Zukunft und Probleme der Mobilität werden nach wie vor fast ausschließlich aus der Perspektive von großen, rasch wachsenden Städten diskutiert. Dass aber auch vergleichsweise kleine Ballungsräume große Probleme mit dem Verkehr haben können, stellte Salzburgs Landesrat Mag. Stefan Schnöll in seiner Begrüßungsrede am "Ionica - World Mobility Forum" im Ferry Porsche Congress Center in Zell am See fest. "Salzburg wird als Staulandeshauptstadt bezeichnet", klagte Schnöll.
Technologie allein nicht die Lösung
Auch außerhalb der Stadt ist nicht alles eitel Wonne: Die Topographie und der touristische Verkehr seien verkehrstechnische Problemquellen - umso passender, dass eine Konferenz zum Thema "Zukunft der Mobilität" in einer Bezirkshauptstadt wie Zell am See stattfinde. Wie man im Lauf der Konferenz erfuhr, plant nicht nur Salzburg, sondern auch das ähnlich verkehrsgeplagte Graz den Bau einer Seilbahn durch die Stadt, um der Verkehrsprobleme Herr zu werden. "Die Technologie allein wird das Problem nicht lösen", postulierte Dipl.-Ing. Martin Schmied vom Umweltbundesamt in Dessau. Der Motorisierungsgrad in den Städten müsse gesenkt werden, forderte er - dann brauche man mittelfristig kaum noch öffentliche Stellplätze. Nötig seien dazu mehr Qualität beim ÖPNV und Förderungen für E-Mobilität und Mobilitätsdienstleistungen.
Diese sollen sich in ihrer Vielseitigkeit - geht es nachÖAMTC-Direktor Dipl.-Ing. Oliver Schmerold - künftig zu "Mobilitätsabos" bündeln, mit denen der Nutzer jederzeit die momentan passende Form der Mobilität wählen kann. Schmerold zeichnete das Bild einer Zukunft, in der die Grenzen zwischen privatem und öffentlichem Verkehr durch Sharing-Modelle oder ÖV-on-Demand (z. B. autonome Robo-Taxis) verschwimmen. Aber er brach auch eine Lanze für den motorisierten Individualverkehr; er glaube, dass alternative Kraftstoffe einen "großen Schritt zur Dekarbonisierung" bedeuten würden. Psychologische und soziologische Betrachtungen zum Umfeld der Mobilität lieferten Dr. Sophie Karmasin und Prof. Dr. Jens Dangschat. "Die Welt ist nicht rational", postulierte Dangschat, Soziologieprofessor an der TU Wien. "Den Menschen als reinen 'homo oeconomicus' anzusehen, ist falsch, wie aktuelle Forschungen belegen", formulierte es Meinungsforscherin Karmasin. Sie zitierte aus der "Mind-Behaviour-Gap"-Studie ihres Instituts, derzufolge die E-Mobilität hierzulande noch keinesfalls den nötigen sozialen Status genieße, der für einen Durchbruch erforderlich sei.
Der Mensch in der Mobilität
Ein weiteres Hindernis auf dem Weg in die neue saubere Mobilitätswelt: Was technischer Fortschritt möglich mache, werde oft durch das menschliche Verhalten wieder zunichte gemacht, wies Dangschat auf Paradoxien zwischen Absicht und Auswirkung von Entwicklungen hin. Als Beispiel führte er die Bemühungen, immer leichtere Autos zu bauen, während gleichzeitig immer größere, schwerere Fahrzeuge gekauft werden, ins Treffen. Oder: "Ich kaufe ein Elektroauto, also fahre ich mehr damit, weil ich der Umwelt ja nicht schade." Insgesamt, kritisierte Dangschat, "haben Umweltschutzmaßnahmen beimVerkehr zu mehr Flächenverbrauch und mehr gefahrenen Kilometern geführt".
Ein leidenschaftliches Plädoyer für E-Mobilität auf vier und vor allem auf zwei Rädern hielt Kurt Sigl vom deutschen Bundesverband E-Mobilität: "Wir müssen nicht mehr warten. Es ist alles da, und es ist auch nicht zu teuer. Das Problem sind Politiker, die Dinge nicht umsetzen wollen." Batterieelektrische Mikromobilität werde auf Druck der Industrie abgelehnt, weil sie die "Notwendigkeit des Zweitund Drittwagens eliminiert", grollte der ehemalige Audi-Manager. Aber auch technische Konzepte kamen auf der Ionica nicht zu kurz. Flugkonzepte wie das Ehang 216 des österreichischen Aerospace-Konzerns FACC standen neben E-Motorrädern von KTM und Johammer und E-Booten im Fokus des Interesses. Das AAV (autonomes Luftfahrzeug oder "bemannte Drohne") von FACC, das in Kooperation mit dem chinesischen Konzern Ehang entstanden ist, soll als Flugtaxi oder zum Gütertransport eingesetzt werden können. Prof. Dr. Stefan Butzmann von stoba e-Systems stellte einen innovativen Niedervoltantrieb vor, der in Baufahrzeugen, Gabelstaplern oder Traktoren zum Einsatz kommen könnte.
Viehböck - und Action!
Am Ende des Kongresses erzählte "Austronaut" Franz Viehböck - heute CTO und künftiger CEO der Berndorf AG - in seinem Festvortrag von seinen Erlebnissen als bisher einziger österreichischer Kosmonaut im Oktober 1991 auf der russischen Raumstation Mir.
An den folgenden Tagenübernahmen die Praktiker, unter anderen mit Drohnenflügen, Akku-Bootsrennen oder einem 24-Stundenrennen mit Elektroautos, das auf der höchsten Stelle der Großglockner-Hochalpenstraße endete. Die beiden Siegerteams legten in 24 Stunden je 1.054 Kilometer zurück. Die Ionica 2020 findet vom 15. bis 21. Juni statt.