Mit Dr. Stefan Perner, Dr. Martin Spitzer und Dr. Ernst Karner haben gleich drei prominente Universitätsprofessoren die Veranstaltung als Moderatoren geleitet und damit den wissenschaftlichen Ansatz untermauert. Zahlreiche Themen beschäftigen sich dabei natürlich mit der Zusammenarbeit von Versicherung, Sachverständigem und Kfz-Betrieb.
Auswirkungen auf Werkstätten und Versicherungen
Wie wird sich das Geschäft mit den Unfallreparaturen und deren Abwicklung in den nächsten Jahren weiterentwickeln? Diese Frage beschäftigt nicht nur die Werkstätten, sondern auch die Versicherungen. So auch Mag. Reinhard Seehofer, der als Geschäftsführer der Risk-Aktiv Versicherungsservice GmbH die Generali Versicherung AG im Kfz-Schadenausschuss des Versicherungsverbandes vertritt.
Signifikant ist der Konzentrationsprozess bei den Kfz-Versicherungen. Die großen vier der Branche kommen zusammen auf 58 Prozent Marktanteil. "Der Wettbewerb ist dennoch scharf", verweist Seehofer auf Preisschlachten bei Haftpflicht-und Kaskoprämien. Daher muss bei den Kosten gespart werden. "Die Teleexpertise hat sich voll durchgesetzt", deshalb werden 50 Prozent aller Schadenfälle ohne Vor-Ort-Besichtigung abgewickelt. "Neben niedrigeren Kosten verkürzt dies die Schadensabwicklung", dadurch stehen aus seiner Sicht den Geschädigten die reparierten Autos schneller zur Verfügung.
Den Prognosen der Zukunftsforscher steht Seehofer skeptisch gegenüber. Die haben durch Fahrassistenzsysteme und autonomes Fahren für 2030 um 90 Prozent weniger Unfälle prognostiziert. Derartige Szenarien werden für ihn immer unwahrscheinlicher. "Die Zahl der Schadenfälle ist in den letzten Jahren stabil", trotz aller Technik liegt der Anteil der Personenschäden bei Unfällen bei 7 Prozent. "Die unfallfreie Zukunft ist in der Realität noch nicht angekommen", zieht Seehofer nüchtern Bilanz.
Der technische Aufwand wird höher
Die durchschnittliche Schadenshöhe liegt derzeit bei 2.400 Euro je Sachschaden. Dies bei einem den Versicherungen durchschnittlich verrechneten Werkstätten-Stundenlohn von 140 Euro netto und jährlichen Steigerungsraten von 4 Prozent. "Der technische Aufwand der Werkstätten wird immer höher", sagt Seehofer. Aus dessen Sicht wird dieser Preistrend anhalten. Auch durch die immer höhere Komplexität der Fahrzeuge mit zusätzlichen Assistenzsystemen -von den Einparkhilfen bis hin zum Fußgängerschutz. Das führt zu teureren Ersatzteilen und komplexeren Reparaturen. "Die Zahl der Betriebe, die das alles reparieren können, wird sicherlich sinken", meint Seehofer. Er rechnet mit einem Selektionsprozess zu Lasten der freien Werkstätten. Durch aufwendigere Lackierungen werden nicht nur die Lohnkosten, sondern auch der Arbeitszeitaufwand zunehmen.
Schadenshöhe wird steigen
"Die durchschnittliche Schadenshöhe wird mit Sicherheit steigen!" Daher müssen nach Seehofers Überzeugung die Versicherungen diese Entwicklung in höheren Kaskoprämien berücksichtigen. Derzeit liegt das durchschnittliche Fahrzeugalter aller Unfallautos bei acht Jahren. "Das ist beachtlich hoch!" Für Seehofer ist dies der Grund, dass sich bei diesem "Altbestand" der zusätzliche Reparaturaufwand für neue Technologien derzeit noch nicht so bemerkbar macht. Er fürchtet jedoch, dass sich das schlagartig ändern kann. Die Versicherungen haben dieses künftige Reparaturkostenpotenzial bei allen neuen Fahrzeugmodellen deshalb unter genauer Beobachtung. Damit könnte sich das Verhältnis des Sachschadens zum Personenschaden -es liegt derzeit bei 70:30 - trotz der stabilen Zahl an Schadenfällen zu Lasten des Sachschadens verschieben.
Vom Schätzen zum Bewerten
Ing. Dr. Wolfgang Pfeffer, Obmann der gerichtlich beeideten Kfz-Sachverständigen, hat die "Kfz-Bewertung" auf neue Beine gestellt. "Früher haben die Sachverständigen noch Schätzmeister geheißen", erinnert er sich an die Sachverständigengutachten zu Zeiten des SV-Doyens Ing.Fritz Sacher. Diese haben ohne Datenbasis aus persönlichen Erfahrungen Schäden und Schadensfolgen taxiert. Anstelle der ersten Listen des eurotax-Gründers Helmuth Lederer stehen den Sachverständigen heute Preisanalysen zur Verfügung, in welche die tatsächlichen Marktpreise aller wesentlichenIT-Gebrauchtwagenportale einfließen.
Dies ist vor allem für die Reparaturwürdigkeit älterer Fahrzeuge von Relevanz. Zu deren Beurteilung werden die im unzerlegten Zustand geschätzten Reparaturkosten des Unfallautos dem Zeitwert gegenübergestellt. Dabei verlassen sich die Unfallgeschädigten in der Praxis vertrauensvoll auf die Schadensabwicklung derVersicherungen. Bei einem Bestand von 6,9 Mio. Kfz -davon 4,9 Mio. Pkw (Ende 2018) - waren dies zuletzt 535.000 Haftpflichtschäden mit Versicherungsleistungen von 1,28 Mrd. Euro und 850.000 Kaskoschäden mit einer Schadenssumme von 1,14 Mrd. Euro. "Das sind 71 Prozent des gesamten Unfallreparaturaufwandes", sagt Pfeffer. Aus seiner Sicht scheinen die Autofahrer trotz dieses großen Schadensvolumens mit der Schadensabwicklung der heimischen Kfz-Versicherer durchaus zufrieden. Nach seinen Hochrechnungen landen nur 2 Prozent aller Unfallschäden als "Verkehrssachen" bei Gericht - 98 Prozent werden außergerichtlich erledigt.
Freie Sachverständigenwahl
Dr. Bernhard Burtscher, Assistent am Zivilrechtsinstitut der WU Wien, verweist in diesem Zusammenhang auf die österreichische Eigenheit, dass nicht der Geschädigte, sondern die Haftpflichtversicherung des Schädigers "Herr der Schadensregulierung" ist. Der Geschädigte erstattet bei dieser bloß die Schadensmeldung -"alles andere läuft hinter den Kulissen -der Geschädigte bleibt Statist". Bei diesem "Service für den Geschädigten" erhebt sich jedoch die Frage, ob die Versicherungen die Grundsätze der schadenersatzrechtlichen "Naturalrestitution" ausreichend berücksichtigen.Denn das ABGB ist nicht davon ausgegangen, dass der Schädiger anstelle des Geschädigten die Schadensabwicklung vornimmt: "Dass einer, der einen verletzt, bei dem auch gleich die Operation vornimmt", wie Burtscher dies plastisch darstellt.
Naturalrestitution im Sinne des ABGB bedeutet die Herstellung eines gleichartigen, wirtschaftlich gleichwertigen Zustands. "Das wird es zu hundert Prozent nie geben", lassen sich nach Burtschers Analyse die Interessen des Schädigers und des Geschädigten oft nicht auf einen Nenner bringen. Da kommt dem Sachverständigen bei der Festlegung der Reparaturmethode und bei der Beurteilung der Reparaturwürdigkeit "eine bestimmte Hebelwirkung zu." Die der Geschädigte nicht aus der Hand geben sollte. Schon deshalb, weil er imStreitfall vor Gericht für die Höhe des Schadens beweispflichtig ist. Die Kosten eines vom Geschädigten beauftragten Sachverständigen sind daher Teil seines Schadenersatzanspruches - und beim Alleinverschulden des Unfallgegners von diesem auch voll zu ersetzen. Allerdings nur in der Höhe einesortsüblichen Honorars -und nicht bei Bagatellschäden unter 1.000 Euro. Andernfalls würde der Geschädigte gegen seine "Schadensminderungspflicht" verstoßen.
"Der Sachverständige sollte bei seiner Arbeit stets den optimalen Reparaturerfolg im Auge haben", verweist Pfeffer auf den Unterschied zwischen einem Sachverständigengutachten und einer Schadensexpertise der Versicherungen. Die von der Versicherung beauftragte Expertise kann richtig oder falsch sein -sie dientder Versicherung bloß als Kalkulationsgrundlage -und muss daher dem Geschädigten nicht einmal gezeigt werden. "Der unabhängige Sachverständige haftet nach §1299 ABGB auch Dritten gegenüber -sowohl für Über-als auch für Unterschätzung", daher kann dieser für sein Gutachten im Gegensatz zuden Versicherungsexpertisen laut Burtscher sowohl vom Unfallopfer als Auftraggeber als auch von der Versicherung des Unfallgegners für Fehler zur Kasse gebeten werden.
Kosten der Schadensabwicklung
Dr. Johann Kriegner, Schadenersatzexperte der Arbeiterkammer Oberösterreich, ortet im §2 des Kraftfahrzeughaftpflichgesetzes (KHVG) Schadenersatzansprüche, die über den reinen "Geldersatz" des ABGB hinausgehen. Er betont, dass rechtlich der Geschädigte "Herr der Reparatur" ist. Dem soll auch jener Aufwand ersetzt werden, der mit der ganzen Schadensabwicklung verbunden ist. So hat ihm die Versicherung etwa bei einem Totalschaden ein gleichwertiges Fahrzeug zu verschaffen - oder zumindest diesen Beschaffungsaufwand zu tragen. Angesichts der Probleme, mit denen Unfallopfer bei der Durchsetzung ihrer Schadenersatzansprüche - aktuell etwa dem neuen Versicherungsanbieter EuroHerc als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners - zu kämpfen haben, stieß Kriegners Vorschlag auch bei den professoralen Moderatoren auf offene Ohren.