Es geht darum, wie weit Peugeot seine Marktmacht dazu nutzen darf, um die an Peugeot vertraglich gebundenen Händler und Werkstätten wirtschaftlich unter Druck zu setzen. Die Entscheidung hat über den österreichischen Einzelfall hinaus auch für andere Hersteller europaweit Bedeutung. Diese sind daher nicht besonders glücklich, dass ihre "Kollegen" von der PSA-Gruppe es überhaupt bis zu einem Gerichtsverfahren kommen ließen. In den vergangenen Jahren hat der Druck der Autoindustrie auf ihre Vertragshändler europaweit massiv zugenommen. Das bekommen vor allem die Partner volumenstarker Marken zu spüren. Die Konzernzentralen geben ihre Befehle aus und die Händlernetze haben - mehr oder minder folgsam - zu gehorchen. Das oberösterreichische Autohaus Büchl möchte nun im Interesse aller Markenhändler gerichtlich klären, ob gegen eine derartige Knebelung kein Kraut gewachsen ist.
Konzerne wie etwa die PSA-Gruppe nutzen bei ihren Vertriebsstrategien die Tatsache, dass im österreichischen Recht weitgehend das Prinzip der Vertragsfreiheit gilt. Erlaubt ist alles, solange es nicht gegen "gute Sitten" verstößt. Nur für den Konsumentenschutz wurden eigene Regeln geschaffen. Die sollen verhindern, dass wirtschaftlich Schwächere vom "Vertragspartner" - eigentlich "Vertragsgegner" - über den Tisch gezogen werden. Unter Kaufleuten gibt es so etwas nicht. Eventuell kann das Kartellrecht diese Lücke füllen.
Dazu hat die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) aufgrund der vom Kfz-Bundesgremium gelieferten betriebswirtschaftlichen Daten der Markenhandelsbetriebe bereits 2016 ein Rechtsgutachten verfasst. Exemplarisch wurde aufgezeigt, mit welchen Vorgaben, Maßnahmen und Vertragsbedingungen die jeweiligen Importeure auf ihre Vertragshändler Einfluss nehmen und diesen ein positives Wirtschaften erschweren oder mitunter unmöglich machen.
Macht braucht Kontrolle
Die BWB kam zum Schluss, dass die großen Autokonzerne gegenüber ihren Markenhändlern als Lieferanten eine überragende Marktstellung haben, wenn diese "auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung angewiesen sind". Entscheidend sei dabei, ob dem Händler Ausweichmöglichkeiten offenstehen. Wenn es für eine Marke nur einen Importeur gibt, kann der Markenhändler seinen Bedarf nur bei diesem decken. Ein Markenwechsel wäre aufgrund der "investitionsintensiven Ausrichtung auf einen Vertragspartner" mit schwerwiegenden betriebswirtschaftlichen Nachteilen verbunden.
Dies führt zu einer Schwächung des Wettbewerbs. Die Kfz-Importeure trifft deshalb eine besondere Verantwortung dafür, dass ihre Möglichkeiten der Bindung ihrer Vertragspartner den Wettbewerb nicht zusätzlich beeinträchtigen. Für die BWB liegt unter diesen Umständen ein Missbrauch der Marktmacht dann vor, wenn Vertragsklauseln und Einkaufsbedingungen "zum bloßen unternehmenseigenen Nutzen des marktbeherrschenden Unternehmers zu qualifizieren sind." Oder wenn dem Vertragshändler Verpflichtungen auferlegt werden, "die für die Verwirklichung eines an sich legitimen Ziels entbehrlich sind und die Freiheit des Vertragspartners unbillig beschränken". Neben einem derartigen Missbrauch wirft Büchl-Anwalt Dr. Peter Thyri dem österreichischen Peugeot-Ableger Verstöße gegen das Nahversorgungsgesetz vor. Dort gibt es Bestimmungen über das "Kaufmännische Wohlverhalten", die es in Frankreich möglicherweise gar nicht gibt. § 1 NVG führt dazu exemplarisch "sachlich nicht gerechtfertigte Leistungen und Konditionen" an, die dem Händler aufgezwungen werden. "Insbesondere bei Fehlen einer entsprechenden Gegenleistung."
Viele Punkte müssen geklärt werden
Der Prozess zeigt nun, dass dies etwa auf den Umfang der gewährten Vergütungen für Garantie- und Gewährleistungsarbeiten zutreffen könnte. Oder auf die variablen Elemente der Bemessung von Handelsspannen und Bonifikationen. Wirtschaftlich läuft dies im Sinne des NVG auf Forderungen von Rabatten und Sonderkonditionen hinaus, die der Lieferant seinem Händler abpresst. Der Kartellsenat des Oberlandesgerichtes Wien hat nun in erster Instanz zu erheben, wie weit Peugeot Austria tatsächlich die Peugeot-Händler an die Kandare nimmt. Büchl fordert, dass Peugeot die bei Gericht angezeigten einseitig diktierten Maßnahmen abstellt. Oder dass das Gericht Peugeot Austria "die gegenständlichen Verhaltensweisen gemäß §6 NVG untersagt". Die Peugeot-Händler können bei diesem Verfahren nichts verlieren - denn schlechter als bisher kann es nicht werden. Riskant ist der Prozess aber für Büchl und seine Mitstreiter.
Die vom Händlerverband dafür ins Feuer geschickten Zeugen, der aktuelle Obmann Bernhard Kalcher, sein Vorgänger Walter Mayer und das ehemalige Vorstandsmitglied Markus Figl, wurden dazu bereits vernommen - übrigens gegen den heftigen Protest von Peugeot im Beisein der Öffentlichkeit.
So geheim, dass niemand zuhören darf
Diese wurde allerdings zur Vernehmung der aktuellen und ehemaligen Peugeot-Geschäftsführer "zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen" ausgeschlossen. Die so geheim sind, dass auf Antrag von Peugeot auch alle Peugeot-Händler als "Öffentlichkeit" bei der Einvernahme von MMag. Silvia Rieger ausgeschlossen blieben. Was auch für die kommende Vernehmung ihrer Kollegen Mag. Sebastian Haböck und Xavier Duchemin gilt, die mit ihr zusammen die PSA Retail GmbH leiten.
"Es könnten ja auch Vertreter von VW unter den Zuhörern sitzen, die das interessiert", lautete dazu die Peugeot-Begründung. Der Prozess wird im Mai und Juni weiter gehen. Wir werden berichten - trotz Ausschluss der Öffentlichkeit.
David gegen Goliath
1992 hatte sich Firmengründer Josef Büchl entschlossen, Peugeot-Händler zu werden. Heute beschäftigt seine Büchl GmbH an den drei Standorten Ried, Schärding und Mattighofen mit den drei Marken Peugeot, Citroën und Opel 50 Mitarbeiter. Unterstützt von seiner Ehefrau Pauline und seinen beiden Söhnen Clemens und Joachim kann er es sich als einer der wenigen Peugeot-Partner wirtschaftlich leisten, im eigenen Namen die Interessen aller Peugeot-Markenkollegen vor Gericht zu vertreten. Dazu gehört allerdings eine gehörige Portion Mut: Denn die PSA-Lenker in Paris haben an Bernhard Kalcher als Obmann des österreichischen Peugeot Händlerverbandes - der mit Ausnahme der beiden konzerneigenen Autohäuser in Wien und Linz alle Peugeot-Händler vertritt - bereits ein Exempel exekutiert. Ihm wurde einfach der Peugeot-Händlervertrag gekündigt. Als Signal, was aufsässige PSA-Partner in einem solchen Fall zu erwarten haben.
Das Sündenregister:
- Forderung unangemessener CI-Investitionen auf Kosten der Händler
- Unverhältnismäßige Überbindung von Aktionskosten auf die Händler
- Unangemessener Druck, möglichst wenig Garantiefälle zu bearbeiten
- Keine kostendeckende Refundierung des Gewährleistungsaufwandes
- Keine marktkonformen Preise für Test- und Diagnosegeräte
- Überhöhte Kosten für den Zugang zu technischen Informationen
- Willkürliche und einseitig bewertete Kundenzufriedenheitsumfragen
- Entzug von Prämienzahlungen auf Basis derartiger Erhebungen
- Verdeckte Spannenreduktionen via bewusst überhöhte Verkaufsziele
- Nicht bedarfs- und sachgerechte Schulungspauschale