Autohändler sind es längst gewöhnt, von den Kfz-Herstellern für Zielverfehlungen finanziell bestraft zu werden. Nun sind es erstmals die Autobauer selbst, denen derartige Strafen blühen. Und zwar, weil sie die ihnen von der Politik vorgegebenen CO2-Grenzwerte nicht erfüllen: Wer ab 2021 den Grenzwert von 95 g CO2/km überschreitet, wird von den Brüsseler Umweltschützern kräftig zur Kasse gebeten, und zwar pro Jahr mit 95 Euro pro Gramm pro Fahrzeug. Offen ist, wie sich diese Strafdrohung auf die Vertriebsstrategien der Autokonzerne auswirken wird.
Der ab 2021 vorgeschriebene Grenzwert von 95 Gramm ist leicht in Verbrauchswerte umgerechnet: Das Auto muss auf 100 Kilometer mit 3,6 Liter Diesel oder 4,1 Liter Benzin auskommen. Schon seit Jahren hat die EU jedem Land für die Einhaltung der Grenzwerte ein nationales CO2-Monitoring vorgeschrieben. Diese Abgaswerte hängen direkt vom Energieverbrauch des Fahrzeugs ab -und dieser in erster Linie vom Gewicht. Für jedes in Europa zugelassene Fahrzeug wird der erlaubte CO2-Wert basierend auf dem Fahrzeuggewicht errechnet. Letztlich werden die CO2-Werte aller in einem Land in Verkehr gebrachten Autos addiert und durch die Zahl der Zulassungen dividiert. Der sich daraus ergebende Durchschnitt wird mit den EU-Vorgaben verglichen.
Strenger Zuchtmeister
EU Die EU hat mit diesen 95 Gramm die weltweit ambitioniertesten Flottenziele: In den USA sind bis 2020 nur 121 g/km vorgeschrieben; amerikanische Autos dürfen daher 5,2 Liter pro 100 Kilometer verbrauchen. In China sind es 5 Liter, in Japan 4,5 Liter, in Europa durchschnittlich 3,8 Liter.
Wie sich die politischen Umwelt-Vorgaben auf Handel und Industrie auswirken, ist für alle Beteiligten schwer zu beurteilen, da sich diese 95 Gramm auf das Durchschnittsgewicht aller in der EU zugelassenen Kfz unter 3,5 Tonnen beziehen. Davon sind 88 Prozent Pkws und 12 Prozent leichte Nutzfahrzeuge. Die Hersteller schwerer Autos dürfen bei der CO2 Flottenemission ein bisserl über 95 Gramm liegen. Dafür müssen sich die Produzenten leichterer Autos etwas darunter halten. In Summe müssen es dann europaweit jene 95 Gramm sein, die von den Politikern vorgegeben wurden.
Deshalb werden den einzelnen Autoherstellern firmenspezifische CO2-Flottenwerte vorgeschrieben. Je nach deren Modellmix - und dem damit verbundenen durchschnittlichen Fahrzeuggewicht - variieren daher die Zielvorgaben für die einzelnen Hersteller. Daimler hat mit durchschnittlich 1.607 Kilogramm 2017 die schwersten Pkws verkauft, die Marken des Fiat-Konzerns mit 1.259 Kilogramm die leichtesten. Da in Summe viel mehr kleine (billige) als große (teure) Autos verkauft werden, liegt das durchschnittliche EU-Gesamtgewicht bei 1.390 Kilogramm.
Der durchschnittliche CO2-Ausstoß dieser gesamteuropäischen Pkw-Flotte betrug 2017 circa 119 g/100 km. 2015 lag das von der EU vorgegebene Ziel noch bei 130 Gramm, 2021 dürfen es nur noch diese oben definierten durchschnittlichen 95 Gramm sein. Bei den Produzenten leichterer Fahrzeuge -wie die des PSA-und FCA-Konzerns -liegt die Latte mit 91 Gramm deutlich niedriger, Daimler hat mit den schwereren Limousinen mit 103 Gramm etwas mehr Spielraum.
Extra Werte gibt es jedoch für die leichten Nutzfahrzeuge. Bei einem Durchschnittsgewicht von 1.798 Kilogramm kamen diese 2017 auf einen CO2-Durchschnittswert von 156 g/100km -womit sie die Zielvorgabe von 175 Gramm deutlich unterschritten haben. Daher wird es diesen auch leichter fallen, die 147 Gramm als Zielvorgabe für 2020 zu erreichen.
Dass die europaweiten Zielvorgaben nicht erreichbar sind, wissen alle Beteiligten seit Langem (siehe A&W 6/17 -"Der Flottenwahn"). Nach einer Prognose der PA Consulting Group werden nur PSA (Peugeot Citroën), FCA (Fiat Chrysler), Renault- Nissan, Toyota und Volvo 2020 ihre herstellerspezifischen Ziele erreichen. Insgesamt werden die Bußgelder der Autoindustrie Jahr für Jahr hunderte Millionen in die strapazierten Kassen des EU-Budgets spülen. Das ist mit ein Grund, dass sich Europas Politiker imDezember 2018 nach einigem Feilschen darauf einigten, dass der Kohlendioxidausstoß von Neuwagen bis 2025 um weitere 15 Prozent und bis 2030 um 37,5 Prozent zu sinken hat. 2030 dürfen die europäischen Erstzulassungen im Europaschnitt somit nur noch 59,4 g CO2/km emittieren.
Musterknaben werden bestraft
Originellerweise wurden als Basis dieser Reduktion die Istwerte 2021 und nicht die Zielvorgaben 2021 genommen: Wer sich zur Vermeidung eines Bußgeldes bemüht, 2021 einen möglichst niedrigen Flottenverbrauch zu erreichen, wird das in den Folgejahren büßen. Denn er hat es dann umso schwerer, von diesem niedrigen Niveau aus die weiteren CO2- Reduktionen zu erfüllen und ständig niedrigere Werte erreichen zu müssen. Was ihm zur Freude der Umweltschützer und der EU-Politiker neuerliche Strafzahlungen bescheren wird.
Vom Timing dieser Strafzahlungen wird es daher abhängen, wann die Konzernstrategen welche neuen Modelle auf den Markt bringen. Denn beim Flottenverbrauch kommt es nicht nur aufs Gewicht an. Je höher der Anteil an Elektroautos und Plugin- Hybriden an der Gesamtflotte eine Herstellers ist, desto niedriger ist deren CO2-Durchschnittswert. FCA und Ford mischten bei diesem Geschäft in der Europastatistik 2017 überhaupt nicht mit. Dafür lag BMW mit 5 Prozent mit weitem Abstand an der Spitze. Gesamteuropäisch lag der Marktanteil dieser Fahrzeuge 2017 bei 1,4 Prozent.
Kleinwagen stärker unter Druck
"Die Hersteller leichter Autos haben es sicher schwerer, das Gewicht ihrer Flotte weiter abzusenken", stehen diese aus der Sicht von Univ.-Prof. Dr. Werner Tober von der TU Wien unter besonderem Druck, auf Alternativen auszuweichen. Der Industrie stehen dafür drei Möglichkeitenoffen:
Für die breite Masse wird es der Mild-Hybrid mit 48 Volt sein. "Da lassen sich zu vergleichbaren Kosten schon nennenswerte Verbrauchsreduzierungen erreichen", bewegt sich diese 48-Volt-Technik noch im Niederspannungsbereich und lässt sich noch ohne besondere Sicherheitsvorkehrungen meistern.
Für schwerere Modelle wie etwa SUVs kommen die Plug-in-Hybride infrage, die auch rein elektrisch fahren können. Ihr tatsächlicher Benzinverbrauch - und damit ihr CO2-Ausstoß -hängt davon ab, wie viel sie neben der Rekuperation ihres Elektromotors an der Steckdose tanken. "Ihre Mischnorm ist nurschwer errechenbar", wird es aus der Sicht von Tober Fahrer geben, die ihren Hybrid rein elektrisch, und andere, dies ihn nur als Benziner nutzen.
Als dritte Variante bleibt der rein elektrische Antrieb. Dessen Verbreitung wird neben einem attraktiven Preis auch stark von der zur Verfügung stehenden Ladeinfrastruktur abhängen. Auf die haben die Autohersteller und Autohändler naturgemäß wenig Einfluss. Im Musterland Norwegen waren es in erster Linie gut situierte Stadtrandbewohner, welche die Förderungen der E-Mobilität für ihren Zweitwagen in Anspruch genommen haben. Auch in Österreich wird es -neben den gewerblichen Nutzern -jene kaufkräftige Oberschicht sein, die als Eigenheimbesitzer die Möglichkeit haben, in ihren Garagen oder Carports die E-Autos mit dem nötigen Saft zu versorgen.
Angesichts der begrenzten technischen Möglichkeiten wird es den Herstellern nur im Modellmix mit den neuen Hybridantrieben gelingen, die politischen CO2-Flottenziele halbwegs zu erreichen.