Wenn man einen internationalen Vergleich zieht und sich ansieht, welche Situation in den Schadensteuerungs-Hochburgen England oder Belgien herrscht, darf man inÖsterreich zufrieden sein. Dabei reicht es schon, zu den direkten Nachbarn nach Deutschland zu blicken, wo die Rechnungskürzung zum Geschäftsmodell für neue Anbieter geworden ist. Spezialisierte Unternehmen kürzen im Auftrag der Versicherungen die Rechnungen der Werkstätten, die dann umgekehrtwieder eingeklagt werden.

Das betrifft etwa Kleinmaterial oder Nebenkosten, wo es in Österreich Konsens mit einer fixen Pauschale gibt. "Wenn die Rechnung laut Versicherungsgutachten erstellt wird, gibt es in Österreich in der Regel keine Prüfung, und die Rechnung wird bezahlt", erklärt Ing. Martin Freitag, allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Kfz-Sachverständiger die Vorteile des österreichischen Systems. "Zudem erhalten die Werkstätten von den Versicherungen üblicherweise Deckungszusage und können sich auf die Zahlungskraft der Versicherungen verlassen. Selbst wenn sich die Schuldfrage ändert oder der Kunde insolvent wird: Die Werkstätte bekommt ihr Geld", lobt Freitag.

"Außerdem haben wir in Österreich grundsätzlich noch keine Schadensteuerung bei der Kasko. Ausnahmen - im positiven Sinne - betreffen eine Besserstellung des Kunden (zum Beispiel reduzierter Selbstbehalt), wenn dieser wieder zum ausliefernden Kfz-Betrieb kommt.

Beilackieren und Fehlercode als Diskussion

Bei aller Harmonie gibt es freilich auch in Österreich immer wieder Diskussion und Differenzen. Als Beispiel nennt Freitag den Dauerbrenner Beilackieren, der in Deutschland deutlich selbstverständlicher ist als bei uns. Jüngstes Beispiel ist heuer die Berechnung der Fehlercodeauslese und -löschung, die derzeit von der Versicherung nicht bezahlt wird. Während der Versicherungsverband der Meinung ist, dass diese Tätigkeit nicht Bestandteil der Reparatur ist, sieht Freitag die Situation anders. "Es ist heute nicht möglich, eine Reparatur durchzuführen, ohne Fehlercodes zu verursachen", so Freitag. Das beginnt bereits beim Absteckender Parksensoren bei der Stoßstangen-Reparatur, von Assistenzsystemen ganz zu schweigen. "Ohne Fehlercodeauslese lasse ich heute kein modernes Auto aus der Werkstätte rausfahren", erklärt Freitag. "Und hier reden wir von 0,3 Stunden Arbeitszeit." Auch die Höhe des Schadens und damit des Reparaturauftrags führt naturgemäß immer wieder zu Diskussionen.

"Wichtig ist grundsätzlich, dass die Werkstätten selber kalkulieren und selber bewerten", empfiehlt Freitag. Und beklagt, dass die Fahrzeugbewertung von der Versicherung nicht mitgeteilt wird. "Das wäre so wichtig, etwa bei einer Zeitwertreparatur. Ich bin für volle Transparenz."

Rechtsanwalt und Kfz-SV einsetzen

Der auf Verkehrsrecht spezialisierte Wiener Rechtsanwalt Mag. Hannes Ewald Grabner kennt die Möglichkeiten von Werkstätte und Kunden: "Grundsätzlich darf der Geschädigte immer einen Rechtsanwalt einschalten", so Grabner: "Das empfehle ich etwa, wenn es zu Divergenzen kommt, wenn es sich um eine Zeitwertreparatur handeln könnte, wenn sich die Versicherung nicht zurückmeldet, und auf jeden Fall, wenn es sich auch um einen Personenschaden handelt." Dabei sollte die Werkstätte dem Kunden empfehlen, den Anwalt selbst zu beauftragen. "Bei eindeutiger Schuldfrage muss der Schädiger den gesamten Aufwand bezahlen, dennoch ist eine Rechtsschutzversicherung immer von Vorteil." Generell empfiehlt Grabner, im Haftpflichtfall einen freien, gerichtlich beeideten Sachverständigen zu beauftragen: "Das ist das Recht des Geschädigten und sollte von der Versicherung ebenfalls bezahlt werden, was jedoch immer wieder zu Auffassungsunterschieden mit Versicherungen führt", so Grabner.

Fazit: In Österreich funktioniert die Abwicklung sehr gut! Im Zweifelsfall gibt das Recht der Werkstätte und vor allem dem Kunden noch zusätzliche Möglichkeiten.