Was derzeit im Autobusiness von der Industrie gesagt und getan wird
-und welche Gegenstrategien vor allem dem fabrikatsgebundenen
Autohandel dazu einfallen müssen, um die onlinegeilen neuen
Marktspieler in Schach halten zu können.
Nach dem ermüdenden Schauspiel rund um die Aufarbeitung des von
Volkswagen heraufbeschworenen Dieselskandals macht sich im
klassischen Autohandel ein Gefühl von Gleichgültigkeit breit: Man ist
als fabrikatsgebundener als auch freier Autohändler froh, dass der
Autokauf überhaupt funktioniert. Der onlinebasierte Wettbewerb macht
Druck auf die Handelsmargen und die Hersteller heizen mit immer neuen
Vertriebsmodellen dem traditionellen Autohandel ordentlich ein. Das
Geraunze ist groß!
Die Theorie ist ein Hund Der Autohandel wird von den Herstellern mit
unklaren Vertriebsverhältnissen vor sich hergetrieben, die
Öffentlichkeit mit neuen digital orientierten Mobilitätsideen
beschäftigt, die noch weit von einer flächendeckenden Realität
entfernt sind.
"Reine Ablenkungsmanöver", kritisieren Marktteilnehmer wie Andreas
Parlic, Geschäftsführer der Autowelt Linz GmbH, "anstatt im digitalen
Datenzeitalter im Sinne der Autonutzer dem Autohandel die Brücke von
Old-zur Newschool zu schlagen." In der aktuellen Marktentwicklung auf
einheitliche Markenverbände zu setzen,nährt nur die Hoffnung der
Optimisten. Die Hersteller wissen aufkeimenden Zusammenhalt in ihrem
Sinn zu unterbinden, obwohl sich die analoge mit der digitalen
Autowelt nicht durch Vertragskündigungen lösen lässt, wie Prof.
Hannes Brachat festhält: "Fabrikatsgebundene Händler müssen selber
Antworten auf die Veränderung in künftigen Vertriebsszenarien finden.
Allein auf Hilfe von Markenkollegen zu warten, wäre naiv."
Überlebensstrategien vorhanden Dem Druck des Internets kann man mit
Persönlichkeit entgegenwirken. "Der kluge Autohandel hat Menschen mit
Handschlagqualität und begegnet Kundenangelegenheiten mit Empathie.
Etwas, was sie dem Hersteller voraus haben", skizziert Dr. Konrad
Weßner ein Machbarkeitsszenario.
Alle Strategien drehen sich um Mobilität, die externen Einflüsse
nehmen zu. Das Probieren, das Nutzen werden immer beliebter,
Interessenten bedienen sich des Internets zu ersten Auskünften,
kommen aber dann doch wieder ins klassische Autohaus, um den
Verkäufern, oft von Preisangst erfüllt, zu sagen, was User mögen. Der
Meinungsaustausch untereinander auf die Homepage gestellt, kann wahre
Verkaufswunder bewirken und andere Kunden überzeugen, exakt dieses
Autohaus zu frequentieren. In diesem Zusammenhang ist die neue
puls-Studie zum Empfehlungsmarketing 4.0 als Lektüre anzuraten. Ganz
anders die Töne der Hersteller und neuen Dienstleister im
Mobilitätsbusiness: Volkswagen Chief Digital Officer Johann Jungwirth
posaunt hinaus, bereits den "Schlüssel für das Auto der Zukunft" in
der Hand zu haben. Demnach verwandelt sich der Antrieb vom Verbrenner
zum E-Motor, dank autonomem Fahren wird der Mensch überflüssig, waswiederum Menschen retten hilft und auf Knopfdruck wird man künftig
von A nach B kommen. Der "Anwalt für das Neue" konnte oder durfte im
überregulierten europäischen Marktgefüge nur das Wann und Wie nicht
verraten.
"Hersteller reden völlig anders in die Öffentlichkeit als die Händler
real umsetzen können", kritisiert Kurt Kröger, Boss der 18 Marken
umfassenden Autohausgruppe Dello-Dürkop-Autohaus Hansa Nord aus
Hamburg: "One Button ist zwar schön, als Händler habe ich keine 10
Jahre Zeit, meine Leute ohne Umsatz zu beschäftigen."
Vom Autokäufer zum Autoabonnenten Nico Poletti, bayerischer
Start-up-Millionär, präsentierte nicht unsympathisch mit moyem.com
den Dreh vom Autokäufer zum Autoabonnenten. "Kunden zahlen für guten
Service, wollen jedoch nicht mehr besitzen!" Mobilität und weniger
Marke lautet sein Credo in die Vermarktungszukunft. Dass darunter die
Markenbindung zum Kunden verloren geht, interessiert zurzeit die von
Optimierung getriebene Autobranche wenig. Flexibilität wird das Wort
gesprochen, ist sich der Erfinder des Autoabonnements sicher, auch
wenn er einräumt: "Einfaches zu machen ist sehr komplex!"
Der schlaue Mann, der vom klassischen Autohaus die Interessen der
Millennials vernachlässigt sieht, braucht aber auch den Autohandel,
damit der Abonnent das Fahrzeug physisch nutzen kann. Das soll der
Autohandel als Chance sehen. Das ist Poletti aber egal, schließlich
musste er sein Unternehmen in Cluno umbenennen, da Volkswagen im
Namen Moyem eine Verwechslungsgefahr zum eigenen urbanen
Mobilitätskonzept Moia sieht. Cluno hat er noch nicht laut
publiziert, vielleicht verkauft er an VW oder einen asiatischen
Investor und startet ein frisches Projekt. Detlev Pätsch, Vorstand
des Autovermieterriesen Sixt SE, sieht die Mobilitätsinnovationen
schneller in Umsetzung begriffen,als das viele im Autohandel wahr
haben wollen. Der Autovermieter ist künftig "Operator für autonomes
Fahren" und macht sich neue Mobilitätsformen im Internet zunutze,
weiteres Wachstum zu generieren -im angestammten Geschäft.
Im Fazit brachte der 14. puls Automobilkongress zum Ausdruck, dass
Trends, Chancen und Gefahren in Verbindung mit der Urbanisierung sehr
eng beieinander liegen, jedoch jeder Unternehmer sich die Zukunft
selbst gestalten muss. Besonders jene werden erfolgreich sein, die
den Faktor Mensch bei Anwendung neuer Mobilitätsformate -"projiziere
dich in den digitalen Orbit"(Zitat Weßner) - im Mittelpunkt behalten.
"Auch für digital orientierte Kunden zählt letztlich
Handschlagqualität", ist sich Florian Schirak, Sohn des St. Pöltener
Jaguar-Land- Rover-Händlers Werner Schirak, sicher, im Konzert neuer
Marktteilnehmer bestehen zu können: "Hersteller denken global, der
Markenerfolg wird lokal sichergestellt. Unsere Chancen sind intakt."