"Super, toll, großartig" übersetzt das Österreichische Wörterbuch
"leinwand". Im Zusammenhang steht in ihrer Selbstinterpretation
dieser Begriff für viele Marktteilnehmer im Reifenbusiness. Also
erwarten wir einen aufregenden soliden Sommerreifenabsatz.
Den Ursprung hat das Wort "Leinwand" in der Welt des Bieres, schreibt
die Wiener Chronik. Wenn sich heute jemand mit den Worten "Des is
leiwand"über etwas äußert, dann ist das positiv. Positiv ist zum
Beispiel, dass Kraftfahrzeuge mit ihren Bereifungen in absehbarer
Zeit nicht vom Markt verschwinden werden. Aus Sicht des
BRV-Vorsitzenden Dipl.-Kfm. Stephan Helm, selber Herr über gut 40
Reifen-Filialen in Deutschland, ist das Reifengeschäft intakt, auch
wenn sich die Mobilitätskriterien schneller wandeln und jede Prognose
aus Industrie/ Handel über nachhaltige Ertragschancen für den Reifen
(fach)handel kritisch hinterfragt sein muss.
Seinösterreichisches Pendant zum deutschen Bundesverband
Reifenhandel und Vulkanisier-Handwerk, VRÖ-Obmann James Tennant, malt
ein zuversichtliches Stimmungsbild vom Geschäftsverlauf 2017 seiner
Mitglieder im Verband der Reifenspezialisten Österreichs: "Die
Umsteckbereitschaft liegt bei 92 Prozent."Über Absatzmenge und
Ertrag wurde nichts verlautet - vielmehr ein Appell an die
Servicequalität und vernünftige Kalkulation.
12 bis 14 Prozent verschwunden Diese Aussagen kommen vor dem
Hintergrund zweier Pleiten der namhaften Groß-und Einzelhändler
Ruhdorfer in Graz und Bruckmüller in Linz. Beide mit je rund 6 bis 7
Prozent geschätzten Marktanteil am Gesamtvolumen wurden und werden
vom Wettbewerb "geschnupft". Diese Traditionsbetriebe gehen im Markt
niemand ab, was einiges über den Zustand im Reifenhandel auszudrückenvermag. Für Tennant und seine Mitglieder lief das
Winterreifengeschäft besser als erwartet. Er sieht auf die gesamte
Winterreifensaison betrachtet, höhere Umsatzzahlen im Vergleich zur
Saison davor. Die Lieferantenszene, also die Industrie, applaudiert
dazu höflich, auch wenn die Interpretationje nach Markenstandpunkt
differenzierter ausfällt, um das Wort "Marktrückgang " nicht unnötig
strapazieren zu wollen. Also nicht so wirklich alles leinwand! Helm
ist diesbezüglich kritischer in seinen Ausführungen und stellt die
Frage nach der richtigen Ausrichtung seiner Mitglieder im durch das
Internet immer härter werdenden Preiswettbewerb. Das sei angesichts
der allgemein weiter steigenden Kostenbelastungen und ebenso
fortgesetzt negativen Margenentwicklung im Maßnahmenkatalog der
kooperierenden Verbände in den wieder angesetzten Industriegesprächen
festzuschreiben. Das wird wieder weniger leinwand, denn die Industrie
verfolgt wie immer ihre eigenen Absatzmotive. Schwierige
Preisdurchsetzung Egal über welchen Vertriebskanal der Reifenhandel
abläuft, das facettenreiche Internet macht die Preisdurchsetzung beim
Kunden zur Herkulesaufgabe.
Dazu kommt der Vorwurf der Subventionierung durch herstellereigene
Vertriebsorganisationen, die sich vermutlich künftig noch stärker
ausprägen könnten.
Das wird beim wieder aufgenommenen Dialog mit der Industrie starke
Diskussionen mit sich bringen. Zu unterschiedlich sind die
Standpunkte und letztlich muss die Industrie auch die
Autohaus-Interessen (Erstausrüstungsdimensionen müssen berücksichtigt
werden) bedienen und vor den Serviceportalen mit ihren
Software-Schnittstellen, Bewertungs-und Preisvergleichsportalen ist
eine Stabilitätskonstruktion schwierig umzusetzen.
Wachsamkeit erforderlich Sowohl für Tennant als auch Helm haben in
erster Linie diejenigen eine zufriedenstellende Zukunft, die wach
jede Veränderung aktiv anpacken. Zahlreiche Familienbetriebe pflegen
erfolgreich ihren Einfluss in den Regionen. Helm: "Sich verändernde
Rahmenbedingungen sind insbesondere für uns eine Chance, mit
Kundennähe und kurzen Entscheidungswegen zu glänzen."
Tennant ergänzt die Argumentation um den Faktor Dienstleistung:
"Diese Einnahmequelle gehört ordentlich kalkuliert und zwingend dem
Kunden verrechnet. Stimmt der Kundenzugang, gelingt auch dieses
Vorhaben." Der Verdrängungswettbewerb wird sich trotzdem fortsetzen
und während des Jahres wieder das eine oderandere Opfer finden. Den
Kunden ist das egal, sie nutzen die Vielfalt des Angebots. Die vielen
Consultants im Markt raten den Verbänden und Gruppierungen,
angesichts der Internet-Ausprägungen mit eigenen Portalen Gegendruck
auf die zahllosen Portalanbieter auszuüben. Dafür ist jedoch
Einigkeitnötig, und die ist nicht immer gegeben. Ein Beispiel ist
der geplante Zusammengang der Einkaufsorganisation Top-Reifen-Team
(TRT) mit der Point-S-Organisation. Die unterschiedlichen
Konstruktionen und Interessenlager, TRT hat eine homogene
mitbeteiligte Gesellschaftsstruktur, Point-S hingegen hat viele
kleine Familienbetriebe unter Vertrag. Der Zusammenschluss lässt auf
sich warten und die Lieferanten haben angesichts sich weiter
verschärfenden Preisdrucks auch kein gesteigertes Interesse an einer
raschen Umsetzung. Zudem beeinflussen Lieferanteninteressen
vielerorts Unternehmerentscheidungen und somit Markenströmungen.
Dazu kommen Anbieter aus ganz Europa, die mit eigenem
Verkaufspersonal etablierten Marktteilnehmern das Leben im Markt
schwer machen, was zu spürbarer Gereiztheit führt. Alles
Ingredienzen, die auch 2018 den Reifenmarkt erschweren.
Dennoch strahlen die Befragten Zuversicht aus. Rückgänge
einzugestehen, will/kann sich aus Bonitätsgründen kaum jemand
leisten. Die Vertikalisierung im Vertrieb nimmt weiter zu, die
Industrie weiß das für sich auszunutzen.
POS wettbewerbsentscheidend Also stützen sich die Marktteilnehmer auf
das Argument der Verbände BRV und VRÖ, aus Sicherheitsüberlegungen
Sommerreifen im Sommer zu verwenden. Automarken wiederum lassen dem
Ganzjahresreifen viel Spielraum, gibt er den Flottenbetreibern doch
geldwerte Argumente in die Hand, weiter zu optimieren. Durch das
Internet zunehmend "dressiert", realisieren Verbraucher ihren
Reifenbedarf mehr und mehr unter Kostengesichtspunkten. Beim Kunden
Unterschiede von Sommer-und Winterreifen zwischen Premium-,
Medium-und Billigqualitäten herauszuarbeiten, muss im
Reifen(fach)handel die Meisterschaft sein. Erstdann ist -für die
Sieger -alles leinwand!