Für die Zuhörer war es jedenfalls verblüffend, dass Peugeot Austria im laufenden Verfahren vor dem Kartellgericht Wien gleich an drei Verhandlungstagen den Ausschluss der Öffentlichkeit - einschließlich aller Peugeot-Händler - beantragt hat. In einem Verfahren, bei dem die vernommenen Peugeot-Händler verpflichtet waren, dem vierköpfigen Richtersenat als Zeugen die Wahrheit über ihre Zusammenarbeit mit Peugeot zu schildern. Das Kartellgericht wird meist aufgrund von Anträgen der Bundeswettbewerbsbehörde und des Bundeskartellanwalts tätig. Diese haben behördliche Befugnisse und können ganz legal Geschäftsgeheimnisse ausforschen. Sonst wären sie kaum in der Lage, illegale Kartelle aufzudecken. Zum Schutz dieser Geschäftsgeheimnisse darf im Kartellverfahren die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden.
Bei der Einvernahme der Peugeot-Händler hatte das Kartellgericht jedoch keine Bedenken, dass damit Peugeots Konkurrenten Peugeot-Geschäftsgeheimnisse in die Hände fallen könnten.
Der Dieselskandal hat gezeigt: Die Wahrheit kann dem Image einer Marke schaden. Dank der Wahrheit können sogar mächtige Konzernherren vor einem deutschen Strafrichter landen. Deshalb wird den Händlern mit vertraglichen Verschwiegenheitsklauseln ein Maulkorb umgehängt. Sobald ein Händler außerhalb des Gerichts die Wahrheit sagt, geht er daher das Risiko ein, aus dem Händlernetz zu fliegen. Die wahrheitsgetreue Aussage eines Händlers vor Gericht kann jedoch kaum als Vertragsbruch oder Imageschädigung gewertet werden. Vielleicht war es daher diese Wahrheitspflicht, die Peugeot im laufenden Prozess so irritiert hat.
Einer der vom Gericht öffentlich befragten Zeugen ist Markus Figl, seit 1999 mit drei Standorten und achtzig Mitarbeitern Peugeot-Partner. Seine Funktion als stellvertretender Obmann im Peugeot-Händlerverband hat er vor mehr als einem Jahr an den Nagel gehängt. "All meine Bemühungen sind bei Peugeot auf taube Ohren gestoßen", erklärte er dem Gericht, warum er seine Zeit lieber seinen Betrieben als fruchtlosen Gesprächen mit Peugeot-Managern widmet, die im Gegensatz zu früher heute nur die Weisungen aus Paris exekutieren dürfen.
Wie geht man mit Garantien um?
Mehrere Stunden widmeten sich die Kartellrichter dem Thema der Peugeot-Garantie. Ihre Zeugenbefragung ergab: Mittels sogenannter CVR-Werte versucht Peugeot, den Garantieaufwand einzudämmen. Händler, deren Garantieaufwand das vom Konzern vorgegebene Limit übersteigen, kommen in ein "Coaching-Verfahren". Wie es zu diesem Wert kommt, blieb den Peugeot-Partnern allerdings bislang verborgen. Als Garantieschulung deklariert, darf der unter Beobachtung stehende Händler nur noch über Garantiefälle bis etwa dreihundert Euro selbstständig entscheiden. "Für alles, was drüber liegt, ist ein Garantieantrag erforderlich." Jenen Betrieben, die trotz dieser "Beobachtung" zu viele Garantien reparieren, wird eine zweite Daumenschraube verpasst. Externe, von Peugeot beauftragte Firmen überprüfen bei einzelnen Garantiefällen, ob bei deren Abwicklung genau die Peugeot-Vorgaben eingehalten wurden. "Dieses Audit kann zu punktuellen Nachbelastungen der Händler führen", erläuterte Figl. Sollten sie weiterhin den CVR-Wert nicht erreichen, wird ihnen ein schärferes "Audit 2" angedroht. Bei dem werden die Garantiefälle der letzten zwölf Monate stichprobenartig überprüft - und deren Ergebnisse auf das Garantiegesamtvolumen hochgerechnet. "Da wird nicht mehr diskutiert, sondern eine Gesamtfehlerquote aus den Stichproben extrapoliert - und der sich daraus ergebende Betragdem Händler rückbelastet", verweist Figl das Gericht auf das Problem, dass die Prüfvorgaben der externen Prüfer mit jenen Vorgaben, die den Händlern bekannt sind, nicht übereinstimmen.
Ist die Qualität der Fahrzeuge schuld?
Bei Walter Mayers Autohaus in Gießhübl bei Wien ist trotz Coaching der Garantieanfall nicht zurückgegangen. Worauf ihm ein Audit verpasst wurde. "Da ja alle Garantieanträge schon vorweg von Peugeot geprüft und bewilligt wurden, konnten sie mir nichts nachbelasten", schilderte Mayer dieses jüngste Audit. Als der junge Prüfer lediglich auf eine magere Nachbelastung von etwa 350 Euro kam, ersuchte er seinen Chef um Rat. Und bekam die Anweisung, noch einen Tag weiter zu prüfen. "Danach kam letztlich eine Nachbelastung von siebenhundert Euro heraus." So liegt Mayers Betrieb trotz Audit weiterhin über dem von Peugeot vorgegebenen CVR-Wert. Was aus seiner Erfahrung nicht an der mangelhaften Garantieabwicklung, sondern an der Qualität der Fahrzeuge liegen dürfte.
Ein weiteres Problem ist, dass es für Peugeot aufgrund der zweijährigen Peugeot-Neuwagengarantie nur französische "Garantiefälle" und keine österreichischen "Gewährleistungsansprüche" gibt. Der rechtliche Unterschied zwischen Garantie und Gewährleistung bleibt von den Franzosen unberücksichtigt. "Nach den Garantievorgaben hat der Kunde einen Garantieauftrag zu unterschreiben - sonst wird uns der Garantieaufwand nicht ersetzt", macht Figl das Gericht darauf aufmerksam, dass er keinen Kunden zwingen kann, für seinen Gewährleistungsanspruch in der Gewährleistungsfrist einen derartigen Garantieauftrag zu unterschreiben. So muss nach den Garantierichtlinien ein Kunde auch bei mehrfachen erfolglosen Reparaturversuchen weiterhin Garantiereparaturaufträge unterschreiben -gewährleistungsrechtlich hätte er jedoch bereits einen Wertminderungs- oder Wandelungsanspruch.
Hinzu kommt, dass nach den Peugeot-Garantievorgaben Mitarbeiter von Firmen einen derartigen Reparaturauftrag von Haus aus nicht unterschreiben dürfen - falls keine entsprechende Vollmacht der Firma vorliegt. "Bei einem Audit führt das natürlich prompt zu einer Nachbelastung", gibt es nach Figls Erfahrung für Händler viele Möglichkeiten, nachträglich zugunsten von Peugeot auf einem bereits erbrachten Garantieaufwand sitzen zu bleiben.
Händler schicken Kunden zu Kollegen
Die Androhung von Peugeot, sich mit derartigen Audits und Nachbelastungen einen Teil der Garantiekosten vom Händler zurückzuholen, führt überdies zu einem "Garantietourismus". Bevor Betriebe das Risiko eingehen, von Peugeot nachträglich zur Kassa gebeten zu werden, schicken sie die Kunden einfach zu anderen befreundeten Peugeot-Partnern. Zu Markenkollegen, die nicht an der Grenze des Peugeot-CVR-Wertes kratzen - bei denen daher das Coaching-, Audit-u nd Garantienachbelastungsrisiko geringer ist.
Interesse zeigte das Gericht, wie hoch der tatsächlich anfallende Garantieaufwand ist - vor allem im Vergleich zum Ersatz, den der Händler dafür bekommt. Beim Stundenlohn macht Peugeot einen Durchschnittswert aus drei verschiedenen Lohntarifen. Der so ermittelte Durchschnittswert wird um 17 Prozent reduziert. "Die Höhe dieser Abschläge ist keinesfalls gerechtfertigt", hat Verbandsobmann Bernd Kalcher bisher vergeblich dagegen opponiert. Dazu kommt, dass die Richtzeiten für diese Garantiearbeiten von Peugeot einseitig diktiert werden. "Bei häufigen Arbeiten geht es sich mit einiger Routine aus, bei seltenen sind sie immer zu kurz." Den Kunden dürfen laut Figl die Mehrkosten für Richtwertzeitenüberschreitungen nicht verrechnet werden. Wobei für komplizierte Garantiearbeiten nur die erfahrensten -und damit teuersten - Kfz-Techniker eingesetzt werden können.
Völlig unzureichend ist auch der fünfprozentige Handlingaufschlag für Garantieteile. Nach der Musterkostenrechnung des Bundesgremiums sind dafür mehr als zwanzig Prozent erforderlich. Aufgrund der komplexen Garantievorschriften -"die sehr leicht zu Fehlern führen" - braucht Figl für die zeitgerechte und richtige Garantieabwicklung mit Peugeot dafür zwei Mitarbeiter. Unter diesen Umständen können nach Figls Erfahrungen weder bei ihm noch bei anderen Betrieben Garantiearbeiten kostendeckend durchgeführt werden.
Wir werden über das laufende Verfahren weiter berichten, wie wir es schon im Mai machten. Hier geht es zum damaligen Bericht.
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