtonfindung, bestenfalls cloudbasiert, notwendig, um hier rentabel und kosteneffizient agieren zu können. 3) Als wesentlichen dritten Punkt sehen wir den zunehmenden Fachkräftemangel und die immer dünner werdenden Personaldecken in den Betrieben. Weitere Themen, die zu Herausforderungen erwachsen können, sind neue Technologien in der Fahrzeugtechnik wie E-Mobilität und Fahrzeugsicherheit, die besonderes Knowhow bei der Instandsetzung erfordern.

Lanzerstorfer, PPG: 1) Die Auslastungsschwankungen und die Unsicherheiten der laufenden und kommenden Entwicklung. 2) Der Fachkräftemangel bzw. Lehrlingsmangel: die Lage ist in manchen Regionen äußerst dramatisch, und im Grunde ist keine Besserung in Sicht. 3) Die fortschreitende Digitalisierung, die auch in den Lackierbetrieben Einzug hält. Hier ist Offenheit für Neues und Flexibilität gefragt.

Windbüchler, Axalta: Fachkräftemangel, Marktdynamik im Sinne der Marktteilnehmer (Auftraggeber), Modernisierung&Prozessoptimierung.